22 ~ Zwei Einladungen

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Cassandra hätte sich übergeben wollen, bis sie nicht einmal mehr Gedanken in ihrem Körper hatte. Ihr Magen war ein einziger harter Klumpen und ihr Herz daneben war in nicht besserem Zustand. Beides bereitete ihr Schmerzen und sie empfand nicht einmal mehr Scham und Wut darüber, dass sie sich so hatte erniedrigen lassen.

Die züngelnden Flammen des Kamins warfen lebhafte Schatten in den Raum, die groteske Gebilde an den Wänden und Decken formten, während sie unruhig hin und her wanderte. Die Fensterscheiben zitterten jedes Mal bedenklich, wenn sie ihnen näher kam.

„Wie du willst", hatte Joakim gesagt, doch was Cassandra tatsächlich gewollt hatte, was sie noch immer dringend wollte, konnte er ihr niemals geben.

„Ich träumerische Närrin." Sie hatte sich eingebildet, dass alles gut gehen würde, dass sie ihren Märchenprinzen finden und „glücklich bis ans Ende ihrer Tage" mit ihm leben konnte. Aber sie hatte die Rechnung ohne das Schicksal gemacht, das ihr ganz offensichtlich liebend gern einen Strich durch alles machte.

Dezentes Klopfen ließ sie in ihrer unruhigen Wanderung innehalten. Um an diesem Tag nicht noch eine unangenehme Überraschung zu erleben, tastete sie vorsichtig mit ihrem Geist nach der Person hinter der Tür. Ein Seufzen entwich ihr, ehe sie sagte: „Komm rein Yuna."

„Cassie, wir machen uns Sorgen", sagte ihre Freundin und schlüpfte in den Raum.

Cassandra hatte lediglich ein unwirsches Schnauben als Antwort für die andere übrig. Was sollte sie auch groß sagen? Sie konnte sich ja kaum zu einem klaren Gedanken zwingen und für Schuldgefühle war in ihrem aufgewühlten Gemüt kein Platz mehr. Bedeutungsvoll wanderte Yunas Blick zu dem gelben Kleid, das über einem Stuhl neben der Kommode stand.

„Ist nicht so gut gelaufen, nicht wahr?" „

Pah, das ist die Untertreibung des Jahres." Cassandra stieß ein hexenhaftes Lachen aus und fragte sich zum ersten Mal in ihrem Leben, ob sie jetzt schon verbittert wie eine alte Frau werden würde.

'Na und? Ist doch jetzt auch egal, wie ich mich aufführe. Bisher habe ich noch jeden in meinem Leben enttäuscht.' Der Gedanke tat weh und gesellte sich zu dem Schmerz, den ihr brechendes Herz in ihrer Brust verursachte.

Yuna, die nichts von ihrem hässlichen Monolog gehört hatte, verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie mit zusammengezogenen Brauen an. „Zynismus steht dir nicht. Ist es denn wirklich so schlimm?"

Cassandra musste sich auf die Wangeninnenseite beißen, um nicht zu vor Frustration und Qual zu schreien. Um die Emotionen in ihren Augen zu verstecken, drehte sie den Kopf zur Seite und nickte lediglich.

Doch ihre Mühe war vergebens, denn Yuna seufzte leise: „Ach Cassie..." Ehe Cassandra sich wehren konnte, hatte ihre Freundin sie fest in die Arme gezogen. Obwohl sie es sich fest vorgenommen hatte, sich nicht auf dieses Niveau herunter zu lassen, entrang sich ihr ein gequältes Schluchzen. Mit zitternden Händen erwiderte sie die Umarmung.

„So habe ich das nicht gewollt", murmelte sie in die dunklen Haare ihrer Freundin, nachdem sie glaubte ohne zitternde Stimme sprechen zu können.

„Sch sch, ich weiß. Aber es ändert nichts an den Gefühlen, die du hast, nicht wahr?"

Heftig schüttelte Cassandra den Kopf und ließ zu, dass Yuna sie sanft zu ihrem Bett zog und auf die Kante setzte. Sofort zog sie die Knie an die Brust und schlang die Arme um die Beine. Der Gedanke, dass sie sich wie ein kleines Kind verhielt, streifte nur flüchtig ihr Bewusstsein.

Mitfühlend sahen Yunas helle Augen sie an, während sie neben ihr auf die Matratze kletterte. „Möchtest du mir dann vielleicht erklären, was dich so aus der Bahn wirft? Ich meine, er ist immer noch der gleiche."

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