14 ~ Gespräche & Geschenke

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„Mieser, dreckiger Bastard!" Hass brodelte heiß und ätzend in Cassandras Inneren, während sie der dunklen Gestalt mit den hellblauen Augen hinterher sah, die in einer schmalen Seitengasse verschwand. Wutschnaubend drehte sie sich um und sah Yuna ins Gesicht, die sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.

„Geht es dir gut?", fragte sie unsicher.

Cassandra schnaubte undamenhaft und murrte: „Tut mir leid Yuna. Aber dieser Kerl hat mich über den Haufen gerannt, ohne sich zu entschuldigen."

Ein Grinsen zupfte an den Mundwinkeln der anderen und in ihren blauen Augen blitzte der Schalk. „Wie kommt es dann, dass nicht schon längst etwas zu Bruch gegangen ist?"

Seufzend rollte Cassandra mit den Augen. „Weil ich nicht genügend Magie dafür übrig habe." Ungehaltener fügte sie hinzu: „Willst du mich rein bitten, oder sollen wir den ganzen Tag zwischen Tür und Angel miteinander reden?"

Yuna lachte, hielt die Tür weit auf und verbeugte sich tief vor ihr. „Oh verzeiht mein respektloses Verhalten, verehrte Lady. Bitte treten Sie ein in mein bescheidenes Heim."

„Das wurde auch Zeit", erwiderte Cassandra mit nasaler Stimme, ehe sie mit erhobenem Kopf in den schmalen Windfang schritt. Doch nicht lang, da brachen beide in Gelächter aus und Yuna winkte sie hinter sich her.

„Wo genau steckt eigentlich deine Tante?", fragte Cassandra, als sie die prachtvolle Bibliothek betreten hatten.

„Das weiß kein Mensch." Yuna verdrehte die Augen und sagte: „Sie wandelt durch die Welt und glaubt, dass sie dadurch ihre Muse wieder findet."

Cassandra lächelte und ließ sich auf einen der ausladenden Sessel sinken. Sie hatte schon früher gern Eleonora Deamoj besucht, denn das gesamte Haus strahlte diese heimelige, warme Atmosphäre aus wie dieser Raum.

Yuna setzte sich ihr gegenüber, doch kaum hatte sie das Sitzpolster berührt, sprang sie wieder auf. Aufgeregt durchquerte sie den Raum und verkündete: „Cassie, das hätte ich beinah vergessen. Ich habe es gefunden."

„Es?", fragte Cassandra irritiert und drehte sich nach ihrer Freundin um. Manchmal war es schwierig, den wirren Gedankensprüngen der jungen Frau zu folgen.

Neugierig beobachtete Cassandra sie und staunte nicht schlecht, als sie kurze Zeit später ein in Seidenpapier eingeschlagenes Paket auf ihren Schoß legte.

„Mach es auf!", forderte Yuna und grinste sie dabei breit an.

„Ich bekomme Angst vor dir, wenn du mich so ansiehst." Dennoch wickelte Cassandra eine Schicht Papier nach der anderen von dem geheimnisvollen Gegenstand und förderte ein Buch mit abgegriffenem Ledereinband zu Tage.

„Was...?", setzte sie an, doch das Ende des Satzes geriet in Vergessenheit, als sie die erste Seite aufschlug und den Titel sah. In geschwungenen Lettern stand dort Die Nymphen von Mirus.

„Oh Yuna..." Ehrfürchtig strich Cassandra über die dünnen Seiten und Erinnerungen aus ihrer Kindheit stiegen in ihr hoch. Sie glaubte fast die Stimme ihrer Urgroßmutter zu hören, die ihr unzählige Abende aus diesem Buch vorgelesen hatte.

Yuna setzte sich neben sie auf die Sessellehne. „Ich habe es vor zwei Monaten auf dem Markt in Assero entdeckt und sofort gekauft. Es ist ein Original." Cassandra konnte nur nicken, während sie um Fassung rang. An diesen drei Liebesgeschichten hingen unzählige, kostbare Erinnerungen. Leider war das Exemplar, das einst ihrem Vater gehört hatte, seit einigen Jahren unauffindbar.

„Dürfte ich es mir ausleihen?", fragte sie und sah zu der schwarzhaarigen Frau auf.

Diese lächelte sie an und nickte. „Du darfst es sogar behalten, wenn du möchtest."

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