18 ~ Heilsame Liebe

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Ein Knurren entwich Cassandras Kehle, um das sie jeder Wachhund beneidet hätte. Frustriert schlug sie auf die Matratze und hätte sicherlich etwas zu Bruch gehen lassen, wenn ihre Magie bereits wieder ein kritisches Maß erreicht hätte. So loderten lediglich die Kerzen auf ihrem Nachttisch auf und durchbrachen die Dunkelheit in ihrem Zimmer.

Missmutig warf sie einen Blick auf die Wanduhr – es war bereits halb elf und sie war immer noch wach. Sie konnte nicht schlafen, denn sie wurde von einer namenlosen Unruhe geplagt. Wäre es nicht lächerlich gewesen, Cassandra hätte das Gefühl als Schuld gepaart mit eiserner Entschlossenheit und Verzweiflung benannt.

'Aber ich habe keinen Grund dafür, mich so zu fühlen', sagte sie sich und setzte sich auf. Sie hatte nichts angestellt noch hatte sie sich in sonstiger Hinsicht irgendetwas vorzuwerfen. Ein kleines, irres Lachen ausstoßend fragte sie sich, ob sie langsam den Wahnsinn verlief.

„Das würde die Lästermäuler sicher freuen." Cassandra gab sich keiner Illusion in dieser Hinsicht hin – alle redeten über die missratene Tochter der Sileris.

Sie wollte gerade aufstehen, als ihre Tür sich leise öffnete und eine Frau mit rotem Haar eintrat. Irritiert sah sie ihre Mutter an, die mit unergründlicher Miene zu ihr ans Bett trat. „Ist etwas passiert?"

„Hm, nein. Aber ich glaube, das kommt bald", antwortete Ari und lächelte sie an. „Ich habe selbst durch die Wände hindurch gespürt, dass du Wellen schlägst."

Missmutig schnaubte Cassandra und verschränkte die Arme vor der Brust. Magiebegabte und vor allem Emendi neigten dazu, schwache Energieimpulse auszusenden, wenn sie durcheinander oder sehr aufgewühlt waren.

„Ich werde schon nichts kaputt machen", blaffte Cassandra, etwas pampiger als beabsichtig. Die seltsamen Emotionen in ihr ließen nicht zu, dass sie auf diese Anschuldigung gelassen reagierte.

Doch Ari war nicht beleidigt, sondern setzte sich stattdessen mit einem sanften Lächeln auf die Bettkante. „Schätzchen, diese Art von Wellen habe ich auch nicht gemeint. Deine Magie hat damit nichts zu tun, glaub mir."

„Was ist es dann?", fragte sie verwundert. Manchmal sprach ihre Mutter wirklich in Rätseln für sie.

„Nun...", setzte ihre Mutter an, raffte ihr weißes Nachthemd und kletterte neben Cassandra ans Kopfende des Bettes. „Ich habe kurz darüber nachdenken müssen, aber du fühlst dich genauso an wie Hanna und Lorlen früher."

„Raphaels Eltern?" Verwirrung machte sich in ihr breit und vergessen war der Groll, den sie eben noch gehegt hatte.

Ari nickte bestimmt und tätschelte sanft ihr Knie. „Du hast doch sicher ein bisschen Zeit, um mit mir zu reden, oder?"

Abfällig schnaubte Cassandra und murrte: „Sicher, schlafen kann ich ohnehin nicht."

„Dann kann ich es dir ja ausführlich erklären." Die blassblauen Augen der anderen funkelten, ehe sie anfing zu erzählen.

„Du weißt doch, warum ich damals aufgewacht bin, ja?"

Cassandra nickte und zog ein Kissen an ihre Brust. Die Geschichte ihrer Eltern war Grundlager vieler moderner Liebesgeschichten gewesen. „Es war Papas Liebe, die den Fluch der Träumerin gebrochen hat."

Lächelnd nickte Ari, wobei das kleine Muttermal an ihrem Augenwickel verschwand.

„Es war unsere einzigartige Verbindung, die die tiefen Wunden in meinem Geist geheilt und mich zurück in die wache Welt geführt hat." Unweigerlich durchlief ein Schauer Cassandras Körper und ihre Gedanken wanderten zu dem Kater. Unbeholfen begann sie mit dem Ende ihres Zopfs zu spielen, damit ihre Mutter nicht die Gefühle in ihren Augen sah.

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