Manchmal glaubte Cassandra nicht, dass sie tatsächlich zur Hälfte Emendi war. Die meiste Zeit ihres Lebens hatte sie in der Welt der Menschen verbracht, statt in der Emendiwelt zu leben. Darum fühlte sie sich eher wie ein Mensch, eine ganz normale Frau. Häufig gelang ihr diese Selbsttäuschung erstaunlich gut, doch in Momenten wie diesen gerade war sie sich durchaus des fremden Blutes in sich bewusst.
Vor allem, wenn ihre Emotionen drohten ihr die Kontrolle zu entreißen. Sie hatte es selbst bei ihrer Mutter gesehen, wenn sie sich heftig mit ihrem Vater auseinandergesetzt hatte. Bei diesen Gelegenheiten war die Fähigkeit, sich schnell vor umher fliegenden Gegenständen zu schützen, sehr nützlich gewesen.
'Ruhig Blut Cassie, in einer Stunde ist alles vorbei.' Doch der Gedanke hatte lang nicht den beruhigenden Effekt auf sie, den sie sich erhofft hatte. Wut kochte unter ihrer Haut und wären nicht Warren und Raphael gewesen, Cassandra hätte wohl das ganze Geschirr zu Bruch gehen lassen.
'Vornehmlich auf den Köpfen dieser drei Straßenköter', dachte sie und spannte unmerklich ihre Finger fester um das Besteck. Seit sie sich der Anwesenheit von Joakim Arragan in diesem Haus bewusst geworden war, stand sie kurz davor ihre Magie nicht mehr unter Verschluss halten zu können. Aus Raphaels mitfühlenden Blicken schloss sie, dass er den Aufruhr in ihrem Inneren erahnte.
Eigentlich war es lächerlich, dass Cassandra sich wegen diesem Aas so sehr aus dem Gleichgewicht bringen ließ. Gewöhnlich war sie nicht nachtragend, aber bei ihm machte sie eine Ausnahme. Vor etwa vier Jahren war sie zusammen mit ihren Eltern bei Lorlen zu Besuch gewesen und war mit Joakim zusammen gestoßen – im wahrsten Sinne des Wortes. Durch eine unglückliche Verkettung von Umständen waren sie ineinander gelaufen.
Doch statt sich höflich zu entschuldigen, so wie Cassandra es getan hatte, hatte der junge Perveo sie mit niederträchtigem Blick gemustert und sie mit hässlichen Schmähungen beschimpft. Cassandra wusste, dass sie als Jugendliche nicht sonderlich ansehnlich gewesen war, obwohl ihre Verwandtschaft ihr auch heute noch versuchte das Gegenteil einzureden. Der treffendste Vergleich war wohl der mit einer zerfledderten Vogelscheuche gewesen.
Damals war es besonders schlimm um ihre magische Instabilität gestanden und ihre Eltern waren kurz davor gewesen sie für längere Zeit in die Welt der Emendi zu schaffen. Unerwartet hatten jedoch die Träume mit dem schwarzen Kater begonnen und ihr Zustand hatte sich dramatisch verbessert.
Ein kleines Aufatmen ging durch ihren Körper, während sie an ihren Vertrauten dachte. 'Ich wünschte, ich könnte ihm heute Nacht von diesem schrecklichen Fiasko erzählen.' Unweigerlich wanderte ihr Blick zu Joakim Arragan, der sich im Moment verhalten mit Warren unterhielt. Nur mit Mühe konnte sich Cassandra davon abhalten, ihn mit zusammengekniffenen Augen anzustarren.
Rabenschwarzes Haar, grüne Augen und eine für einen angehenden Zunftmeister erschreckend muskulöse Figur zusammen mit seinem ungehobelten Benehmen machten ihn zu genau dem Typ Mann, den Cassandra ohne schlechtes Gewissen hassen konnte: Schmierige Schönlinge. Die Tatsache, dass er mehr als einen Kopf größer war als sie, verstärkte ihren Wunsch danach, ihm ohne weiteren Grund Schmerzen zuzufügen.
In ihrem bisherigen Leben hatte sie genug solche Wichtigtuer gesehen und erlebt, dass sie keinen weiteren mehr ertragen konnte. Nicht wenige dieser Männer hatten versucht um ihre Hand anzuhalten.
'Ich frage mich immer noch, wie Marie ihren Noah gefunden hat.' Der Gedanke an ihre Schwester vermochte ihre negativen Emotionen zu beruhigen.
Ein unsanfter Tritt gegen ihr Schienbein riss sie gewaltsam aus ihren Gedanken und ließ sie irritiert blinzeln. Anklagend sah sie Raphael an und wollte ihn schon fragen, was um Himmels Willen in ihn gefahren war, als sie die verschnupfte Stimme von Ms Perranti hörte.
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Dream With Me
FantasyKönnen Träume wahr werden? Cassandra ist eine besondere junge Frau: Als Tochter eines Menschen und einer Emendi kann sie Magie wirken. Doch diese ist launisch und Cassie hat oft Probleme, ihre Kräfte zu kontrollieren. Der junge Telekinet Joakim mach...