Annalenas Blick wanderte immer wieder zu Linda, als Olaf redete. Sie konnte den Blick von der Liberalen einfach nicht abwenden. Sie konnte sich selbst nicht erklären wieso. Irgendetwas faszinierte sie an ihr.
"Also gut, die Regeln. Der Sinn dieser Tage ist, dass wir uns alle besser kennenlernen und insbesondere einen gewissen Zusammenhalt herstellen können. Das wird für die nächsten Jahre in dieser Koalition existenziell. Es geht also nicht hauptsächlich um politische Debatten und wir sollten darauf achten, uns hier als Menschen und nicht als Politiker zu begegnen. "
Annalena wunderte sich über diese Worte von Scholz. So sprach er doch sonst nicht. Hatte Robert ihm da heimlich geholfen beim formulieren?
"Mir ist es wichtig, dass insbesondere bei den Aktivitäten die Handys aus bleiben, damit es keine allzu großen Ablenkungen gibt."
Annalena sah, wie Christian aufgebracht nach Luft schnappte und beinahe protestieren wollte. Aber dann traute er sich wohl doch nicht, den Kanzler zu unterbrechen. Stattdessen murmelte er: "Probleme sind nur dornige Chancen. Probleme sind nur dornige Chancen." Es wirkte beinahe wie ein Mantra. Etwas gruselig, befand Annalena.
"Außerdem möchte ich, dass ihr Zeit mit denjenigen verbringt, mit denen ihr in einem Haus seid. Die Aufteilung ist nicht zufällig entstanden und es wird der gesamten Koalition gut tun, wenn es unter den Fraktionen auch einen privateren, besseren Austausch gibt. Dafür könnt ihr hier sorgen. Trotzdem wird es bei bestimmten Aktivitäten auch immer mal andere Aufteilungen geben, also ihr werdet hier alle gut in Kontakt kommen. Ich erwarte, dass ihr das akzeptiert und annehmt. Und vorerst eine letzte Sache, ich möchte, dass jeder eine Aktion durchführt. Es wird gelost, wer an welchem Tag etwas vorbereitet, aber ihr werdet alle etwas tun dürfen. Nur für den heutigen Tag habe ich überlegt, dass Robert uns durch den Spaziergang in den Dünen führen wird. Immerhin kennst du sowas doch, Meer und Strand. Du musst dir also nichts besonderes mehr überlegen. Alle anderen sollten jetzt vorgewarnt sein."
In Annalenas Kopf arbeitete es. Mit Linda Zeit verbringen, kein Problem. Zumindest, wenn sie sie nicht aussperrte. Aber eine Aktivität planen? Da war ihr Kopf doch gerade noch ziemlich leer. Was hatte Robert nicht ein Glück. Das flüsterte sie ihm dann auch leise zu, worauf er zufrieden nickte. Das würde bestimmt ein guter Nachmittag werden, wenn Robert das Ganze übernahm. Hoffte zumindest Annalena. Aber da hatte sie großes Vertrauen in ihn.
Einige Dinge klärten sie noch, bevor alle wieder in ihre Häuser aufbrachen. Sie hatten noch etwas Zeit, bevor sie wieder zum Mittagessen aufbrechen müssten. Und so folgte Annalena Linda in ihr Haus und setzte sich gegenüber von ihr auf das Sofa. Bevor Linda wieder in irgendetwas vertieft war, sprach Annalena sie an.
"Wolltest du mich eben loswerden oder warum hast du mich ausgesperrt?", lachte sie leicht und sah in das verduzte Gesicht der Blondine.
"Wie ausgesperrt? Bist du nicht kurz vor mir einfach in das große Haus gegangen?", fragte Linda verwirrt.
"Nein, du hast einfach die Tür hinter mir zugeschlagen, als ich meine Jacke geholt habe und dann hast du wohl nichts mehr gehört, als ich geklingelt und geklopft habe."
Annalena merkte, wie peinlich es Linda war. Sie hatte wohl wirklich nichts mitbekommen. Sowas passierte ihr sonst nie. Und dann ausgerechnet bei Annalena, der Außenministerin. Aber diese nahm die ganze Sache mittlerweile wirklich mit Humor.
"Oh Gott, das tut mir wirklich Leid. Glaub mir, das war keine Absicht. Ich würde dich niemals absichtlich aussperren. Ich war einfach so vertieft, oh man, bitte sei mir nicht böse. Normalerweise bin ich nicht so verpeilt."
"Hey, alles gut. Ich hatte meinen Spaß und Claudia, die hat mich dann aufgenommen, hatten den auch. Sowas kann doch jedem mal passieren. Ich bin nur froh, dass du mich nicht absichtlich loswerden wolltest. Sonst wäre ich doch etwas enttäuscht."
Erleichtert lächelte Linda sie an. Annalena merkte förmlich, wie der Liberalen Tausend Steine vom Herz fielen. Und sie war wirklich froh, dass sie sich so gut mit ihr verstand. Vor dem heutigen Morgen hatten sie kaum mal mehr als ein paar Worte gewechselt, obwohl sie den selben Wahlkreis hatten. Aber meistens hatten sie nur der Höflichkeit halber gesprochen. Heute Morgen jedoch hatten sie zusammen auf den Bus gewartet und sind dann ins Gespräch gekommen. Und das auch relativ schnell auf einer privaten Ebene. Annalena hatte dabei festgestellt, dass Linda doch wirklich sympathisch war. Obwohl sie bei der FDP ist. Naja, ihre politischen Ansichten fand sie dann eher nicht sympathisch, aber das war ja auch nicht alles. Scholz hatte es eben noch gesagt, sie sollten sich hier immerhin als Menschen kennenlernen, nicht als Politiker. Und der Mensch Linda interessierte sie.
"Bist du denn halbwegs zufrieden damit, dass du in den nächsten Tagen wohl relativ viel Zeit mit mir verbringen wirst?", fragte Annalena und brachte Linda damit nicht weniger aus dem Konzept.
"Ja, natürlich. Ich bin ganz froh, dass ich mal nicht nur mit meinen Partei Kollegen rumhängen muss. Auf Dauer wird es anstrengend, vor allem mit Christian. Und natürlich bin ich auch neugierig, immerhin bist du eine wirklich starke Frau, da wird es nicht schaden, Zeit mit dir zu verbringen. Und ich bin ja auch eigentlich gar nicht so nah dran an euch in der Regierung. Ich weiß eigentlich auch gar nicht, warum ich gefragt wurde, ob ich hier mit will. Aber gut, bisher scheint es eine gute Entscheidung gewesen zu sein. Ist es für dich denn in Ordnung mit mir?"
"Na klar, es hätte deutlich schlimmer kommen können. Zum Beispiel mit Christian in einem Haus. Da muss jetzt ja der arme Robert durch. Aber nein im Ernst, du bist wirklich sympathisch. Ich glaube wir werden hier eine gute Zeit haben."
Annalena lächelte leicht und Linda tat es ihr gleich. Es tat beiden gut, solche Worte zu hören. Vielleicht halfen diese Tage ja wirklich, um ihre Koalition zu stärken, dachte Annalena. Und vielleicht auch, um neue Freundschaften zu schließen. Apropos Freundschaften, sie war ja wirklich gespannt, was Robert wohl aus dem Strandspaziergang machen würde.
"Was hältst du von dem Strandspaziergang nachher? Ist das dein Ding oder eher nicht? Ich bin ja mal gespannt, ob Robert da noch etwas plant. Am besten frage ich ihn gleich mal, dann sind wir vielleicht schon etwas vorgewarnt."
"Das ist eine gute Idee. Aber ja, am Strand wird es sicherlich ganz nett sein. Ich mag es wirklich, in der Natur zu sein. Egal ob in Brandenburg oder an der See. Von daher würde ich fast sagen, dass ich mich darauf freue. Aber wer weiß, was Robert vor hat."
"Ach, bestimmt wird das gut. Ich vertraue Robert da voll und ganz."
Annalena merkte, wie Linda sich wieder deutlich sicherer in ihrem Gespräch fühlte. So wie heute Morgen auch schon. Schüchtern war die FDPlerin eigentlich nicht. Und das merkte Annalena auch an der kommenden Aussage.
"Apropos Robert. Ist euch eigentlich bewusst, dass gefühlt im ganzen Bundestag und in den Parteien darüber spekuliert wird, dass ihr mal etwas miteinander hattet?"
Annalena lachte leicht und musste schmunzeln. Linda stellte direkt die richtigen Frage. Es gefiel ihr, dass sie offenbar nicht lange zögerte.
"Das ist doch mittlerweile schon irgendwie ein Elefant im Raum, oder? Also klar, uns ist das bewusst. Wie groß die Ausmaße dieser Spekulationen sind, darüber haben wir auch nur spekuliert. Aber naja, es ist auch ganz amüsant."
"Du könntest die Spekulationen jetzt aus dem Weg räumen.", lachte Linda. "War da mal was zwischen euch?"
Annalena dachte kurz darüber nach, was sie antworten sollte. Ob sie mit Linda überhaupt so sprechen sollte. So privat. Aber es fühlte sich richtig an. Außerdem war doch nichts dabei bei der ganzen Sache.
"Nein, nie. Wir verstehen uns super, haben es auch immer getan, aber wir kannten unsere Grenzen. Und es ist ja nicht so, dass wir nicht in Beziehungen gewesen wären. Also ich muss dich und alle, die spekuliert haben, wohl enttäuschen. Mit Robert und mir, da ist bisher nichts gewesen. Nichts, was verwerflich wäre."
Weiter geht's :) Ich wünsche euch einen schönen Tag und hoffe, dass ihr viel Spaß beim Lesen hattet!
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Fahrt ins Ungewisse
FanfictionZehn Tage. Die Führungsspitzen der Ampel-Koalition. Eine Idee des Kanzlers. Das Ziel: die Gemeinschaft in der Koalition stärken, abseits der politischen Debatten. Deshalb fährt eine Gruppe der Spitzenpolitiker der Ampel Parteien an die Ostsee, um di...