Lindas Gefühlszustand war nicht erklärbar. Vor einigen Stunden hatte sie riesige Angst um Annalena gehabt und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Jetzt lag ihr Kopf neben Annalenas und strich ihr sanft eine Strähne aus ihrem Gesicht. Annalena ging es gut. Und sie hatte sie gefragt, ob sie zusammen sein wollen. Und natürlich gab es nur eine Antwort auf diese Frage. Linda war überglücklich. Wie schnell sich die Gefühle eines Menschen ändern konnten. Eigentlich unglaublich. Aber darüber wollte Linda nicht nachdenken. Sie wollte den Moment genießen. Es war etwas umständlich, neben Annalena zu liegen, denn das Krankenhausbett war viel zu klein. Aber wenigstens ihren Kopf konnte sie neben den ihrer Freundin platzieren. Ihrer Freundin. Wie sich das anhörte! Wie lange hatte Linda darauf gewartet, wieder glücklich zu sein. Nachdem ihr Mann sie betrogen hatte. Und jetzt war mit einem Mal alles gut. Auch wenn sie wusste, dass natürlich eigentlich nicht alles gut war. Annalena war die Außenministerin Deutschlands. Sie eine Kollegin aus der Koalition. Ihre Beziehung würde für reichlich Gesprächsstoff sorgen. Und natürlich konnte Linda das nicht verdrängen, aber für einen Moment musste es auch einfach mal nicht relevant sein. Sie würden schon eine Lösung für alles finden.
"Linda, was habe ich letzte Nacht alles verpasst? Gibt es interessante Neuigkeiten?", fragte Annalena irgendwann und durchbrach damit Lindas Gedankenströme. Ja, in der Tat hatte Annalena einiges verpasst. Auch wenn Linda nicht wirklich bei der Sache war, wusste sie doch, dass so einiges geschehen ist.
"Ich glaube diese Nacht hat so einiges aufgewühlt, auch wenn ich wahrscheinlich gar nicht alles mitbekommen habe. Aber Robert, Christian und Claudia mussten erfahren, warum es mir so nahe ging. Also sie wissen mehr oder weniger über unser Verhältnis Bescheid. Und daraus hat sich ergeben, dass Christian und Robert wohl auch was am laufen haben. Das hätte ich ja wirklich nicht erwartet. Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass Robert nichts mit jemanden anfangen würde, der so gar nicht umgänglich ist, wie Christian. Aber gut, von Christian habe ich ja sowieso eine sehr festgelegte Meinung."
Annalena lachte leicht. Ja, das wusste sie mittlerweile wirklich. Das Verhältnis zwischen Linda und Christian war äußerst schwierig. Und so ganz verstand sie auch nicht, was Robert mit Christian wollte. Aber wenn er glücklich war. Sie hatte jetzt immerhin auch eine Beziehung mit einer Liberalen.
"Stimmt, aber ja das mit Christian und Robert hatte ich tatsächlich schon von Robert mitbekommen. Aber die beiden schienen glücklich zu sein. Gönnen wir es ihnen vielleicht einfach. Wobei es bei denen bestimmt problematischer ist mit ihren Beziehungen."
Linda nickte nur. Ja, Christian war verlobt. Das wussten sie alle. Und jetzt wusste sie, dass er seine Verlobte mit Robert betrügt. Eigentlich war es nicht ihre Sache, aber wenn jemand betrogen wird, dann hatte Linda immer ein mulmiges Gefühl. Sie hatte es selber erlebt. Und jeder Gedanke daran war nach wie vor schrecklich.
"Und ansonsten gab es scheinbar ein riesiges Drama zwischen Kevin und Lars. Marco und Claudia haben sie für eine Stunde in einen Raum gesperrt und dann ist die Situation etwas eskaliert. Aber ich weiß nicht genau, was da passiert ist. Achja, und Claudia hat mich die ganze Zeit bemuttert und mich nicht alleine gelassen. Ich glaube ich muss ihr wirklich dankbar dafür sein, sonst hätten mich meine Gedanken vollkommen in den Wahnsinn getrieben."
"Ja, so ist Claudia. Sie ist einfach eine tolle Freundin. Sie wird uns sicherlich auch unterstützen. Und mit ihr an unserer Seite werden wir in der Koalition hoffentlich gut verteidigt, falls es irgendwelche Probleme geben sollte."
Ja, das dachte sich Linda auch. Und sie hoffte einfach, dass es aus ihrer Partei auch Unterstützung geben würde, wenn ihre Beziehung öffentlich werden würde. Denn Linda war sich sicher, dass das irgendwann passieren würde. Aber ob es wirklich Unterstützung aus der FDP geben würde? Hoffnung dürfte sie wenigstens haben. Aber das sollte jetzt gerade nicht ihre Aufmerksamkeit vereinnahmen. Die lag ganz bei Annalena. Wie sie Linda anlächelte und einfach glücklich schien. Auch wenn sie sicherlich noch etwas schwach war nach der letzten Nacht. Sie musste auch die nächste Nacht noch im Krankenhaus bleiben. Aber Linda schien es so, als ob Annalena das nicht mehr sonderlich viel ausmachen würde. Solange sie sich jetzt gerade hatten, war alles in Ordnung.
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Fahrt ins Ungewisse
FanfictionZehn Tage. Die Führungsspitzen der Ampel-Koalition. Eine Idee des Kanzlers. Das Ziel: die Gemeinschaft in der Koalition stärken, abseits der politischen Debatten. Deshalb fährt eine Gruppe der Spitzenpolitiker der Ampel Parteien an die Ostsee, um di...