Als Marco am nächsten Morgen aufstand und aus dem Fenster sah, fielen ihm Tausend Steine vom Herzen. Es war strahlender Sonnenschein, der ihr Zimmer schon am frühen Morgen erhellte. Und das bewegte Marco dann doch dazu, sich der Gruppe anzuschließen, die Joggen gehen würde. Christian war sicherlich auch dabei, dann könnte es so schlimm nicht werden. Obwohl sich Marco da bei der Betrachtung des restlichen Tages nicht mehr so sicher war. Er musste heute seine dämliche Aktivität durchführen. Und so ganz sicher war er nach wie vor nicht, was er machen sollte. Aber seine bisherige Idee fand er nun wirklich nicht so schlecht. Gerade jetzt, wo er sah, dass das Wetter doch ziemlich gut war. Naja, er hatte ja noch etwas Zeit, bis es soweit war. Erstmal brauchte er dringend Frühstück, bevor er joggen konnte. Deshalb stand er auf, warf sich in einen teuren Pullover und eine maßgeschneiderte Hose und begab sich nach draußen. Was Kühnert machte, war ihm ziemlich egal. Er schien immerhin noch zu leben, als Marco das Haus verließ. Naja, auch egal.
Zum Glück saß Christian schon in dem Saal, sodass sich Marcos Laune noch etwas besserte. Bei seinem Kollegen ließ es sich doch deutlich besser aushalten, als bei Kevin Kühnert. Aber Christian schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Zumindest begrüßte er Marco nur sehr kurz angebunden und stocherte dann wieder in seinem Essen herum. Komisch, sonst ließ Christian ein gutes Frühstück doch nie links liegen! Und gesprächig war er auch nicht. Alles ziemlich merkwürdig, aber Marco wollte auch nicht nachbohren. Was sollte schon passiert sein? Und wenn etwas passiert wäre, dann würde er es ihm schon von alleine erzählen. Da war sich Marco sicher. Trotzdem hielt er es irgendwann mit diesem ewigen Schweigen nicht mehr aus.
"Kommst du gleich mit Joggen? Wie ich dich kenne, kannst du dieses Angebot doch nicht ausschlagen."
"Hmm, ja. Bin dabei."
Darauf begrenzte sich dann ihre Unterhaltung und Marco fragte sich, ob eigentlich niemand mehr mit ihm interagieren wollte. Wenn Christian schon so abweisend war! Als Marco erneut zum Buffet ging, stellte er allerdings etwas interessantes fest. Besser gesagt, er beobachtete es. Robert betrat den Raum und Christians Kopf schnellte zur Seite. Beinahe so, als ob er bloß keinen Blickkontakt mit dem Grünen haben wollte. Und dann fiel Marco auch wieder der dunkelrote Knutschfleck an Christians Hals auf. Stimmt, da war ja etwas gewesen. Hätte Marco schon beinahe verdrängt gehabt. Und offenbar hatte Christian diese Sache nicht allzu gut weggesteckt. War er deshalb so schweigsam? So abwesend? Vielleicht schon. Aber es war nicht Marcos Aufgabe, Christian mit solchen Theorien zu bedrängen. Deshalb ging er zurück zum Tisch und ließ sich sein Frühstück schmecken. War Christian ja selber Schuld, wenn er dieses köstliche Essen nichtmal anrührte.
Mit Laufklamotten bekleidet stand Marco vor dem Gemeinschaftshaus und wartete, bis die restlichen Mitglieder der Gruppe eintrafen. Er war der erste. Und ärgerte sich gleich darüber, dass er die paar verbleibenden Minuten nicht noch genutzt hatte, um in seinem Buch weiter zu lesen. Aber dann kam zunächst der Kanzler zu ihm und kurz darauf Lars und Kevin. Stimmt, die beiden waren wohl auch ganz sportlich. Hätte Marco mal mit Kevin gesprochen, dann hätte es ihn auch nicht so überrascht, den Generalsekretär der SPD auch dort zu sehen. Aber gut. Der interessierte ihn sowieso nicht. Kurze Zeit später, immer noch pünktlich, kam noch Christian dazu. Er war schon etwas außer Atem. Hatte sich wohl beim Umziehen beeilt.
"Robert kommt auch sofort noch. Er war noch nicht ganz fertig.", murmelte Christian leise vor sich hin und Marco glaubte, dass die anderen ihn nicht verstanden hatten. Aber so warteten sie noch einen Moment, bis der Wirtschaftsminister, komplett in Laufklamotten gekleidet und mit einem motivierten Grinsen im Gesicht, zu ihnen stieß. Olaf war wohl der Ansicht, dass sie vollständig waren und erklärte ihnen dann kurz die Route. Zum Glück hatte Marco einen ausgesprochen guten Orientierungssinn, sonst würde er sich nachher noch verlaufen. Und das konnte nach dem gestrigen Tag wohl wirklich niemand wollen! Wahrscheinlich sollte man dann besser einen Blick auf Lars und Kevin werfen...
Nach wenigen Minuten stellte sich schon heraus, dass Christian in letzter Zeit einiges an Fitness und Kondition eingebüßt hatte. Er lief ganz hinten in der Gruppe und hatte ein deutlich langsameres Tempo als die anderen. Etwas weiter vor ihm lief Kevin, der einfach sein eigenes Ding machte und die anderen nicht wirklich beachtete. Denn mit dem Kanzler und seinem Parteivorsitzenden konnte er bei weitem nicht mithalten. Die beiden liefen ganz vorne und schienen keine Mühe zu haben. Wieso waren die nur so fit, fragte sich Marco. Er selber lief hinter den beiden, allerdings mit einigem Abstand. Da konnte er nicht mithalten, so sehr er sich auch bemühte. Anfangs lief auch Robert weit vorne, doch Marco merkte genau, wie er sich immer weiter zurück fallen ließ. Und nicht, weil er nicht mehr konnte. Nein, ganz im Gegenteil! Der Wirtschaftsminister plauderte mit jedem ein wenig, sogar mit Marco, und hatte immer noch einen ziemlich motivierten Gesichtsausdruck. Aber trotzdem ließ er sich ans Ende der Gruppe fallen. Und Marco war sich sicher, dass er locker vorne mitgehalten hätte. Ziemlich sicher sogar. Aber offenbar wollte er mit Christian zusammen laufen. Das war zumindest Marcos Erklärung. Warum sonst sollte Robert das machen? Und als er einmal, naja, es waren wohl mehrere Male, nach hinten blickte, sah er genau, wie Robert auf seinen Kollegen einredete. Hatte er also Recht gehabt. Die beiden schienen sich wohl immer besser zu verstehen. Was sonst sollte das schon bedeuten?
So unaufmerksam Marco beim Laufen war, immerhin beobachtete er mehr Christian und Robert als den Weg vor sich, musste natürlich eines passieren. Auf dem Bordsteinpflaster, auf dem sie mittlerweile liefen, hatte Marco wohl eine Unebenheiten übersehen, stolperte und spürte nach einigen Sekunden den harten Boden an seinem Körper. Einen kurzen Moment brauchte es, bis er verstand, dass er gerade gefallen war. Und dann realisierte er, dass die rote Flüssigkeit an seinen Händen definitiv sein Blut war. Erschrocken saß er einfach auf dem kalten Boden, bis zwei Stimmen immer näher kamen. Verdammt! Hatten die beiden das auch noch gesehen. Wie er sie beobachtet hatte und dann hingefallen war. Wie peinlich!
"Marco, alles klar? Oh verdammt, du blutest ja.", stellte Christian aufgebracht fest. Obwohl er eigentlich noch ziemlich außer Atem war. Und dann stand auch noch Robert neben ihm. Dieser beugte sich zu Marco runter und begutachtete die Verletzung.
"Zeig mal her. Hmm, das sieht nur sehr oberflächlich aus. Und Dreck scheint auch nicht in der Wunde zu sein. Warte, gib mir einen Moment."
Marco war ziemlich erstaunt, wie Robert das alles so schnell erkannte. Als Gesundheitsexperten hätte er ihn jetzt nicht eingeschätzt. Wo war eigentlich Karl Lauterbach, wenn man ihn mal braucht? Aber gut, Marco war froh über die Hilfe, denn so langsam setzte auch ein gewisser Schmerz ein. Mittlerweile hatte Robert etwas aus seiner Jackentasche gezogen. Marco identifizierte es als eine Packung Taschentücher. Der Mann war gut vorbereitet!
"Hier, nimm die und halt sie einfach auf die Wunde, solange wir noch unterwegs sind. Im Gemeinschaftshaus haben wir auch noch ordentliche Pflaster und Verbände. Da wirst du sicherlich etwas geeignetes finden. Aber sonst ist alles in Ordnung?"
Etwas überfordert nickte Marco und stand endlich auf. Christian stand mittlerweile wieder nur teilnahmslos daneben, während Robert den Justizminister noch kritisch beäugte. Aber dann gingen sie einfach langsam weiter. Joggen fiel jetzt einfach mal aus. Und Christian war wahrscheinlich am glücklichsten darüber. Auch wenn er das natürlich nicht zugeben würde.
"Die anderen haben wohl nicht mitbekommen, was passiert ist. Die werden schon über alle Berge sein. Aber ich denke, dass ich mir die Strecke gut gemerkt habe. Wenigstens etwas, was ich hinbekommen, wenn Laufen schon nicht so zu meinen Stärken zählt.", stellt Marco irgendwann fest und Robert musste leicht lachen. Marco konnte ja doch Humor haben! Nur Christian konnte man heute kein Lachen mehr entlocken. So schien es zumindest Marco. Alles ziemlich komisch. Dann würde er sich eben mit Robert unterhalten. Immerhin hatte er ihm geholfen.
"Und wie kommt es, dass Wundversorgung offenbar zu einer deiner Stärken zählt?", fragte Marco, nicht ohne einen leicht ironischen Ton in der Stimme. Ihm war es immer noch unfassbar peinlich, was da zuvor passiert war.
"Ach, wenn du vier Söhne hast, dann kennst du dich irgendwann aus, das kannst du mir glauben. Da ist früher kein Tag vergangen, an dem nicht irgendwas geflickt werden musste.", lachte Robert und Marco merkte, wie Christian wieder nervös umher schaute. Was war nur mit seinem Parteivorsitzenden los?
Ich lade heute Abend noch das Kapitel hier hoch, weil ich nicht sicher bin, ob ich Morgen die Zeit dafür finde. Deshalb jetzt schonmal :)
Marco ist offenbar sehr tollpatschig, da seh ich mich wirklich drin wieder ;) Und bald werdet ihr auch noch genauer erfahren, wie es nun zwischen Christian und Robert aussieht. Habt ihr Vermutungen, was wohl noch so passiert ist?
DU LIEST GERADE
Fahrt ins Ungewisse
FanfictionZehn Tage. Die Führungsspitzen der Ampel-Koalition. Eine Idee des Kanzlers. Das Ziel: die Gemeinschaft in der Koalition stärken, abseits der politischen Debatten. Deshalb fährt eine Gruppe der Spitzenpolitiker der Ampel Parteien an die Ostsee, um di...