Mit einem komischen Gefühl im Magen lief Annalena Linda hinterher. Beinahe fluchtartig hatte die Liberale den Ort des Geschehens verlassen und Annalena wusste natürlich wieso. Und so richtig wusste sie auch nicht, was sie denken sollte. Wie Linda es gemeint hatte. Wobei, Annalena wollte eigentlich nicht zu viel hinein interpretieren. Immerhin war es nur eine Frage bei Wahrheit oder Pflicht gewesen. Nicht mehr und nicht weniger. Und Linda hatte es ja schon mehr oder weniger damit begründet, dass sie die anderen nicht sonderlich gut kannte. Wahrscheinlich abgesehen von Marco und Christian, aber das war sowieso nochmal eine andere Sache. Vielleicht hatte Linda deshalb sie genannt. Sie sollten wohl auf jeden Fall nochmal darüber sprechen. Deshalb lief Annalena Linda hinterher.
Bevor sie jedoch das Haus betrat, ließ sie noch etwas Zeit vergehen. Damit sie Linda nicht sofort überfällt. Wahrscheinlich brauchte sie auch noch einen Moment für sich, sonst wäre Linda sicherlich nicht so schnell weggelaufen. Aber Annalena war zu ungeduldig und öffnete dann doch die Tür. Im Wohnzimmer konnte sie Linda nicht sehen, deshalb öffnete sie die Tür auf ihrer linken Seite leicht und sah, wie Linda mit dem Rücken zu ihr auf ihrem Bett saß. Annalena räusperte sich leicht und Linda drehte sich mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck zu ihr. Linda sah wirklich so aus, als ob sie ziemlich durch den Wind wäre. Annalena lächelte einfach leicht, um die Situation etwas erträglicher zu machen. Sie hoffte zumindest, dass sie das erreichen konnte.
"Kann ich mich setzen?", fragte Annalena und ließ sich nach einem bestätigenden Nicken von Linda auf ihrem eigenen Bett gegenüber von Linda fallen. Gespannt musterte Annalena die Liberale. So richtig erkennen konnte Annalena nicht, was in Linda vorging. Sie sah ziemlich verschlossen aus.
"Es tut mir Leid. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Und du bist die einzige, mit der ich mich aus der Gruppe gut verstehe. Mit Marco und insbesondere Christian ist es wirklich schwierig. Lars und Kevin kenne ich eigentlich kaum und bei Robert ist es ähnlich. Und ich sollte ja eine Antwort geben. Bitte nimm es mir nicht übel."
"Natürlich nicht. Ich glaube, ich verstehe es einfach als Kompliment. Mach dir nicht so viele Sorgen deshalb. Ich mag dich wirklich und solche Dinge kann ich dir nicht übel nehmen."
Linda atmete erleichtert auf und nickte einfach nur. Und als sie das Lächeln in Annalenas Gesicht sah, musste sie es einfach erwidern.
"Also können wir es vergessen und einfach mit diesem Spiel abhaken?", fragte Linda noch einmal. Und Annalena nickte bestätigend. Und beide waren froh, dass sie es so schnell aus der Welt räumen konnten.
Annalena stand nach einiger Zeit wieder auf und lief in das Wohnzimmer. Noch war es nicht allzu spät und sie wollte sich noch kurz erkundigen, wie es ihren Töchtern ging. In diesen zehn Tagen waren sie alleine bei Daniel und Annalena vermisste die Mädchen jetzt schon. So lange von ihnen getrennt zu sein, war kein gutes Gefühl. Doch bevor sie Daniel anrufen konnte, sah sie den Tagesplan für den kommenden Tag. Den schaute sie sich dann erstmal an.Tagesplan - Tag 2
-ab 7 Uhr: Frühstück
- 8 Uhr: Jogging Runde (optional), Treffpunkt vor dem Gemeinschaftshaus
-10 Uhr: Treffen der Minister:innen und des Kanzlers -> für alle anderen: gemeinsamer, freier Vormittag
-13.30 Uhr: Mittagessen
-15 Uhr: Aktivität von Marco
-19 Uhr: Abendessen
-21 Uhr: gemeinsame Abendgestaltung
Annalenas Begeisterung hielt sich in Grenzen. Klar, normalerweise hatte sie ein noch volleres Tagesprogramm, aber diese gemeinschaftlichen Aktivitäten fand sie gerade noch etwas unnötig. Man hatte ja gerade noch gesehen, was bei diesen passierte. Irgendwer schlug ein dämliches Spiel vor und am Ende war niemand wirklich glücklich oder es endete im Drama. Aber gut, da musste sie jetzt durch. Immerhin schien es so, als ob es Morgen wenigstens mal wieder etwas politischer werden würde. Das gefiel ihr dann doch. Und beim Joggen wäre sie definitiv raus. Wahrscheinlich wollte der Kanzler ihnen die Möglichkeit geben, sich fit zu halten. Oder er selber wollte einfach etwas machen, wobei er auch Spaß hätte. Aber Annalena war wirklich nicht so angetan von Joggen. Anderer Sport gefiel ihr da doch deutlich besser. Aber dann könnte sie sich die Zeit sicherlich anders gut vertreiben. Sie würde ja sicherlich nicht die einzige sein, die nicht mitkommen würde.
Nachdem sie den Tagesplan noch einmal intensiv studiert hatte, rief sie noch bei Daniel an. Er erzählte ihr, dass es den Mädchen gut ging und sie sich bloß keine Sorgen machen sollte. Er hatte das schon alles im Griff. Natürlich war Annalena froh darüber. Aber seitdem sich die beiden getrennt hatten, war es einfach anders. Klar, sie lebten alle noch unter einem Dach, aber es war ein komisches Gefühl Daniel immer wieder zu sehen, obwohl sie nicht mehr zusammen waren. Zum Glück hatten sie sich im Guten getrennt und es wurde nicht alles noch komplizierter. Denn einfach war es sowieso schon nicht, seitdem sie Ministerin war. Mehr oder weniger zufrieden wollte Annalena dann auch mal schlafen gehen und ging so wieder zurück ins Schlafzimmer. In welchem selbstverständlich auch Linda war. Annalenas Körper begann zu kribbeln, als sie Linda auf ihrem Bett liegen sah, mit einer kurzen weißen Hose und einem weißen T Shirt bekleidet und mit einem Buch in der Hand. Dieser Anblick machte etwas mit Annalena, auch wenn sie nicht sagen konnte, was es war.
"Was liest du?", fragte sie stattdessen.
"Ein philosophisches Essay. Eigentlich ziemlich interessant und ich dachte es wäre nicht schlecht, hierhin etwas zum Lesen mitzunehmen."
"Da hast du sicher Recht. Auch wenn du mit Philosophie bei mir nicht allzu weit kommst.", lachte Annalena leicht.
"Hast du schon den Tagesplan für Morgen gesehen?""Ja, den habe ich gesehen. Wirst du mit Joggen gehen? Ich hatte das eigentlich nicht vor."
"Nee, Joggen ist nicht so mein Ding. Ich würde auch hier bleiben. Vielleicht wollen wir in der Zeit ja ein wenig zusammen die Gegend hier noch erkunden? Immerhin haben wir heute bei dem Spaziergang nicht allzu viel gesehen."
Linda schien wohl kurz zu überlegen. Aber Annalena hoffte, dass sie das Angebot annehmen würde. Auch wenn sie die Zeit sonst sicherlich mit Claudia verbringen könnte. Aber sie wollte Linda aus einem unerfindlichen Grund besser kennenlernen. Und sie war sympathisch. Äußerst sympathisch.
"Klar, das können wir machen. Ein wenig Zeit werden wir ja haben."
Annalena war sichtlich erleichtert, als sie die Worte hörte. Das würde sicherlich ein guter Start in den nächsten Tag werden, wenn sie den gemeinsam verbringen würden. Aber bis dahin war noch etwas Zeit, in der sie beide den kostbaren Schlaf ausnutzen sollten. Deshalb machten sie das Licht aus. Annalena flüsterte ins Dunkel noch "Gute Nacht, Linda. Schlaf gut.", aber eine Antwort bekam sie nicht mehr. Wahrscheinlich hatte die Liberale es nicht mehr mitbekommen. Davon ging zumindest Annalena aus. Und sie freute sich mittlerweile tatsächlich ein wenig auf den kommenden Tag. Vielleicht würde ja die gesamte Fahrt doch nicht so schlimm werden, wie Annalena vor Beginn der Fahrt gedacht hatte. Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie viel Zeit mit Claudia und Robert verbringen würde. Aber es schien jetzt anders zu kommen. Und es war nicht schlechter. Definitiv nicht. Auch wenn sie ein wenig ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie Robert die meiste Zeit des Tages alleine gelassen hatte. Und das, obwohl sie doch eigentlich ziemlich gut befreundet waren. Und dann musste Robert sich auch noch die Zeit mit Christian um die Ohren schlagen. Aber vielleicht war das ja gar nicht so schlecht, dachte sie. Immerhin gab es in der Koalition maßgeblich Streit und Differenzen zwischen den beiden. Wenn sie sich mal ein wenig besser kennenlernen würden, dann würde sich vielleicht in der Zukunft auch der Streit ein wenig legen. Schaden würde es auf jeden Fall nicht. Und so langsam verstand Annalena, wieso der Kanzler sie alle hierhin gebracht hatte. Und so schlecht war die Idee nun wirklich nicht. Umso gespannter war Annalena, was die kommenden Tage für sie alle bereit hielten. Und ob sie Linda wohl noch besser kennenlernen konnte. Denn das war definitiv ein Wunsch, der bei Annalena im Laufe des Tages entstanden war. Jetzt versank aber auch sie in ihren Träumen, in der ihr nicht nur einmal eine gewisse Brandenburgerin erschien.
Was das wohl wird mit den beiden...?
Ich danke euch fürs Lesen und jegliches Feedback! Ich wünsche euch einen schönen Tag und bis zum nächsten Kapitel :)
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Fahrt ins Ungewisse
FanfictionZehn Tage. Die Führungsspitzen der Ampel-Koalition. Eine Idee des Kanzlers. Das Ziel: die Gemeinschaft in der Koalition stärken, abseits der politischen Debatten. Deshalb fährt eine Gruppe der Spitzenpolitiker der Ampel Parteien an die Ostsee, um di...