Robert wusste wirklich nicht, wieso er Claudia all das erzählte. Aber er wusste, dass Claudia ein herzensguter Mensch war und er musste seine Gedanken einfach los werden. Auch wenn es ihm äußerst schwer fiel. Nachdem, was da am gestrigen Abend passiert war. Er hatte wirklich den ganzen Morgen versucht, auf Christian zu zugehen. Insbesondere, als sie Joggen waren. Aber es kam nichts von ihm. Es war einfach Stille und Leere. Und Robert wusste, dass dieser Kuss ein Fehler war und ein Ausrutscher sein muss. Auch wenn es sich für ihn ganz anders angefühlt hatte. Keinesfalls falsch oder schlecht. Es hatte sich beinahe gut und richtig angefühlt. Und das verstand Robert selber nicht. Immerhin handelte es sich hier um Christian Lindner! Den Liberalen in Person. Den er eigentlich immer unausstehlich fand. Und eigentlich tat er es ja immer noch. Christian war nicht die Art Mensch, mit der er sich gerne umgab. Aber trotzdem ist dieser Kuss passiert. Wider aller Sinne.
"Und was wäre, wenn er so abweisend ist, weil es ihm etwas bedeutet hat? Weil es sich für ihn richtig angefühlt hat? Und er natürlich weiß, dass es so nicht sein sollte. Du sagst es ja, immerhin hat er in Berlin seine Verlobte sitzen."
Diese Sätze brachten Robert wieder ins Grübeln. War das eine Option? Sollte er das überhaupt in Betracht ziehen? Aber Claudia hatte schon Recht. Es könnte so sein. Auch wenn Robert kaum daran glaubte. Christian Lindner war doch der Frauenversteher vor dem Herrn! Das wusste wirklich jeder. Aber vielleicht war es das dann doch wert, nochmal ernsthaft mit Christian zu sprechen. Obwohl er doch selber überhaupt nicht wusste, was das Ganze zu bedeuten hatte. Was es ihm selber bedeutet hatte. Und warum er plötzlich nicht mehr diese starke Abneigung gegen Christian hatte. Wobei, so wirklich viel hatte sich nicht geändert. Aber trotzdem war da irgendwas. Und zumindest das wusste Robert.
"Ich weiß es nicht. Ich weiß nichtmal, was ich selber über die Sache denken soll. Aber wahrscheinlich muss ich ihn einfach dazu bekommen, endlich mit mir zu reden und nicht weg zu laufen. Das wäre wahrscheinlich am besten."
Claudia nickte und sicherte ihm dann noch einmal ihre Unterstützung zu. Und dass sie selbstverständlich Stillschweigen bewahren würde. Sie saßen noch einige Zeit dort und hätten so beinahe das Mittagessen verpasst. Aber letztendlich ging auch das gut und sie alle trafen sich um 15 Uhr vor ihrem Gemeinschaftshaus wieder. Dann sollte Marcos Aktivität stattfinden. Robert war dafür nicht wirklich motiviert. Und die Sache mit Christian nahm ihn auch mit. Auch wenn er versuchte, das nicht zu zeigen. Aber auch in der Zeit nach dem Mittagessen war Christian ihm aus dem Weg gegangen, sodass sie nicht miteinander sprechen konnten. So langsam nervte Robert das wirklich. Warum war der Liberale nur so stur? Er müsste doch auch irgendwann mal einsehen, dass es so nicht weitergehen kann. Aber vielleicht hatten sie jetzt ja bei dieser Aktivität mal die Möglichkeit, miteinander zu sprechen. Auch wenn Robert es bezweifelte. Mittlerweile hatten sie sich alle eingefunden. Und Marco, mit lädierten Händen, begann dann endlich zu erklären, was er vor hatte.
"Da ja heute ganz gutes Wetter ist, habe ich mich informiert und ein Boot gefunden, was wir buchen konnten. Also werden wir gleich eine kleine Bootsfahrt machen. Das ist vielleicht ganz angenehm und niemand geht verloren."
Danke, dachte sich Robert ironisch. Musste Marco auch wirklich nicht nochmal betonen, dass das gestern unter seiner Verantwortung passiert war. Aber gut. Mit einem Boot zu fahren hörte sich wirklich nicht so schlecht an. Zumindest bei dem guten Wetter. Gestern hätte das definitiv nicht funktioniert. Aber wahrscheinlich hätten Christian und er nicht die Gelegenheit, miteinander alleine und in Ruhe zu sprechen. Und das nervte Robert nach wie vor. Aber er wartete jetzt einfach mal ab, was so passierte. Zumindest gingen sie jetzt einfach mal los. Und Christian lief schon wieder ganz am Ende der Gruppe. Alleine. Das wäre die Gelegenheit, um ihn doch nochmal anzusprechen. Also ließ sich Robert auch wieder nach hinten fallen und hoffte, dass es nicht zu auffällig wurde.
"Redest du immer noch nicht mit mir?", fragte Robert, als er neben Christian ankam. Der Liberale erschrak leicht und schaute nervös hin und her. Aber offensichtlich beachtete sie sonst niemand.
"Ich rede doch."
"Aber nicht über das, über was wir reden müssen. Es hilft doch nichts, einfach weg zu rennen. Wir müssen das wirklich klären."
Christian seufzte nur und Robert hoffte, dass dies ein Anzeichen dafür war, dass Christian endlich nachgibt.
"Dann rede, wenn du es so gerne willst. Ich kann dir hier ja wohl kaum entgehen."
"Naja, heute Morgen beim Joggen hat es ja auch irgendwie geklappt. Aber gut, auch egal. Es tut mir Leid, was passiert ist. Das war offensichtlich ein Fehler und am besten sollten wir es vergessen. Wahrscheinlich ist es einfach irgendwie mit uns durchgegangen. Und ich verstehe dich ja, wenn du mir jetzt aus dem Weg gehen willst. Aber es hilft ja nichts. Wir werden trotzdem weiter miteinander auskommen müssen. Und in den Tagen hier sowieso. Aber wie gesagt, es tut mir Leid. Ich habe an deiner Reaktion gemerkt, dass es nie soweit hätte kommen dürfen."
Christian blickte nur starr auf den Boden. Und schien sich eine Antwort zurecht zu legen. Was Robert ziemlich nervös machte. Eigentlich machte seine ganze Anwesenheit Robert ziemlich nervös. Und er verstand nicht wieso. Wobei, wahrscheinlich lag es daran, dass es sich hier immer noch um seinen Kollegen handelte. Den er aus einer Emotion heraus geküsst hatte
"Ja, es hätte nicht soweit kommen sollen. Wir haben beide unsere Frauen betrogen, was mir selber nie hätte passieren dürfen. Und ich weiß auch wirklich nicht, was uns da geritten hat. Aber..."
Robert wartete gespannt darauf, dass Christian endlich weiter sprach. Er spannte ihn wirklich auf die Folter und schien sich seine Antwort genau zu überlegen.
"Aber es war nicht deine Schuld. Ich war selber irgendwie ziemlich durch den Wind. Und in dem Moment hat es sich, ich weiß nicht wieso, nicht falsch angefühlt. Und ich weiß nicht, was das bedeutet. Aber ich weiß zumindest, dass es falsch war, Franca zu betrügen. Es war sehr falsch."
Verbittert starrte Christian von Robert weg. Und Robert wusste, dass es Christian wirklich getroffen hatte. Klar, seine Verlobte zu betrügen war absolut nicht gut. Und sein schlechtes Gewissen wollte Robert auch nicht haben. Wobei, er hatte ja selber eines. Wenn er darüber nachdachte, wozu er Christian gebracht hatte.
"Es tut mir Leid, mit dir und Franca. Das wollte ich wirklich nicht und ich hoffe, dass es nicht zwischen euch stehen wird. Bei mir ist das sowieso alles eine andere Sache. Andrea und ich sehen das alles nicht so eng. Von daher ist das nicht so wichtig. Aber ich glaube es wäre gut, wenn das immerhin nicht mehr zwischen uns beiden steht. Vielleicht sollten wir uns einfach wieder normal verhalten."
Robert hoffte, dass er die richtigen Worte gewählt hatte. Er wollte es sich immerhin nicht schon wieder mit Christian verscherzen. Aber Lindner atmete nur schwer aus und brauchte wieder mal einen Moment.
"Ja, das wäre wahrscheinlich gut. Aber es fällt mir nicht leicht, wenn ich ehrlich bin. Ich versuche mich zusammen zu reißen. Zumindest für diese Tage hier. Aber naja...nein, so machen wir es.", antwortete Christian mehr oder weniger unsicher. Und Robert spürte, dass der Liberale nicht alles gesagt hatte. Dass ihm da noch mehr auf dem Herzen lag. Aber er sollte ihn nicht wieder unter Druck setzen. Nicht so wie am letzten Abend. Das war ja nicht sonderlich gut geendet.
Mit einem Mal stoppte die Gruppe vor ihnen und im Wasser konnte Robert ein größeres Boot erkennen. Eigentlich hatte er sich etwas anderes vorgestellt. Ein kleines Segelboot oder so. Aber nein, das vor ihnen war ja beinahe eine kleine Yacht. Na gut, sie mussten auch mit elf Leuten dort Platz finden. Aber trotzdem. Wahrscheinlich war das einfach typisch FDPler. Die protzten doch bei jeder Möglichkeit, die sich ihnen bot. Und gleichzeitig fragte sich Robert, wer denn dieses Boot fahren sollte? Immerhin bräuchte man dafür einen Führerschein und er selber hatte definitiv keinen.
Zum ersten Mal an diesem Tag sah er jedoch, wie Christians Augen anfingen zu leichten und er sich direkt ans Steuer des Bootes begab. Da hatten sie also jemanden gefunden, der das Boot steuern konnte. Logisch, dass es jemand von der FDP war. Logisch, dass es Christian war.
Ob damit wohl alles geklärt ist bei den beiden?
Ich danke euch fürs Lesen und jegliches Feedback, ich hoffe euch gefällt die Story bisher!
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Fahrt ins Ungewisse
FanfictionZehn Tage. Die Führungsspitzen der Ampel-Koalition. Eine Idee des Kanzlers. Das Ziel: die Gemeinschaft in der Koalition stärken, abseits der politischen Debatten. Deshalb fährt eine Gruppe der Spitzenpolitiker der Ampel Parteien an die Ostsee, um di...