5 - Christian

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Christian war immer noch aufgeregt wegen dem, was der Kanzler gesagt hatte. Bei den Aktivitäten keine Handys. Aber Christian brauchte sein Handy doch! Und wer weiß, wie lange diese dämlichen Aktivitäten dauern sollen. Bisher war diese Fahrt eine einzige Katastrophe! Erst diese Aufteilung auf die Häuser, dann die Tatsache, dass er kein eigenes Zimmer hatte, dann solche dämlichen Aktivitäten ohne Handys und er musste sich auch noch selber eine Aktivität überlegen. Warum genau war er nochmal hier? Um sich die Zeit mit Robert totzuschlagen? Sicher nicht. Aber er hatte keine andere Wahl gehabt. Immerhin war er Parteivorsitzender und Finanzminister, da durfte er nicht fehlen. Aber er hatte sich das alles doch etwas anders vorgestellt. Zum Glück war zumindest Marco auch dabei, sonst wäre er wahrscheinlich sofort wieder abgereist. Irgendeinen Grund hätte er da sicherlich gefunden. Aber Marco half ihm gerade auch nicht. Es gab ja immerhin die klare Ansage, dass sie Zeit in ihren Häusern verbringen sollten. Besser gesagt, mit den Menschen in ihren Häusern. Also sollte er wahrscheinlich nicht vor Robert weglaufen.

Außerdem hätte es schlimmer kommen können als mit Robert. Von daher sollte er zumindest diese Aufteilung so langsam akzeptieren. Um wenigstens etwas Interesse zu zeigen, setzte sich Christian neben Robert auf das viel zu kleine Sofa. Mein Gott, hatte vielleicht mal irgendwer darüber nachgedacht, dass in diesen Häusern auch zwei größere Menschen Platz finden sollten? Warum war hier alles so eng und klein? Schrecklich. Christian war da deutlich anderes gewohnt. Wenn er an seine eigene Wohnung dachte. Naja, es wären nur zehn Tage. Die er irgendwie überleben müsste. Er schaute zu dem Grünen, der in sein IPad vertieft zu sein schien.

"Sorry wegen vorhin, ich war nur etwas überrascht, dass es nur ein Schlafzimmer gibt. Sollte nicht gegen dich gehen. Aber ich bin anderes gewohnt und wenn ich nicht ordentlich schlafen kann, naja, dann ist es wohl für uns alle nicht so angenehm."

Robert schaute auf und blickte direkt zu dem Finanzminister. Mit seiner Brille war es ein ziemlich ungewöhnlicher Anblick, der etwas ziemlich durchdringendes hatte, fand Christian. Es war merkwürdig. Er wurde ja beinahe nervös, so wie sie da saßen und Robert zu ihm schaute. Aber dann lächelte dieser leicht und machte eine beschwichtigende Geste mit seiner Hand.

"Ach, alles gut. Ich war auch überrascht. Aber gut, das wird schon. Es sind ja auch nur zehn Tage."

Christian warf einen Blick auf das IPad und sah, dass Robert sich wohl auf die Aktivität, diesen Spaziergang am Strand, vorbereitete.

"Bereitest du dich auf deine Aktivität vor? Worauf dürfen wir uns denn einstellen?", fragte er neugierig. Er fand es ja schon etwas unfair, dass Robert sich nicht selber etwas überlegen musste. Und das nur, weil er an der Ostsee gelebt hatte. Beziehungsweise es durchaus noch tat, soweit Christian wusste. Aber gut, da konnte er jetzt nichts dran ändern. Er hoffte einfach, dass der Grüne keine dummen Ideen hatte.

"Ja, das kam ja alles etwas kurzfristig und ich weiß auch nicht, was sich Olaf erwartet. Es ist ja immerhin nur ein Spaziergang und ich kenne mich hier eigentlich auch nicht so sonderlich gut aus. Aber ich hab jetzt mal eine Route rausgesucht, die wir gehen können, auch wenn mir das alles ein wenig langweilig vor kommt. Aber was will man sonst bei einem Spaziergang bei diesem Wetter machen?"

Stimmt, es war noch wirklich kalt und windig würde es am Strand sicherlich auch sein. Was sollte man da noch machen? Aber Christian kam eine Idee.

"Vielleicht könnten wir im Vorhinein Heißgetränke organisieren und die dann mitnehmen und mehr oder weniger irgendwo da am Strand ein kleines Picknick machen. Vielleicht lässt sich hier ja noch etwas anderes organisieren, das könnte man bestimmt beim Mittagessen gleich herausfinden."

Robert war sofort ziemlich überzeugt und fragte sich, warum er da nicht selber drauf gekommen war. Diese Idee würde hoffentlich auch den anderen gefallen. Naja, sonst könnte er es immer noch auf Christian schieben. Aber nein, er war wirklich froh über seine Hilfe.

"Die Idee gefällt mir. Ich werde gucken, was sich machen lässt. Danke für die Mithilfe. Jetzt bin ich dir wohl was schuldig.", lachte Robert und merkte nicht, dass er Christian damit verunsicherte. Er schuldete ihm jetzt etwas? Schnell schüttelte Christian den Gedanken ab und überlegte, wie er den Nachmittag in der Kälte überleben sollte. Hoffentlich war seine Jacke, die er mitgenommen hatte, warm genug. Auch wenn er es bezweifelte. Vielleicht sollten sie für später noch Decken auftreiben. Das sollte er Robert noch vorschlagen.

Als es zum Mittagessen ging, schloss sich Christian dann doch wieder Marco an und setzte sich neben ihn. Erleichtert atmete er auf, als er das Buffet sah. Immerhin das Essen sah gut aus. Nach und nach kamen auch alle anderen und Christian dachte, dass der Kanzler das Wort nochmal ergreifen würde, aber er war der erste, der am Buffet stand. Das hieß wohl, dass sie sich auch bedienen durften. Und Christian merkte, dass er wirklich Hunger hatte. Also wartete er nicht mehr lange ab und wäre beinahe in Robert rein gelaufen, der beim Salat stand. Entschuldigend hob er die Hand und besorgte sich dann auch endlich etwas zu Essen. Sonst würde er den restlichen Tag wirklich nicht überleben. Zufrieden setzte er sich dann wieder an den Tisch.

Marco sprach ihn irgendwann leise wieder an.
"Und, wie schlimm ist es mit Habeck? Und weißt du, was er für nachher geplant hat?"

Christian schaute sich kurz unauffällig um, bevor er antwortete. Aber es schien sie niemand zu beachten. Alle waren irgendwie mit sich selbst, dem Essen oder anderen Gesprächen beschäftigt.

"Erstaunlicherweise doch nicht so schlimm. Hoffentlich bleibt es so. Aber nach so kurzer Zeit ist es schwer zu sagen. Und ja, es wird tendenziell eher entspannt bei diesem Spaziergang. So habe ich es zumindest verstanden. Also da müssen wir uns keine Sorgen machen."

"Meine Motivation hält sich ja eher in Grenzen. Aber ich weiß auch ehrlich nicht, was das alles hier soll. Kühnert geht mir absolut auf die Nerven. Er versucht die ganze Zeit Gespräche anzufangen, obwohl ich offensichtlich nicht daran interessiert bin. Wenn ich das zehn Tage ertragen muss... Ich kann mir deutlich schöneres vorstellen."

Christian zuckte nur mit den Schultern, verstand Marco aber doch. Der Sozialdemokrat war einer derjenigen gewesen, mit dem er nicht sonderlich gerne ein Haus geteilt hätte. Dafür war er ihm viel zu links. Da hätte Christian keinen Weg gesehen, nur ansatzweise zueinander zu finden. Außerdem kritisierte er ihn immer wieder. Das machte Kevin nicht gerade sympathischer für ihn. Naja, damit durfte Marco sich jetzt rumschlagen. Vielleicht hatte er da mehr Glück gehabt. Ziemlich sicher sogar.

Christian stand irgendwann nochmal auf und ging zum Buffet, von dort beobachtete er die anderen einen kurzen Moment. Es war nie schlecht zu wissen, wie sich die anderen verhielten und wie die Stimmung war. Sein Blick blieb zunächst bei Claudia hängen, die mal wieder sehr gut gelaunt war und sich offenbar mit Bärbel und Marie-Agnes unterhielt. Scholz saß zwar auch daneben, schien aber nicht Teil der Konversation zu sein. Na gut, das war erwartbar. Daneben saß außerdem Linda, die ausgesprochen gut gelaunt aussah. Obwohl sie vor Beginn der Fahrt gar keine Lust hatte, mit zu kommen. Aber Christian musste sie ja irgendwie bei Laune halten, damit sie nicht nach der Parteiführung strebte. Also dachte er, dass man sie ja hierhin einladen könnte, damit sie merkt, dass sie in ihrer Fraktion ja schon eine wichtige Position inne hat. Und sie damit in gewisser Weise zufrieden stellen. Ob das funktionieren würde, würde sich dann zeigen. Die beiden restlichen Grünen saßen ebenso etwas abseits von den anderen, so wie er und Marco auch. Sonst fiel Christian nichts außergewöhnliches auf, was ihn dazu bewegte, sich wieder an seinen Platz zu setzen. Und fragte sich, wie der restliche Tag wohl werden wird.

Fahrt ins UngewisseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt