40 - Christian

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Neugierig schaute sich Christian in Roberts Wohnung um. Er war immerhin das erste Mal dort und er hatte es sich tatsächlich sehr ähnlich vorgestellt. Es war eine kleine Altbauwohnung, die Robert dezent eingerichtet hatte. Nur das große Bett im Schlafzimmer fiel aus diesem Minimalismus etwas heraus. Und das brachte Christian zum Grinsen. Hier könnte man sicherlich eine angenehme Nacht verbringen. Aber bevor es soweit war, wollte Robert ihnen erstmal noch etwas kochen, weshalb er eben noch einkaufen musste. Doch jetzt stand Robert mit dem Rücken zu ihm konzentriert an der Arbeitsplatte in seiner Küche und Christian betrachtete ihn einen Moment unbemerkt. Seit wann fand er ihn eigentlich so attraktiv? Wie er da so konzentriert stand, so vertieft darin, sich nicht an dem Messer zu schneiden. Christian biss sich leicht auf die Lippen. Nie hätte er gedacht, dass dieser Mann solche Gefühle in ihm auslösen könnte.

Immer noch unbemerkt umfasste Christian Roberts Hüfte und legte seine Lippen an Roberts Hals, was ihm ein Stöhnen entlockte. Und Christian unfassbar gefiel. Wie er Robert, seinen Körper, so vollkommen im Griff haben konnte. Doch es dauerte nicht lange, da drehte sich Robert und schob nun seinerseits Christian in Richtung der nächsten Wand. Selbstverständlich ohne sich von Christian zu lösen. Doch Christian hatte kaum Mühe, um wieder die Oberhand zu erlangen.

"Christian..."

"Hmm..."

"Entweder wir stoppen hier, oder es wird niemals etwas zu Essen geben."

"Schade, ich dachte das würde dir auch reichen. Aber dann gibt's eben Nachtisch für dich.", lachte Christian, obwohl er doch leicht enttäuscht war. Aber Robert hatte ja Recht. Sie hatten noch alle Zeit der Welt. Aber bevor sich Robert von ihm löste, drückte er ihm ein letztes Mal seine Lippen auf seine eigenen, was Christian allerdings so überrumpelte, dass er leicht nach hinten stolperte. Und mit einem Mal spürte er einen dumpfen Schlag an seinem Hinterkopf. Verdammt! Ein ziemlicher Schmerz durchzog ihn und er verstand nicht, was gerade passiert war.

"Scheiße Christian. Du musst doch aufpassen. Meine Schränke hängen nicht so ganz hoch. Ist alles in Ordnung?", sprach Robert auf ihn ein, was Christian jedoch kaum verarbeiten konnte. Sein Kopf schmerzte und der Schmerz wurde nicht weniger. Hatte er sich jetzt wirklich an einem Schrank den Kopf gestoßen? An einem Schrank? Wie unfähig konnte man denn sein? Aber warum hingen diese Dinger auch so tief?

Da Christian nicht antwortete und sein Gesicht nach wie vor vor Schmerzen verzog, zog Robert ihn vorsichtig ins Wohnzimmer und setzte ihn auf sein Sofa, sodass er sich neben ihn setzen konnte. Und er wirkte ziemlich besorgt. Das bekam Christian dann doch mit. Aber so schlimm war es schon nicht. Auch wenn es sich in diesem Moment anders anfühlte.

"Geht's besser?", fragte Robert nach wie vor besorgt und ließ Christians Hand gar nicht mehr los. Er wusste gar nicht, dass der Liberale so tollpatschig war. Es hatte sich noch nie jemand an seinen Küchenmöbeln verletzt. Christian hatte da echt eine Premiere erreicht.

"Ja, so schlimm wird es schon nicht sein. Aber mal im Ernst, was hängt dieser Schrank da so blöd und tief? Hast du das geplant?", ärgerte sich Christian ein wenig. Das hätte man wirklich vermeiden können. Aber gut, er war auch selbst Schuld. Immerhin hatte er sich so von Robert aus dem Konzept bringen lassen.

"Jaa, ich weiß, die hängen etwas tief, aber für mich und Andrea passt das. Dass du mal hier sein würdest, das hätte ja niemand ahnen können. Und ein wenig größer als ich bist du dann ja auch. Aber jetzt ruh dich vielleicht mal etwas aus und ich mache in der Zeit das Essen fertig. Und dann geht's dir hoffentlich besser.", schlug Robert vor und betrachtete nochmal vorsichtig die Stelle, an der sich Christian gestoßen hatte. Und die war mittlerweile rot und etwas dick geworden. Kein gutes Zeichen. Aber solange Christian sich nicht beschwerte, ließ Robert ihn nun fürs erste wieder alleine. Und Christian behielt zwar Kopfschmerzen, doch es lohnte sich, denn Robert kümmerte sich nun umso mehr um ihn. Und was sollte Christian anderes sagen, als dass es ihm gefiel. Mit jedem Augenblick, in dem sich Robert um ihn sorgte, verliebte sich Christian gefühlt noch ein Stück mehr. Und er wusste, dass das vielleicht nicht das Beste war. Aber wer konnte es ihm verdenken, wenn es um einen besorgten Robert ging?

Aber trotzdem konnte auch Robert nichts daran ändern, dass Christian sich nun mit Kopfschmerzen quälte und nicht mehr wirklich bei der Sache war. Und eigentlich wollten sie sich doch einen schönen Abend machen. Klar, es war trotzdem schön, dass er bei Robert sein konnte. Aber seine Pläne waren doch etwas anders gewesen. Hätte er mal lieber auf das Essen verzichtet und stattdessen mit Robert andere Dinge gemacht.
Aber dafür war es jetzt auch zu spät. Und das Essen war ausgesprochen lecker, obwohl es vegetarisch war. Naja, manchmal konnte Christian damit schon leben. Nur zum Vegetarier würde Robert ihn nicht machen. Da war er sich ziemlich sicher. Nachdem Robert ihm dann auch noch eine Schmerztablette besorgt hatte, ging es Christian auch wieder halbwegs gut. Zumindest klar denken konnte er. Wobei, wenn er Robert mal wieder verliebt anstarrte, dann war auch das hinfällig.

"Christian?"

"Hmm?", murmelte Christian nur, während er sich immer weiter in Roberts Augen verlor.

"Wie machen wir jetzt weiter? Ab nächster Woche sind wir wieder voll in unserem Alltag und wir dürfen uns nichts anmerken lassen. Ich weiß nicht wirklich, wie das funktionieren soll."

"Ich auch nicht. Ich glaube das größte Problem wird sein, dass wir kaum Zeit haben werden, um uns zu sehen. Unter der Woche haben wir ja kaum Freizeit. Und am Wochenende sieht es nicht viel besser aus. Aber vielleicht schaffen wir es ja, unsere wenige freie Zeit zu nutzen."

"Ja, das ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit. Und ab und zu sehen wir uns ja auch in unseren Ministerien, etwas Zeit können wir da auch zusammen verbringen."

Christian nickte. Stimmt, es kam des öfteren vor, dass sie gemeinsame Termine in ihren Ministerien hatten. Und die Büros waren so groß und gut gedämmt, dass sie mit großer Sicherheit auch Privatsphäre hatten. Und dann könnten sie auch dort gemeinsam eine gute Zeit verbringen. Bei dem Gedanken musste Christian grinsen. So könnte die Arbeit mit dem Wirtschaftsminister sicherlich mehr Spaß machen. Aber abgesehen von ihren zeitlichen Schwierigkeiten, gab es ja noch ein anderes Problem.

"Denkst du denn, dass es überhaupt mit uns weitergehen wird? Hast du mittlerweile eine klarere Idee als noch vor ein paar Tagen?", fragte Christian vorsichtig. Er wusste, dass das Thema heikel war. Und eigentlich wusste er tief in seinem Inneren, dass er darauf hoffte, dass Robert sich endlich voll und ganz für ihn entschieden hatte. Auch wenn das wirklich viel verlangt war. Immerhin müsste er dann seine Frau verlassen. Und seine Familie. Und eigentlich konnte Christian das nicht erwarten. Von niemandem. Aber die Hoffnung hatte er mittlerweile doch. Denn er hatte sich in den Grünen verliebt.

"Christian, du musst mir Zeit geben. Ich kann das alles nicht innerhalb von ein paar Tagen entscheiden. Es geht hier für mich um wirklich viel. Und das weißt du doch auch. Und du machst mir die Entscheidung auch nicht gerade leicht. Aber ich brauche Zeit. Zeit zum Nachdenken. Zeit mit Andrea. Zeit mit dir. Ich weiß, es ist nicht fair. Du hast deine Beziehung schon aufgegeben, und ich eiere hier so rum. Aber bitte versteh das."

Natürlich verstand Christian es. So gerne er auch etwas anderes hören würde. So gerne er hören würde, dass Robert sich für ihn entschieden hatte. Aber noch brauchte er wohl Geduld. Obwohl er nicht wirklich verstehen konnte, wie man den Christian Lindner warten lassen konnte. Oder ihn gar abweisen konnte. Aber gut, offenbar gab es Ausnahmen wie Robert. Auch wenn er ihn davon überzeugen wollte, dass er ihn nicht mehr lange warten ließ.

"Natürlich. Nimm dir die Zeit. Aber ich glaube, dass du mich nicht davon abhalten kannst, dich versuchen zu überzeugen."

"Ist das so?", lachte Robert leicht.

"Ja. Du könntest zum Beispiel endlich deinen versprochenen Nachtisch bekommen.", spielte Christian darauf an, was er in der Küche zu Robert gesagt hatte.

"Da kann ich wohl nicht nein sagen."


Ein neues Kapitel und ich hoffe, es gefällt euch ein wenig, noch ein bisschen Lindbeck content :)

Fahrt ins UngewisseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt