Minute um Minute vergingen und sie saßen noch immer an diesem Parkplatz. Es war mittlerweile schon Nachmittag und es war noch nicht absehbar, wann sie endlich weiterfahren konnten. Zumindest wusste Annalena noch nichts neues. Sie saß währenddessen neben Linda auf einer Bank, wo sie jedoch keinerlei Privatsphäre hatten. Und das nervte Annalena. Sie wollte Lindas weiche Lippen auf ihren eigenen spüren und konnte sich kaum zurückhalten. Aber noch musste sie das.
"Annalena, wenn wir heute nochmal weg kommen sollten, möchtest du dann nachher noch mit zu mir kommen? Oder musst du noch etwas machen?"
"Nein, ich würde gerne mitkommen. Ich bin ehrlich gesagt sehr gespannt.", lächelte Annalena leicht. Sie war wirklich gespannt, wie Linda wohl wohnte. Ob alles teuer und schick war, wie sie es sich von typischen FDPlern vorstellte. Vielleicht waren das aber auch unberechtigte Vorurteile.
"Nur müssen wir dann natürlich noch nach Potsdam kommen. So wie es sich angehört hat, werden wir dieses Mal alle in Berlin abgesetzt."
"Wenn du mit mir ÖPNV fährst, dann bekommen wir auch das hin.", lachte Annalena leicht. In der letzten Zeit war sie selten in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen, weil sie als Ministerin meistens gefahren wurde. Aber eigentlich war das gegen ihr Naturell. Aber es hatten sich eben viele Dinge geändert, seit sie Ministerin geworden war. Vielleicht würde es ganz gut sein, wäre sie mal wieder einen Abend in ihrem alten Leben, in dem sie einfach hinfahren konnte, wo sie wollte, Zeit mit der Person verbringen konnte, mit der sie es sich wünschte. Klar, nicht wirklich wie ihr altes Leben. Aber doch ein wenig. Und das musste ja auch mal gut sein. Auch wenn sie sonst immer für Veränderungen plädierte.
"Ich fahr mit dir hin, wo du hin willst. Und ob es mit Öffentlichen Verkehrsmitteln ist, das ist mir ziemlich egal.", strahlte Linda ihr entgegen und schien ähnlich zu denken. Hauptsache Zeit mit Annalena.
Plötzlich kamen einige Autos auf den Parkplatz vorgefahren, was ihr restliches Sicherheitspersonal sichtlich in Aufruhr versetzte. Annalena bekam schon einen leichten Schrecken. Sie konnten jetzt wirklich nicht noch ein Drama erleben. Es war schon genug die letzten Tage passiert. Doch ihr Herzschlag wurde ruhiger, als aus einem Auto Volker Wissing ausstieg. Was machte der Verkehrsminister denn hier? War er etwa die Rettung, die sie sich alle erhofften? Doch dann erblickte Annalena auch Karl Lauterbach, der auch ein Auto gesteuert hatte. Auch Wolfgang Kubicki erschien nun, ebenso wie Cem Özdemir. Ja, das war wohl ihre Rettung. Und dann versammelten sie sich alle um Olaf.
"Wie ihr seht, haben wir endlich Unterstützung bekommen. Danke an der Stelle an Karl, Cem, Volker und Wolfgang. Wir machen es jetzt so, dass ihr euch auf die Autos verteilt und die vier euch dann nach Berlin fahren. In den Bus können wir leider nicht mehr steigen. Aber so haben wir ja doch eine Lösung gefunden. Dann verabschieden wir uns jetzt an der Stelle schon und Morgen Abend sehen wir uns zu unserem Abschluss."
Damit fiel eine unheimliche Anspannung bei Annalena ab. Es ging nach Hause! Gott sei Dank. Und jetzt mussten sie nur noch einen Platz in einem der Autos finden. Und das war gar nicht so einfach. Zu Kubicki wollte irgendwie niemand, nichtmal Marco oder Christian. Die beiden, inklusive Robert waren ziemlich schnell beim Verkehrsminister verschwunden. Und plötzlich wurden auch Annalena und Linda von Claudia zu einem Auto gezogen. In diesem saß Annalenas grüner Kollege Cem. Na das war doch eine gute Wahl!
"So schnell rein mit uns. Sonst müssen wir gleich noch bei Kubicki mitfahren. Das will ich wirklich nicht.", erklärte Claudia ihnen, als sie im Auto saßen.
"Und bei mir ist es auch viel schöner. Schön, dass ihr da seid.", warf Cem ein. Und startete dann endlich den Motor und fuhr mit exakt 130 km/h Richtung Berlin. Wirklich angenehm, fand Annalena. Sogar Linda schien sich ganz wohl zu fühlen, auch wenn sie nun alleine unter Grünen war. Aber das konnte ja wohl auch schlimmer sein. Wer würde nicht mal gerne eine Autofahrt mit Claudia, Cem und ihr verbringen? Also schlugen sie sich die Zeit bis nach Berlin um die Ohren und Cem erfuhr jedes einzelne Detail der letzten 10 Tage. Dafür hatte Claudia schon gesorgt. Nur die Sache mit Annalena und Linda ließ sie erstmal noch außen vor. Es musste ja nun noch wirklich nicht jeder von ihnen wissen. Vielleicht würde irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem sie es mehr Menschen erzählen würden. Vielleicht sogar der Moment, an dem sie sich offiziell outen würden. Aber all das lag noch in ferner Zukunft. Jetzt gerade war ja noch alles frisch. Und umso glücklicher war Annalena, als sie endlich in Berlin angekommen waren. Dort verabschiedeten sich die beiden von Cem und Claudia, die in eine andere Richtung mussten.
Es war mittlerweile dunkel, als Annalena und Linda in die Berliner Bahn stiegen. Es waren auch kaum noch Menschen zu sehen. So blieben die beiden beinahe unerkannt. Nur manchmal wurden sie irritiert angestarrt und natürlich bemerkte es Annalena, wie die Menschen um sie herum flüsterten und ihr Blicke zuwarfen. Das hatte sie aber auch in den letzten Jahren schon immer und immer wieder miterlebt. Nur war sie jetzt mit Linda unterwegs. Die sich doch eher unwohl fühlte. Und umso erleichterter war, als sie in Potsdam aussteigen konnte.
Und da es ja schon dunkel war, konnte Annalena endlich nach Lindas Hand greifen. Und Linda blieb stehen. Es war ein wirklich kalter Winterabend. Wolken verdeckten die Sterne und eigentlich müsste Annalena frösteln. Aber Lindas Berührungen verhinderten dies. Und jetzt lehnte sich Linda einfach zu ihr herüber und drückte ihr sanft ihre Lippen auf ihre eigenen. Und es war ein unglaubliches Gefühl. Annalena fühlte sich so unfassbar richtig in diesem Moment. Auf offener Straße konnte sie Linda ihre Zuneigung zeigen. Weil sie niemand sehen konnte. Aber es war doch ein plötzliches Gefühl der Freiheit. Was ein Glück.
Irgendwann mussten sie ihren Kuss abbrechen, der immer stürmischer geworden war. Sie waren immerhin in der Öffentlichkeit. Umso schneller machten sie sich auf den Weg Richtung Lindas Wohnung. Letztlich liefen sie beinahe, weil sie einfach nur vier sichere Wände um sich herum haben wollten. Und Annalena war unfassbar froh, dass sie ausnahmsweise keine hohen Schuhe anhatte. Auch wenn sie sich dadurch ziemlich klein fühlte. Aber da gab es jetzt schlimmeres. Nach kurzer Zeit waren sie endlich an einem gutaussehendem Gebäude angekommen und Linda holte ihren Schlüssel hervor. In dem Gebäude empfing Annalena eine angenehme Wärme und sie merkte nun doch, dass ihr ziemlich kalt geworden war. Lindas Wohnung war ziemlich hell, aber doch nicht so modern eingerichtet, wie Annalena es gedacht hatte. Aber sie fühlte sich direkt wohl. Doch gleichzeitig merkte sie auch, wie sehr sie der heutige Tag und wahrscheinlich auch die vergangenen Tage angestrengt hatten. Und Linda schien es nicht anders zu gehen. Deshalb verlagerten sie sich einfach auf das Sofa, auf dem sie beide perfekt Platz fanden. Und beide konnten ihre Hände nicht voneinander lassen. Sie mussten immerhin auch einiges aufholen von diesem Tag. Aber letztlich entschieden sich die beiden dafür, den Abend entspannt ausklingen zu lassen. Mit einem Glas Wein, etwas Musik und Gesprächen. Und Annalena kam aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus.
"Weißt du Annalena, vor zehn Tagen wusste ich wirklich nicht, weshalb ich bei dieser Fahrt mitkommen sollte. Ich habe mich weder gefreut noch war ich ansatzweise motiviert. Eigentlich dachte ich, dass Christian da irgendetwas geplant hatte, was nicht gut enden könnte. Aber irgendwie stand es am Ende dann doch nicht zur Debatte, dass ich nicht mitkommen würde. Ich dachte, dass es vielleicht eine Chance wäre. Aber ich hätte nie gedacht, dass es so eine Chance wäre. Dass ich dank dieser Fahrt endlich wieder mal glücklich bin. Dass ich dich jetzt in meinem Leben habe. Hätte mir das irgendwer gesagt... Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich dabei war. Sonst sähe ich in dir wahrscheinlich immer noch nur die grüne Außenministerin."
Glücklich schaute Annalena die Liberale an. Ja, sie wollte gar nicht daran denken, was wohl wäre, wenn Linda nicht mitgekommen wäre. Aber jetzt lag sie auf ihrem Sofa, in ihren Armen und war froh, dass diese Fahrt so gelaufen war. War froh, dass der Kanzler diese Idee hatte. Dass Linda da war. Dass sie in einem Zimmer gelandet waren. Und dass sie auch diese Nacht inklusive Unwetter überstanden hatte. Irgendwer hatte es die letzten 10 Tage gut mit ihr gemeint.
Noch ein bisschen Annalena und Linda Content, der euch hoffentlich gefällt :)
Was haltet ihr von dem Ausgang für die beiden?
Und bei wem von Wissing, Lauterbach, Kubicki und Özdemir wärt ihr ins Auto gestiegen? ;)Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Mal!
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Fahrt ins Ungewisse
FanfictionZehn Tage. Die Führungsspitzen der Ampel-Koalition. Eine Idee des Kanzlers. Das Ziel: die Gemeinschaft in der Koalition stärken, abseits der politischen Debatten. Deshalb fährt eine Gruppe der Spitzenpolitiker der Ampel Parteien an die Ostsee, um di...