-17-

141 13 0
                                    

„Liam, ich würde gerne kurz mit dir reden, ist das okay für dich?", frage ich meinen Exfreund, der gerade in seiner Zelle ein Buch liest. „Ja natürlich, ich wollte eigentlich auch mit dir sprechen.", antwortet er. Ich betrete die Zelle, in der wir so viel Zeit verbracht haben, in der wir glückliche, aber auch schreckliche Momente durchlebt haben. „Du kannst dich ruhig setzen, hier kann man sich nicht verlaufen und ich kann dir keine Führung anbieten, weil du dich schon auskennst.", bietet er mir an und grinst. Ich setze mich, obwohl ich die ganze Situation schon etwas komisch finde. „Wir haben das Bett manchmal ganz schön zerlegt, oder?", fragt Liam und grinst mich an. Ich lache und schubse ihn freundschaftlich, weil ich in einer solchen Situation garantiert nicht damit gerechnet hätte. „Über was wolltest du denn jetzt eigentlich mit mir reden?", will er neugierig wissen. „Naja, wir haben uns doch in letzter Zeit so gut verstanden und meine Gefühle zu dir haben sich verändert. Also nicht, dass ich dich liebe oder so, aber ich wäre gerne mit dir befreundet.", stottere ich und bin total nervös. Mein Exfreund nimmt mich tröstend in den Arm. „Du muss doch nicht nervös sein und Angst haben, brauchst du auch nicht. Mir geht es genauso, wie dir. Ich habe dich vermisst, also rein freundschaftlich.", entgegnet Liam. „Also können wir befreundet sein?", frage ich schüchtern. „Natürlich können wir das. Amy, so kenne ich dich gar nicht. Diese schüchterne Art gefällt mir gar nicht. Dann sei lieber wieder wütend.", antwortet mein Exfreund. Ich bin total glücklich. Liam und ich reden noch eine Weile, dann schlägt er vor, in den Gruppenraum zu gehen. Dort liegen wir auf der Couch und mein Exfreund nimmt mich in den Arm, wie er es früher immer getan hat. „Was ist denn mit euch beiden los? Sehe ich da etwa Frühlingsgefühle im Herbst?", fragt Linn und grinst uns verschwörerisch an. „Quatsch, wie zur Hölle kommst du denn darauf?", fragen Liam und ich gleichzeitig. „Es mag euch jetzt vielleicht etwas seltsam erscheinen, womöglich erinnert ihr euch auch nicht mehr, aber vor einigen Wochen habt ihr euch bis auf den Tod angebrüllt und gehasst. Jetzt liegt ihr hier gemeinsam auf der Couch und kuschelt. Mir kommt das einfach nur ein bisschen komisch vor.", erklärt unsere Mitgefangene. „Bin ich hier etwa im falschen Film gelandet?", fragt Rita, die uns auch gesehen hat. Auch ihr erklären wir, dass wir nur Freunde sind. „Wer weiß, wie lange ihr das noch seid.", bemerkt unser Boss und grinst Linn an. „Ich gebe den beiden noch ungefähr zwei Wochen, dann sind sie wieder zusammen.", flüstert Linn lachend.

„Amy, denkst du auch, dass wir irgendwann wieder zusammen kommen?", fragt Liam beim Mittagessen und ich höre den Sarkasmus in seiner Stimme. „So ein Blödsinn, nicht in einer Million Jahren.", entgegne ich und lache. „Hast du jetzt etwa doch erkannt, dass du auf Frauen stehst?", fragt Jules und zeigt auf sich. „Mit dir würde ich nicht einmal schlafen, wenn die Hölle gefriert. Außerdem bin ich lesbisch, nicht blind.", schieße ich zurück und Jules blickt mich finster an. „Amelia Smith, bitte zum Verhör! Das findet heute im Büro des Psychologen statt!", ertönt es aus den Lautsprechern. Es ist die Stimme von Miss Ducat, die wohl jetzt nur noch Schleusendienst machen darf. „Warum zum Teufel werde ich eigentlich immer als erstes befragt?", rege ich mich auf und mache mich auf den Weg zum Verhör. Dort wartet Sasha schon auf mich und reicht mir meinen Lieblingskaffee. „Hallo Amelia, diesmal habe ich keine Lust auf Spielchen, die sind sonst eigentlich ziemlich amüsant, aber diesmal habe ich wirklich keine Lust darauf, machen wir es also kurz.", begrüßt sie mich genervt. Ich denke aber gar nicht daran, den Mord zu gestehen. „Amelia, ich möchte den Fall gerne abschließen und dafür brauche ich die Wahrheit.", ergänzt sie. „Ich habe Ihnen aber schon oft genug gesagt, dass ich nichts damit zu tun habe. Es ist schon total nett, dass Sie mir jedes Mal meinen Lieblingskaffee mitbringen, aber langsam habe ich echt keine Lust mehr, einmal die Woche zum Verhör geholt zu werden, nur weil Sie vermuten, dass ich etwas weiß oder etwas damit zu tun habe. Kleiner Spoiler: ich weiß nichts über den Mord und ich würde Sie bitten, auch wenn Sie richtig nett zu sein scheinen, mich in Zukunft in Ruhe zu lassen.", entgegne ich. Nach diesen Worten werde ich zurück auf meine Zelle gebracht, in der ich ab jetzt isoliert werden soll. Das war bestimmt die Idee von Sasha, dieser blöden Kuh.

Sie haben mir alle Fotos, Zeitschriften und Bücher aus der Zelle geräumt, während ich beim Verhör war. Eigentlich würde ich gerade am liebsten durchdrehen und meine Zelle in ihre Einzelteile zerlegen, aber ich wiederhole lieber eine Stelle aus meinem Lieblingsbuch. »Ist diese Traurigkeit die Traurigkeit schlechthin? Ist sie es, die uns befällt, wenn schöne Erinnerungen im Rückblick brüchig werden, weil das erinnerte Glück nicht nur aus der Situation, sondern aus einem Versprechen lebte, das nicht gehalten wurde?« Um vier Uhr morgens schließt jemand meine Zelle auf. „Sie sind ab jetzt nicht mehr in Isolierhaft. Jemand hat den Mord gestanden.", flüstert Linda. „Wer denn?", frage ich verschlafen, aber sie ist schon weg. Ich drehe mich wieder um und schlaf noch eine Weile. Ungefähr zwei Stunden später werde ich unsanft von Liam geweckt. „Amy, wo ist Linn? Sie ist nicht in ihrer Zelle und duschen ist sie auch nicht.", stellt er fest. „Linda war heute Morgen in meiner Zelle, sie meinte, dass jemand den Mord gestanden hat.", krächze ich benommen. „Denkst du, was ich denke?", fragt Liam geschockt. „Fuck!", rufe ich und renne los. Zum Glück wurde das Tor von unserer Station schon aufgeschlossen, durch das wir zu den Duschen und zur Krankenstation gelangen. Unterwegs begegnet mir die Anstaltsleiterin. „Wo ist Linn? Haben Sie sie gesehen? Hat sie wirklich den Mord gestanden?", frage ich aufgebracht. „Miss Kensey hat den Mord gestanden und wird jetzt noch weiter befragt. So lange wird sie isoliert. Bis zu ihrem Prozess kann sie dann aber wieder zu Ihnen auf die Station.", informiert sie mich. „Sind Sie wirklich sicher, dass Linn die Wahrheit sagt? Vielleicht schützt sie jemanden?", entgegne ich. „Sie hat ein umfassendes Geständnis abgelegt, mit Informationen, die nur der Täter wissen kann.", bemerkt die Anstaltsleiterin. „Sie wissen aber schon, dass Linn eine der letzten ist, denen ich einen Mord zutrauen würde? Das ergibt doch alles gar keinen Sinn.", erwidere ich. Was mein Ziel ist, weiß ich noch nicht so genau, aber ich befürchte, ich weiß, was Linn mit ihrem Geständnis bezwecken wollte. „Natürlich hätte ich es ihr auch nicht zugetraut, aber die Tatsache ist, dass jemand einen meiner Mitarbeiter getötet hat und das kann und werde ich nicht tolerieren.", entgegnet sie und läuft weiter. Ich bleibe ratlos zurück.

Die Fledermaus war ein richtig fieses Arschloch. Er hat die Insassen gequält und ausgenutzt, wo er nur konnte. Eigentlich hat er den Tod verdient. Fast wünsche ich mir aber, dass er noch am Leben wäre, denn wenn es so wäre, hätte Linn mich nicht beschützen und gestehen müssen. „Was ist denn jetzt los? Wo ist Linn? Ich habe sie seit gestern Abend nicht mehr gesehen. Wisst ihr, wo sie ist?", fragt nun auch Rita, die sehr besorgt aussieht. „Ich glaube, das willst du gar nicht wissen.", entgegne ich geknickt. „Ist es das, was wir vermutet haben?", fragt mein Exfreund und legt mir eine Hand auf die Schulter. Ich nicke aufgelöst und Rita schaut abwechselnd von Liam zu mir. „Könnte mir jetzt vielleicht irgendjemand sagen, was hier los ist?", fragt unser Boss sauer. Ich nehme sie mit in meine Zelle und erzähle ihr, was ich weiß. „Das ist jetzt nicht wirklich dein Ernst.", bemerkt sie tonlos. „Ich wollte wirklich nicht, dass sie das für mich macht, sie hat es einfach so getan. Ich verstehe auch nicht, warum sie das gemacht hat, denn die Ermittlerin ist doch noch total im dunklen getappt.", entgegne ich. Im nächsten Moment spüre ich die flache Hand von Rita in meinem Gesicht. „Sie ich wollte dich wahrscheinlich nur schützen. Du denkst doch nicht ernsthaft, dass die Ermittlerin ihre Fortschritte mit dir teilt. Sie wird dich genauso verarschen, wie du sie verarscht. Das lernen diese Ratten doch in ihrer Ausbildung. Die Ermittlerin war dir bestimmt schon auf der Spur und Linn hat es vermutlich gemerkt. Sie hat ein besonderes Gespür für Menschen. Du solltest ihr echt ein bisschen dankbarer sein. Sie hat die reinste Seele, die ich kenne und das solltest du wertschätzen.", herrscht mich unser Boss an. Okay, diesen Vortrag und die Backpfeife habe ich wirklich verdient. „Ich weiß, Linn ist wirklich ein Engel. Ich hoffe, dass sie nicht ernst genommen wird. Die Beamten wissen auch, dass sie das niemals tun würde. Mit unserer Anstaltsleiterin habe ich schon gesprochen, aber sie hat mich nicht ernst genommen.", flüstere ich leise. Unser Boss entschuldigt sich für die Backpfeife. „Wir können nur hoffen, dass bald alles wieder gut wird.", entgegnet Liam. Ich habe aber ein total schlechtes Gewissen und hoffe, dass Linn bald wieder zu uns kommt, denn ich muss unbedingt mit ihr reden.

True colors | LGBTQWo Geschichten leben. Entdecke jetzt