„Das kann doch nicht euer scheiß Ernst sein. Ihr sperrt uns jetzt seit drei Tagen unsere beschissenen Zellen und wir bekommen absolut keine Informationen. Was zur Hölle soll das?", brülle ich, als ich höre, dass die blöden Beamten unsere Station betreten, um uns das Essen zu bringen. Ich bin so unbeschreiblich wütend, ich halte es kaum aus. Am liebsten würde ich gegen Schränke und Fenster und Türen und alles mögliche treten, was sich in meiner Zelle befindet. Jetzt bekommen wir aber zuerst einmal das Essen gebracht. Nicht einmal unser Küchenteam durfte raus, die Beamten haben unser Essen zubereitet und es ist sogar noch schlechter, als sonst. Angewidert blicke ich auf die rote Pampe, die wohl Ravioli darstellen soll. Dazu gibt es Chicken Nuggets und Brokkoli. Ich wundere mich, wie die ihr Essen zu Hause machen oder ob sie nur Essen bestellen. Anders kann ich mir nicht vorstellen, dass sie überleben. Zum Glück war ich immer ein Kind, das gerne Brokkoli gegessen hat, also knabbere ich ein bisschen an den Chicken Nuggets und esse den Brokkoli, die Ravioli rühre ich allerdings nicht an. „Wir haben ein Recht auf einmal Hofgang am Tag. Das sind grundlegende Menschenrechte, auf die Sie achten müssen!", ergänzt Rita laut. „Ihr habt gar keine Rechte, solange der Mord an unserem Kollegen nicht aufgeklärt wurde!", brüllt einer der Beamten zurück. „Nur weil irgendjemand diesen Typen gekillt hat, müssen wir alle darunter leiden? Ist das euer verdammter Ernst?", fragt Liam wütend. Er tritt gegen die Türen und ich habe ziemlich Angst, dass er wirklich ausrastet. Normalerweise hält sich mein Freund echt zurück, aber die blöde Isolation scheint ihn zu einem lauten und sehr extrovertierten Menschen gemacht zu haben. Dabei waren wir nur drei Tage eingesperrt. Ich will gar nicht wissen, was mit ihm passiert, wenn wir noch länger in Isolationshaft sind. „Lasst uns doch bitte wenigstens einmal am Tag raus.", fleht mein Freund. Er ist also doch nicht so aggressiv geworden, wie ich befürchtet habe.
Wir verbringen noch zwei weitere, absolut schreckliche Tage in dieser blöden Isolationshaft. Anfangs konnten wir uns noch durch die Zellentüren unterhalten, aber irgendwann haben sie herausgefunden, dass das geht und einige Beamte haben jede Zellentür bewacht, dass wir uns nicht unterhalten konnten und erst recht keine Informationen über den Mord an der Fledermaus austauschen konnten. Rita und Liam wissen natürlich nicht, was hier los ist, aber Linn und ich haben so eine gewisse Ahnung, wie es jetzt weitergehen wird. Zumindest hat Linn mir davon erzählt und was sie mir gesagt hat, gefällt mir gar nicht, aber zumindest bin ich jetzt vorbereitet. Mir ist inzwischen so langweilig, dass ich die Gefängnisordnung vorwärts und rückwärts aufsagen kann. „Punkt sechs, den Anweisungen des Gefängnispersonals ist dauerhaft und unter allen Umständen Folge zu leisten. Das Nichtbeachten kann zur Folge haben, dass Sie als Gefangene-", beginne ich, als sich plötzlich meine Zellentür öffnet. Zwei Beamte packen mich unsanft an den Armen. „Kann ich euch irgendwie helfen, Jungs?", frage ich relativ unbeeindruckt. „Schnauze, du wirst jetzt befragt.", entgegnen sie barsch. „Ach, etwa von euch beiden, wahnsinnigen Sympathieträgern?", erwidere ich mehr als genervt. Es ist sechs Uhr morgens und ohne meinen Kaffee bin ich ungenießbar. Das lasse ich auch jeden spüren. Die beiden Schränke, denen Mama heute wieder das gleiche angezogen hat, liefern mich in einem Verhörraum ab, in dem eine Ermittlerin auf mich wartet. Zu meiner großen Schande muss ich gestehen, dass sie für eine Bullentusse ziemlich heiß ist und ich sie nicht von der Bettkante stoßen würde, wenn es Liam nicht geben würde, dem ich natürlich treu bleiben werde. Sie hat lange schwarze Haare und trägt einen ziemlich kurzen Rock und eine enge Bluse, was mir aber auch sehr gut gefällt. Ob sie weiß, dass ich auf Frauen stehe und das extra gemacht hat? Aber die meisten hier sind ja hetero, vielleicht gefällt sie sich auch einfach selbst und das ist ja die Hauptsache. Ich finde sie zumindest wunderschön, das würde ich aber vor den anderen nicht zugeben.
„Möchten sie vielleicht einen Kaffee haben? Es ist immerhin noch ziemlich früh.", begrüßt sie mich mit einem Lächeln. „Was muss ich denn dafür tun?", frage ich mit verschränkten Armen. „Nichts, ich möchte mich einfach nur mit Ihnen unterhalten, es ist alles ganz normal.", antwortet sie. „Verarschen kann ich mich auch alleine.", entgegne ich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Den Kaffee bekommen sie ganz umsonst, für alles weitere müssen Sie mir Informationen geben. Sie können aber auch mit mir sprechen, als wären wir befreundet, das macht das Ganze vielleicht etwas einfacher.", erklärt die Ermittlerin. ich denke ernsthaft nach, ob es überhaupt moralisch richtig ist, den Kaffee von ihr anzunehmen. „Sie überlegen jetzt, was die anderen Insassinnen sagen, wenn Sie den Kaffee annehmen. Ich werde auf jeden Fall nichts verraten.", verspricht die Ermittlerin. Zögernd greife ich nach dem verführerischen Heißgetränk. Der Kaffee ist sogar mit ganz viel Sojamilch und Karamell, wie ich ihn liebe, ich bin absolut begeistert. „Amy, Sie haben einen sehr stark ausgeprägten Gerechtigkeitsinn, was ich absolut verstehen kann. Wie haben Sie sich denn mit dem toten Beamten verstanden?", fragt sie und beobachtet mich ganz genau. In meiner Zeit im Gefängnis habe ich gelernt, sämtliche Verhörmethoden zu erkennen und nicht auf so etwas herein zu fallen. Bei mir kommt sie also nicht weit. „Ich denke mal, wir haben uns ganz okay verstanden, wenn man das so sagen kann. Ich fand ihn nicht besonders toll, aber dass er tot ist, ist schon irgendwie unmenschlich. Ich weiß einfach nicht, wie ich das ausdrücken soll. Natürlich stand er immer auf der anderen Seite, denn im Gefängnis stehen immer die Beamten gegen die Gefangenen, wir haben uns auch nicht besonders gut verstanden, aber ich denke, den Tod hat er einfach nicht verdient.", lüge ich und ich würde sogar von mir behaupten, dass ich ganz gut gelogen habe.
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True colors | LGBTQ
Ficção Adolescente»Erfahrung ist der Name, den wir unseren Fehlern geben.« Ich war nie so wie die anderen und ich wollte auch nie normal sein. Vielleicht waren Liam und ich deshalb füreinander geschaffen.