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Als ich am nächsten Morgen aufwache, irgendwann muss ich wohl doch eingeschlafen sein, rieche ich etwas Seltsames. Es riecht ein bisschen metallisch und ein bisschen nach Blut. Ich schaue mich um und entdecke direkt die Ursache des Geruchs. „Oh nein, Liam, du musst aufwachen.", versuche ich meinen Freund zu wecken. „Was ist los?", nuschelt er verschlafen. Ich lege ihm sofort Handtücher hin. „Du musst duschen oder dich zumindest waschen. Du hast deine Du-weißt-schon-was.", flüstere ich. „Bitte geh weg.", sagt Liam tonlos. Ich verlasse die Zelle und setze mich in den Gruppenraum. Etwa zehn Minuten später steht Liam mit einem sehr finsteren Blick vor mir. „Ich werde nie ein richtiger Mann sein. Ich will einfach nicht mehr in diesem schrecklichen Körper gefangen sein. Amy, ich kann das alles nicht mehr.", flüstert mein Freund verzweifelt. Ich fasse einen Entschluss und spreche mit Rita. „Auf gar keinen Fall wirst du mit der Fledermaus vögeln, das kommt nicht in Frage! Ich lasse mir etwas einfallen.", verspricht mir unser Boss. Normalerweise ist sie total gegen Drogen, aber Liam will die Hormone nicht zum Spaß nehmen und im Endeffekt sind es eigentlich gar keine Drogen. Leider geht der Plan von Rita nicht auf, denn ihr Kurier wird erwischt. Die Frau verrät uns zwar nicht, aber ab sofort werden noch strengere Kontrollen durchgeführt. Wir stehen wieder am Anfang mit unserem Problem. „Und wenn ich doch mit der Fledermaus schlafe?", frage ich. „Nein, auf gar keinen Fall!", rufen Rita und Liam gleichzeitig. Sie sind mehr als entrüstet. Ich kann aber nicht zulassen, dass es meinem Freund weiterhin so schlecht geht, dafür braucht er aber die Hormone.

„Na, brauchst du etwas von mir?", fragt die Fledermaus. „Ich weiß es nicht.", flüstere ich schüchtern. „Wie kann ich dir helfen?", fragt er und lächelt mich charmant an. Ich muss zugeben, dass er für einen Mann gar nicht so schlecht aussieht. Insofern ich das überhaupt beurteilen kann, denn ich habe einen Mann noch nie attraktiv gefunden. „Ich brauche etwas, das nicht so leicht zu beschaffen ist, es ist Testosteron.", erkläre ich. „Ach, für deine kleine Freundin? Das bekomme ich hin. Du kennst den Preis?", entgegnet er. Ich ignoriere, dass er Liam als Frau bezeichnet hat und nicke. Am nächsten Tag kommt die Fledermaus auf mich zu und zeigt mir eine Packung mit den Hormonen für Liam. Als ich danach greifen will, zieht er seine Hand weg. „Erst die Bezahlung.", flüstert er und grinst mich an. Ich lasse es also über mich ergehen, obwohl ich mich vor lauter Ekel am liebsten dauerhaft übergeben würde. Als er fertig ist, wenn ich mir die Packung nehmen, aber er gibt sie mir nicht. „Wir sehen uns jetzt jeden Tag und nächstes Mal bist du gefälligst mehr bei der Sache.", erklärt die Fledermaus. Ich hätte es eigentlich wissen müssen. Du bekommst im Leben nichts geschenkt. Ich habe zwar schon damit gerechnet, dass ich ihn pro Packung bezahlen muss, aber jeden Tag, das kann ich nicht. Andererseits geht es um Liam und ich werde mich wohl zusammenreißen müssen. Ich liebe meinen Freund so sehr, dass ich das für ihn tun werde.

Nach der Arbeit verstecke ich das Testosteron unter dem Kissen meines Freundes. „Mein Engel, kannst du mir bitte mal erklären, was das ist?", fragt er verwirrt. Ich zucke grinsend mit den Schultern. „Musstest du etwas dafür tun?", fragt Liam. „Nein, wir dürfen doch auch einmal Glück haben.", entgegne ich. Mein Freund schaut mich zuerst zweifelnd an, dann freut er sich und küsst mich. „Ich liebe dich so sehr.", flüstert Liam. Dafür hat es sich gelohnt. Ich bin zwar absolut angeekelt von der Fledermaus und auch ein bisschen von mir, aber als Liam lächelt, vergesse ich alles. Die nächsten Male mit der Fledermaus sind die Hölle, er ist so brutal. Als ich mich gerade umziehe, kommt Linn in meine Zelle. „Was ist denn mit dir passiert? Das war doch nicht Liam, oder?", fragt sie erschrocken. „Nein, natürlich nicht. Ich habe mich nur ganz blöd gestoßen.", entgegne ich. „Amy, verarsch mich nicht. Du wurdest verprügelt. Ich glaube dir, dass es nicht Liam war, aber wer war es dann?", fragt Linn. Ich zucke mit den Schultern. Meine Mitgefangene schaut mich an und plötzlich nimmt sie mich in den Arm. „Du hast dich doch nicht etwa auf einen Deal mit der Fledermaus eingelassen, oder? Amy, da kannst du nur verlieren.", stellt sie klar. „Ich weiß.", gebe ich kleinlaut zu. „Du bist so jung und unerfahren. Ab sofort passen Rita und ich besser auf dich auf.", erklärt Linn.

In den nächsten Tagen verfolgen mich die beiden auf Schritt und Tritt. Es geht mir schon ziemlich auf die Nerven und so kann ich keine Hormone mehr für Liam beschaffen. Die Fledermaus ist ziemlich sauer. Er versucht mich alleine zu erwischen, aber selbst nachts bin ich nicht alleine. Da unsere Zellen über Nacht offen sind und wir nur in unserem Block eingeschlossen werden, kann Linn in meiner Zelle übernachten. Wir haben ausgemacht, dass wir Liam erst einmal nichts erzählen. Nach zwei Wochen sind Rita und Linn der Meinung, dass ich meine Lektion gelernt habe. Ich mache mich sofort auf den Weg, um das Testosteron für Liam zu besorgen. Soll ich mich wieder auf die Fledermaus einlassen? Oder soll ich zu den Frauen gehen, die Drogen verkaufen? Dann würde ich Probleme mit Rita bekommen und das möchte ich auf gar keinen Fall. „Na, bist du deine ständigen Begleiter endlich losgeworden?", fragt die Fledermaus und hält mich fest. „Du willst doch bestimmt weiterhin Hormone für deine kleine Freundin, oder?", fragt er und lächelt mich fies an. „Liam ist ein Mann.", entgegne ich tonlos. „Deine Freundin ist garantiert kein Mann, sondern eine Frau, sonst wäre sie nicht hier. Das ist nämlich ein Frauengefängnis.", erwidert die Fledermaus. Ich laufe kopfschüttelnd weiter und wundere mich, dass er sich sofort umdreht und verschwindet. Da sehe ich sie. Rita steht mit verschränkten Armen an der Treppe. „Hast du dich etwa wieder mit ihm eingelassen?", fragt sie besorgt. „Natürlich nicht, ich bin ja nicht komplett bescheuert. Er hat mich angesprochen, aber ich habe sein Angebot ignoriert. Es ist nur ziemlich blöd, dass Liam jetzt darunter leiden muss.", erkläre ich. „Wir werden uns darum kümmern.", verspricht mir Rita.

Da Liam in den letzten drei Wochen kein Testosteron bekommen hat, bekommt er wieder seine Periode. Für ihn ist es ein riesiges Drama, was ich natürlich absolut verstehen kann. Er hat sich in der letzten Zeit sehr von mir abgekapselt. Nach der Arbeit sehe ich ihn, wie er bei den Dealern abhängt. „Bist du jetzt komplett wahnsinnig geworden? Was machst du denn bei denen? Rita wird dich umbringen.", zische ich und ziehe meinen Freund in unseren Block. Rita wird ihn natürlich nicht umbringen, aber Liam kann jeden Schutz gebrauchen. „Du konntest mir nichts mehr besorgen, also musste ich das wohl alleine erledigen.", bemerkt mein Freund und schaut mich anschuldigend an. Auf diese Spielchen will ich mich gar nicht erst einlassen, also lasse ich ihn stehen. Er kann ziemlich fies werden, wenn er seinen Willen nicht bekommt. Abends kuschelt er sich dann an mich und alles ist wieder gut, zumindest für ihn. „Es tut mir leid, ich war ziemlich gemein zu dir. Du kannst natürlich nichts dafür, dass ich kein Testosteron mehr bekomme. Ich liebe dich so sehr. Wir werden das zusammen schaffen.", flüstert Liam und ich nicke. Egal was ich tue, ich kann ihm einfach nicht böse sein. „Wir schaffen alles zusammen.", entgegne ich und küsse meinen Freund.

True colors | LGBTQWo Geschichten leben. Entdecke jetzt