Die Fledermaus lauert mir in den nächsten Tagen sehr oft auf. Rita und Linn versuchen mich zu unterstützen, in dem sie sehr engmaschig auf mich aufpassen. Natürlich klappt das nicht immer. Eine Beamtin soll mich in die Verwaltung bringen, da die Gefängnisleitung mit mir sprechen möchte. „Ich nehme sie mit, du kannst Pause machen.", bietet die Fledermaus seiner Kollegin an. Mir wird schlagartig total übel. Nur weil diese dumme Kuh zum achten Mal heute rauchen will, muss ich mir jetzt die dummen Sprüche von ihrem Kollegen anhören oder vielleicht sogar schlimmeres. „Du siehst heute besonders hübsch aus. Deine Freundin muss total glücklich sein, mit so einer Schönheit das Bett teilen zu dürfen. Vor allem weil deine Freundin ja nicht besonders gut aussieht.", bemerkt er. Ich habe mir vorgenommen, nicht mehr auf seine Provokationen einzugehen. Aber als er mich anfasst, schlage ich seine Hand weg und das fiese Grinsen verschwindet aus seinem Gesicht. Er packt mich und zieht mich in eine Ecke. Ungefähr eine halbe Stunde später bringt er mich in unseren Block. Er hat mir eine Haarsträhne ausgerissen und sie eingesteckt, meine Lippe ist aufgeplatzt und ich habe ein blaues Auge. „Halt bloß die Klappe.", droht er mir. Niemals hätte ich zugegeben, dass mich ein Mann gebrochen hat, das hätte ich auch nicht zugelassen. Aber jetzt muss ich mir eingestehen, dass er es geschafft hat.
„Amy, Schatz, was ist los? Wer war das? Welches Schwein hat dir das angetan?", fragt Liam und will mich umarmen, aber ich stoße ihn weg und renne zu den Duschen. Dort sitze ich, bis ich das Gefühl habe, komplett vom Wasser aufgeweicht zu sein. „Oh nein, was hat er getan? Ist es das, was ich denke?", fragt Linn, die gesehen hat, dass ich von der Fledermaus zurückgebracht wurde. Sie trocknet mich ab und gibt mir ihre frischen Klamotten. Dann begleitet sie mich in meine Zelle und macht mir einen Kakao. „Wir müssen etwas gegen dieses Arschloch unternehmen.", bemerkt sie. Beim Abendessen beobachten mich Rita und Linn. Mein Freund hat mich überredet, zum Abendessen zu gehen. „Du kannst doch jetzt nicht zeigen, dass dich das mitnimmt. Schatz, du bist so stark und die Fledermaus ist so schwach, er hat nicht mal seine Triebe auf der Arbeit unter Kontrolle.", ermutigt er mich. Dann verschwindet er im Bad, denn er duscht immer nur, wenn die anderen beim Essen sind. „Fledermaus?", fragt Rita und Linn nickt mit einem finsteren Blick, den ich noch nie an ihr gesehen habe und der mir ehrlich gesagt ein bisschen Angst macht. Am nächsten Morgen geht unser Boss zur Gefängnisleitung, kommt aber relativ schnell wieder zurück. „Sie will nichts unternehmen, weil sie denkt, dass wir lügen.", erklärt Rita genervt. „Die beiden haben eine Affäre.", erklärt Linn. „Ernsthaft?", frage ich genervt. „Er scheint wohl so gut im Bett zu sein, dass sie vollkommen blind ist.", entgegnet Rita. „Verdammt, es tut mir leid.", ergänzt sie, als sie mein erschrockenes Gesicht sieht.
Nach ein paar Tagen scheint es besser zu werden, die Fledermaus hat mittlerweile wohl das Interesse an mir verloren. Dafür beobachtet er die Neuen. Mir wird total schlecht, wenn ich daran denke, dass er mit mindestens der Hälfte der Neuen einen Deal haben wird. „Es ist zum Kotzen.", bemerke ich, nachdem mir eine der Neuen erklärt hat, dass sie keine Hilfe von mir braucht. „Die denken alle, dass sie die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Und wenn ihnen dann etwas passiert, ist das Geschrei groß.", entgegnet Rita. „Du kannst da leider nicht viel tun. Eigentlich kannst du sogar gar nichts dagegen tun, wenn sie deine Hilfe nicht annehmen. Dann sind sie aber selbst schuld und du solltest dich nicht weiter um sie kümmern, auch wenn es schwer ist.", ergänzt Linn. Am nächsten Tag erscheint eine der Neuen nicht zur Zählung. Ich suche sie und finde sie in ihrer Zelle. Sie liegt bewegungslos in ihrem Bett. „Lee, es ist Zeit für die Zählung.", versuche ich sie zu wecken. Sie bewegt sich nicht und ich berühre sie vorsichtig. Lee schaut mich erschrocken an. „Ich glaube, ich weiß, was mit ihr passiert ist.", flüstere ich einer Beamtin zu. „Die Neue hat sich anscheinend Drogen, vermutlich Heroin besorgt und hat sich jetzt eine Überdosis gespritzt. Die Spritze hängt sogar noch an ihrem Arm. Sie muss auf die Krankenstation.", erkläre ich, aber die Beamten stecken sie in den Bunker. Aufgebracht renne ich zu Rita. „Stell dir vor, sie haben die Neue in den Bunker gesteckt, obwohl sie sich eine Überdosis gespritzt hat. Sie muss sofort auf die Krankenstation und die Schweine haben sie einfach so in den Bunker gebracht!", rufe ich wütend. „Sie ist selbst schuld. Amy, du weißt genau, wie wir zu Drogen stehen.", entgegnet unser Boss. „Aber sie hat totale Angst vor Berührungen und ich glaube, dass die Fledermaus etwas damit zu tun hat.", erwidere ich. „Bist du dir sicher?", fragt sie und ich nicke. Rita verspricht mir, dass sie sich darum kümmert. Ich glaube zwar nicht, dass sie etwas erreicht, aber Liam erzählt mir, dass er Lee auf der Krankenstation gesehen hat. Zwei Tage später kommt sie zurück und spricht mit niemandem. Als ich sie frage, was passiert ist und woher sie die Drogen hatte, wirft sie mich wortlos aus der Zelle.
„Wir müssen diesen Typen endlich stoppen.", flüstere ich beim Abendessen. Linn nickt zustimmend und auch Rita ist meiner Meinung. Heute braucht Liam besonders lange im Bad. Normalerweise ist er immer schon in der Zelle oder im Gruppenraum, wenn wir vom Essen kommen. „Vielleicht braucht er ein bisschen Zeit für sich alleine, das passiert in jeder Beziehung. Ihr verbringt doch sehr viel Zeit miteinander.", versucht mich Rita zu beruhigen. Ich beruhige mich aber nicht wirklich, denn ich habe ein sehr schlechtes Gefühl. „Habt ihr Jules beim Abendessen gesehen?", frage ich nervös. „Jules und ihre Gang waren beim Abendessen.", antwortet Linn. „Und was ist mit der Fledermaus?", frage ich panisch. Rita und Linn schütteln ihre Köpfe. „Aber hat die Fledermaus überhaupt Interesse an Liam?", fragt unser Boss. Ich antworte nicht, sondern renne sofort ins Bad. Dort fließt hellrotes Wasser über den Boden. Ich zähle eins und eins zusammen, es ist Blut. „Liam? Liam, bist du hier?", frage ich ängstlich. Ein leises Wimmern ertönt. Ich finde meinen Freund in einer der Duschen. Er ist blutüberströmt und nackt. Ich kann gar nicht erkennen, wo er überall blutet.
Mein Freund dreht sich bestimmt um. „Bitte geh weg.", flüstert er. Ich schnappe mir ein Handtuch und trockne Liam ab, wie es Linn bei mir getan hat. „Du musst zum Arzt.", flüstere ich, aber mein Freund schüttelt panisch den Kopf. „Ich will einfach nur in die Zelle.", entgegnet er. Nachdem Liam eingeschlafen ist, rede ich mit Linn und Rita. „Er muss mit der Direktorin reden. Wenn ich mit ihr spreche, wird sie mir nicht glauben.", erklärt Rita. „Er wird niemandem davon erzählen.", erwidere ich. Linn und unser Boss schauen sich vielsagend an. „Ich kann nichts tun, er schämt sich so sehr, dass er die Fledermaus nicht anzeigt, um niemandem davon erzählen zu müssen. Das ist das Gleiche wie die Tatsache, dass er nicht mit unserem Psychologen reden wird, um die Hormone zu bekommen.", ergänze ich. „Wir müssen diesen Typen unbedingt stoppen.", bemerkt Linn und Rita nickt zustimmend. Ich versuche noch einmal mit ihm zu reden, aber er blockt direkt ab. „Du denkst doch nicht ernsthaft, dass es etwas bringt, wenn ich mit der Direktorin rede.", flüstert er. Ich schaffe es letztendlich doch, dass mein Freund mit ihr redet, er würde sich sogar untersuchen lassen, aber dazu kommt es gar nicht. „Sie wird nichts unternehmen, sie glaubt mir nicht.", bemerkt er sauer. „Kein Wunder, die Fledermaus vögelt unsere Direktorin.", entgegne ich und umarme meinen Freund. „Baby, Das ist so eine abartige Scheiße. Der Typ legt alles flach, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Er hat eine feste Partnerin, hat mit fast jeder neuen Gefangenen einen Deal und in letzter Zeit nimmt er sich auch mit Gewalt, was er will. Wir müssen ihn endlich stoppen, bevor er noch mehr anrichtet!", ruft er aufgebracht.
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True colors | LGBTQ
Novela Juvenil»Erfahrung ist der Name, den wir unseren Fehlern geben.« Ich war nie so wie die anderen und ich wollte auch nie normal sein. Vielleicht waren Liam und ich deshalb füreinander geschaffen.