"Na, ihr süßen, ist alles okay bei euch? Ihr seht ja verdammt traurig aus.", bemerkt Linn, die am nächsten Nachmittag zu uns auf die Station kommt. Sie lächelt uns an, aber eigentlich möchte ich ihr eine Backpfeife verpassen, für das, was sie für mich getan hat. Ich renne auf sie zu und umarme sie. "Was machst du denn? Du musst mich doch gar nicht beschützen.", flüstere ich mit Tränen in den Augen. „Du hast dein Leben noch vor dir, deswegen wollte ich dich beschützen.", erklärt Linn leise. „Du bist doch komplett bescheuert.", entgegne ich. Auch Rita umarmt Linn. "Du bist wirklich bescheuert. Dafür wirst du noch mal mindestens zwölf Jahre bekommen. Und das wegen einer aggressiven jungen Frau, die ihre Emotionen nicht unter Kontrolle hat, auch wenn sie eigentlich ganz nett ist.", ergänzt unser Boss und zwinkert mir zu. Am Abend betritt Miss Ducat unsere Station und zu mir kommt sie als Erstes. „Guten Abend Amy, ich möchte Sie gar nicht lange stören, ich würde nur gerne wissen, wer hier Lügen über mich verbreitet hat. Das hat auch gar nichts mit verpetzen zu tun, Sie würden mir damit sehr helfen.", spricht sie mich höflich an. „Also hier auf der Station war es bestimmt niemand. Vielleicht hören Sie sich noch einmal auf den anderen Stationen um.", entgegne ich abweisend. „War es vielleicht Ihr Exfreund?", fragt die Beamtin und fixiert mich lange. „Auf gar keinen Fall, Liam würde so etwas nicht tun.", wehre ich ab. Sie schaut mir ganz tief in die Augen. Nach ein paar Minuten verlässt sie meine Zelle und macht sich auf den Weg zu der nächsten Insassin. Ich mache mir Sorgen, dass sie durchdreht und einer der anderen Frauen wehtut. Am nächsten Morgen wecke ich Liam, der total fertig wirkt. „Was ist denn los mit dir?", frage ich leise beim Frühstück. Er schüttelt den Kopf und rührt sein Essen nicht an. „Du musst etwas essen, sonst bricht dein Kreislauf bald zusammen.", bemerkt Rita besorgt. Mein Exfreund zuckt teilnahmslos mit den Schultern und verlässt wortlos den Raum. „Was ist denn jetzt schon wieder mit ihm los?", fragt Linn, die sich natürlich auch Sorgen macht. „Glaub mir, das wüsste ich auch gerne.", entgegne ich frustriert. „Vielleicht hat es etwas mit Miss Ducat zu tun.", überlegt unser Boss nachdenklich. Das klingt logisch und ich beschließe, meinen Exfreund darauf anzusprechen.
„Liam, ich muss mit dir sprechen. Warum bist du plötzlich wieder so komisch?", frage ich. Er zuckt aber nur wieder mit den Schultern. „Du bist du uns verdammt noch mal wichtig und wir machen uns Sorgen um dich.", ergänze ich. „Wenn du nur wüsstest, was letzte Nacht passiert ist.", flüstert mein Exfreund. Dann beginnt er zu erzählen, was los war. „Miss Ducat war bestimmt auch bei dir. Zu dir war sie mit Sicherheit auch total nett, als sie dich befragt hat. Zu mir war sie das allerdings nicht.", beginnt mein Exfreund zu erzählen. „Das habe ich mir schon gedacht. Aber erzähl mal, was hat sie denn gemacht?", frage ich. „Du kennst doch meine größte Angst, oder?", fragt Liam vorsichtig. „Ja klar, enge Räume und Kinder in Horrorfilmen.", antworte ich. „Wow, du bist ja sowas von witzig. Momentan ist meine größte Angst, wieder abhängig zu werden. Das hat Miss Ducat ausgenutzt. Sie hat gedroht, mich anzufixen.", flüstert er. Ich falle aus allen Wolken. Das kann Miss Ducat doch nicht ernsthaft getan haben. „Und was hast du dann gesagt?", frage ich erschrocken. „Natürlich bin ich auch erst mal erschrocken, ich habe ihr dann aber gesagt, dass ich niemals wieder abhängig sein werde. Dann meinte sie, dass sie sich da nicht so sicher wäre.", antwortet mein Exfreund. „Ich passe auf dich auf, auch nachts. Sie wird dich nicht anfixen.", verspreche ich Liam und er lächelt ein bisschen. In der Nacht schlafe ich in der Zelle von meinem Exfreund. Er hat schlimme Albträume und schläft sehr unruhig. „Ich habe solche Angst.", nuschelt er und ich nehme ihn in den Arm. „Das sieht mir aber gewaltig nach einem Liebescomeback aus. Naja, über die Wahl ihrer Partner lässt sich streiten, Amy.", bemerkt Miss Ducat, die gegen drei Uhr eine Zellenkontrolle macht. „Lass dich von der nicht ärgern oder aus der Ruhe bringen, ich bin ja da.", beruhige ich Liam, der wieder ganz nervös wird.
Am Freitagabend ruft uns Rita zu sich. „In letzter Zeit ist ziemlich viel Blödsinn passiert. Deswegen habe ich eine kleine Überraschung für euch.", erklärt sie und holt ein paar Sachen aus ihrer Zelle. Wir müssen aber die Augen schließen. Als wir sie öffnen, sind wir total begeistert, denn Rita hat für uns Alkohol besorgt, der nicht hier im Gefängnis gebrannt wurde. „Du bist ja verrückt, wie hast du den denn hier rein bekommen?", fragt Liam begeistert. Daraufhin erfahren wir, dass unser Boss seit Jahren eine Connection, die Staatssekretärin hat, die ihr in regelmäßigen Abständen einen Gefallen tut. Mein Exfreund will schon nach einem Glas Wein greifen, aber Rita gibt ihm stattdessen seine Lieblingsschokolade, die man im Gefängnisladen nicht kaufen kann. „An deiner Stelle wäre ich auch bei Alkohol vorsichtig, immerhin ist das auch eine Droge.", flüstert Linn. Mein Exfreund ist natürlich auch mit der Schokolade total zufrieden. Liam, Rita, Linn und ich hören noch eine ganze Weile Musik und gehen erst um zwei Uhr in unsere Zellen, bevor die Beamten ihre Kontrollen machen. Wir erfahren aber auch noch, dass Miss Ducat eine Abmahnung bekommen hat, da Rita noch einmal mit der Staatssekretärin gesprochen hat. Dieses Wochenende passiert ausnahmsweise nichts ungewöhnliches. Am Sonntag haben Rita, Linn und ich einen ziemlichen Kater, den wir ausschlafen müssen. Montags ist Miss Ducat wieder da und sie hat richtig schlechte Laune. Offenbar hat sie von der Abmahnung erfahren. „Hoffentlich versucht sie nicht wieder herauszufinden, wer dafür verantwortlich ist. Das letzte Mal hat mir schon gereicht.", flüstert Liam uns nachdenklich zu. „Quatsch, das wird sie nicht.", entgegne ich und versuche meinen Exfreund zu bestärken. „Jetzt mal ernsthaft, die ganze Sache ist nicht mehr witzig. Wer von Ihnen hat sich über mich im Justizministerium beschwert?", fragt Miss Ducat beim Mittagessen sauer. Keiner von uns antwortet und die Beamtin wird richtig wütend. „Ich werde schon noch herausfinden, wer das war.", ergänzt sie und schaut Rita, Linn, Liam und mich an.
Ungefähr zwei Tage später wird unser Boss aus der Wäscherei abgeholt. Miss Ducat steht mit verschränkten Armen vor ihr. „Ich wusste, dass es jemand von Ihnen war.", bemerkt und blickt Rita und Liam, der gerade in der Wäscherei war, um neue Handtücher zu holen, direkt in die Augen. „Was soll das? Ich war das nicht!", brüllt unser Boss sauer. „Rita war das wirklich nicht!", verteidige ich sie sofort. „Ach ja? Wer soll es denn sonst gewesen sein? Du hast ja nicht die Eier dafür.", entgegnet einer der Beamten. „Wenn schon, dann Eierstöcke, bitte. So viel Zeit muss schon sein.", schieße ich zurück. „Immer diese scheiß Feministen.", flüstert er. „Feminist:innen.", fügt Linn grinsend hinzu. „Dafür haben wir jetzt echt keine Zeit!", herrscht uns der Beamte an. Wir müssen hilflos dabei zu sehen, wie unser Boss abgeführt wird. „Lass mich doch los, Mann, ich kann alleine gehen, ich bin schließlich nicht gehbehindert!", brüllt sie wütend und versucht verzweifelt, sich aus dem Griff zu befreien, aber ohne Erfolg. „Amy, du übernimmst mit Linn gemeinsam die Bügelpresse!", ruft sie mir zu. Dann ist sie verschwunden. Gerade als ich mich Liam zuwenden will und ihm noch etwas sagen will, ist auch er verschwunden. „Wie hat sie das nur wieder herausgefunden?", frage ich verwirrt. „Ich will es gar nicht wissen, denn das bedeutet, dass jemand von uns Rita verraten hat. Die zweite Möglichkeit wäre, dass jemand unser Gespräch mitgehört und Rita verraten hat. Ich hoffe echt, dass es jemand anderes war.", entgegnet Linn. „Du weißt, dass ich mir eher die Hand abhacken würde, als jemanden zu verraten. Ich habe meine Lektion gelernt. Und Liam würde das auch nicht tun.", erwidere ich. Wir hören Rita aus den Isolationszellen brüllen. Die sind im Keller und normalerweise hört man nichts, aber unser Boss muss richtig laut rufen. Sie hasst enge und leere Räume. Für sie muss es also die Hölle sein, wie gerne würde ich sie da rausholen.
„Liam, hast du Rita auch aus dem Keller brüllen gehört?", frage ich nachdenklich, als ich bei meinem Freund in der Zelle Sitze. Er nickt und scheint ebenfalls in Gedanken versunken zu sein. „Ich würde so gerne wissen, wer sie verraten hat. Irgendjemand muss unser Gespräch belauscht und sie verraten haben.", überlege ich. „Schon.", bemerkt Liam knapp. „Sag mal, was ist denn eigentlich schon wieder los mit dir?", frage ich. Mein Exfreund zuckt mit den Schultern. „Irgendwas muss aber mit dir los sein, seit Rita weg ist, bist du total komisch. Beschäftigt dich das so sehr?", ergänze ich. „Ich weiß es nicht.", antwortet mein Exfreund kurz. „Bist du dir da wirklich sicher?", frage ich und Liam zuckt wieder mit den Schultern. „Ist das dein verdammter Ernst? Seit heute bist du wieder richtig komisch. Dass uns jemand anderes belauscht hat, glaube ich langsam nicht mehr, die Türen waren alle geschlossen. Also muss es jemand von uns gewesen sein, der Rita verraten hat. Linn war es nicht und ich war es auch nicht. Kann es sein, dass du sie verraten hast?", frage ich. Liam starrt auf den Boden. „Ich verspreche dir, dass ich es niemandem sagen werde.", ergänze ich und nehme seine Hand. Mein Exfreund schaut noch immer mit seinem leeren Blick auf den Boden. „Liam, du kannst du mir alles sagen. Ich werde für dich da sein, egal was passiert ist.", verspreche ich. „Du wird ist es wahrscheinlich gar nicht verstehen. Es ist wirklich eine total schwierige Situation.", beginnt er. „Sag schon, was ist passiert?", frage ich mehr als ungeduldig. „Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen kann.", druckst Liam herum. „Komm schon, du kannst es mir erzählen. Nicht im Kopf abreißen. Immerhin sind wir befreundet.", bestärke ich ihn. „Bist du dir sicher?", fragt Liam. Ich nicke und nehme ihn in den Arm. Danach beginnt mein Exfreund zu erzählen.
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True colors | LGBTQ
Fiksi Remaja»Erfahrung ist der Name, den wir unseren Fehlern geben.« Ich war nie so wie die anderen und ich wollte auch nie normal sein. Vielleicht waren Liam und ich deshalb füreinander geschaffen.