Was Liam wohl gerade denkt? Was macht er jetzt nur? Es macht mich so wahnsinnig, dass ich nicht mit ihm reden darf. Bis auf diese seltsame Anwandlung von ihm, in der wir nicht wirklich miteinander gesprochen haben, hatten wir nie Stress und wir haben immer miteinander geredet, außerdem wussten wir immer, was der oder die jeweils andere denkt. Jetzt weiß ich nicht, was er denkt und ich kann mir zwar schon vorstellen, wie es ihm geht, aber ich würde so gerne mit ihm reden. Liam ist mir so verdammt wichtig, ich mache mir Sorgen um ihn, aber leider darf ich ja nicht mit ihm sprechen. Trotz dem Verbot, mache ich mich auf den Weg zur Zelle meines Exfreundes. Plötzlich werde ich unsanft von hinten geschnappt und jemand zieht mich ein ganzes Stück an meinem Hoodie, bis wir nicht mehr in der Nähe von Liam's Zelle sind. „Was soll die Scheiße?", frage ich entrüstet und versuche, mich aus dem Griff der Person zu befreien. „Du denkst doch nicht ernsthaft, dass ich zulasse, wie du dich wieder mal in eine total blöde Situation bringst.", stellt Linn fest. „Oh mein Gott, Linn, du bist nicht meine Mum, außerdem bin ich alt genug und auch lange genug hier, um meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich würde gerne Liam besuchen und ich glaube nicht, dass du mich so schnell daran hindern wirst.", entgegne ich sauer. „Amy, ich weiß, dass du wütend bist, ich kann es sogar ein Stück weit verstehen, aber es gibt eben Regeln und Gesetze, an die du dich hier drinnen halten musst. Liam hat gegen diese Regeln verstoßen und dafür wird er bestraft. Ich weiß, es ist unfair und im Endeeffekt leidet nicht nur Liam darunter, sondern auch du. Ich weiß, wie du dich fühlst, denn ich bin nicht blind. Ich vermisse ihn auch, aber Rita's Worte sind eben ein ungeschriebenes Gesetz, daran muss sich jeder halten.", erklärt meine Mitgefangene. Eigentlich wollte ich nicht mehr schwach werden, aber offensichtlich bin ich zu emotional. „Liam und ich war nie wirklich getrennt, in den letzten Jahren haben wir keine Nacht getrennt voneinander geschlafen und es macht mich wahnsinnig, dass ich nicht weiß wie es ihm geht. Er ist die wichtigste Person in meinem Leben. Wenn ihm etwas passieren würde, weiß ich nicht, was ich dann tun würde. Mein Leben hätte keinen Sinn mehr.", flüstere ich und lasse mich in ihre Arme fallen. „Das weiß ich, aber momentan geht das eben nicht.", entgegnet Linn und umarmt mich.
Auch in den nächsten Tagen habe ich nicht die Chance, mit meinem Exfreund zu reden. Liam bunkert sich weiterhin in seiner Zelle ein und ich kann nichts tun, um ihm zu helfen. Rita und Linn beobachten mich, sie wollen sichergehen, dass ich nicht mit ihm spreche. Natürlich weiß ich, dass ich nicht mit ihm reden darf, aber ich vermisse ihn so sehr. Als wir uns auf den Weg zum Abendessen machen, bemerke ich, wie Liam sich auf den Weg zu den Duschen macht. „Denk nicht einmal daran. Du wirst dich garantiert nicht vom Abendessen absetzen und mit Liam reden. So leid es mir tut, das geht gar nicht, Amy. Du wirst dich nicht über meine Regeln hinweg setzen. Du denkst vielleicht, dass ich ein Monster bin, aber wenn ich nicht auf die strenge Einhaltung meiner Regeln acht, tanzen mir hier alle auf der Nase herum. Nur so kann ich Jules und ihre Gang beispielsweise unter Kontrolle halten. Du möchtest doch auch nicht, dass Jules sich an dich heran macht, das kann ich zum Beispiel verhindern, indem ich streng auf die Einhaltung meine Regeln achte. Ich bin kein Monster, das verspreche ich dir. Manchmal fällt es mir auch besonders schwer, meine Regeln durchzusetzen. Ich habe keine andere Wahl, Amy.", erklärt mir unser Boss leise auf dem Weg in den Speisesaal. Irgendwie kann ich Rita schon verstehen, aber der Schmerz, Liam nicht sehen zu können, sitzt eindeutig zu tief. Ich habe keinen Appetit, aber Linn zwingt mich, etwas zu essen. „Ich kann nicht.", entgegne ich genervt. „Du musst aber etwas essen, sonst wirst du irgendwann einfach tot umfallen, weil du verhungert bist.", schießt Linn zurück. „Du musst wirklich etwas essen, du siehst schon ziemlich krank aus.", ergänzt unser Boss. Genervt esse ich ein paar Bissen, aber so wirklich überzeugt bin ich nicht und viel bekomme ich auch nicht runter.
„Hast du eigentlich auch schon bemerkt, dass Linda in letzter Zeit dauernd am Grinsen ist? Vielleicht hat sie einen neuen Freund.", überlegt Linn und schaut mich fragend an. Ich zucke nur mit den Schultern. Irgendwas fühlt sich komisch an, ich kann mich nicht wirklich entspannen und vermutlich hat es mit Liam zu tun. Als ich mich auf den Weg zu den Duschen mache, höre ich jemanden schreien. Sofort renne ich in die Richtung, aus der die Schreie kommen. Jules beugt sich über meinen Exfreund und schlägt in sein Gesicht. Einmal, zweimal, dreimal. Ich kann es nicht fassen. „Bist du komplett bescheuert? Hör sofort damit auf!", brülle ich meine Mitgefangene an und mische mich in das Gemenge ein. Jules lässt tatsächlich ihre Pfoten von meinem Exfreund, aber schon im nächsten Moment werde ich von Linn zurückgeholt. „Amy, das ist nicht gut für euch beide. Ich weiß ganz genau, dass du Liam mir helfen willst, aber wenn du so etwas machst, wie gerade, dann hilfst du ihm nicht. Du wirst euch beide eher in eine schreckliche Situation bringen. Wenn Rita euch jetzt erwischt hätte, würde das alles noch ganz anders ablaufen. Eigentlich müsste ich euch jetzt bestrafen, aber ihr kommt noch einmal mit einem blauen Auge davon.", flüstert Linn panisch. Augenblicklich breche ich zusammen. Das war einfach alles zu viel. Ich bin wohl nicht besonders belastbar und das ganze muss ich jetzt irgendwie rauslassen. „Ich wollte das nicht, wirklich nicht. Linn, für jeden anderen hätte ich das gleiche getan. Manchmal habe ich mich eben nicht unter Kontrolle, das weißt du. Ungerechtigkeiten kann ich nicht leiden und deswegen musste ich mich einmischen.", erkläre ich. „Das weiß ich, aber du musst einfach lernen, dich unter Kontrolle zu haben. Es bringt niemandem etwas, wenn du ständig ausrastest. Dass es jetzt ausgerechnet Liam war, der verprügelt wurde, ist wohl wirklich ein Zufall, aber Rita würde dich sowas von bestrafen. Ich kann zwar verstehen, dass du ihn auch in einer solchen Situation beschützen möchtest, aber er hat sein Schicksal gewählt, als er unseren Boss verraten hat. Das war nicht cool und er hat seine Strafe verdient, mehr kann ich nicht dazu sagen.", entgegnet Linn mit einem traurigen Blick in den Augen. Ich kenne diesen Blick, sie würde mich niemals anlügen. Linn ist mittlerweile eine meiner wichtigsten Bezugspersonen geworden. Auch ich würde sie niemals wieder belügen, also muss ich ihr wohl die Wahrheit sagen. Dass ich die Stimme von Liam erkannt habe, dass ich ein schlechtes Gefühl hatte, die ganze Zeit über, dass ich einfach nur nachschauen wollte, dass er nicht mehr dort ist und dass es ihm gut geht. Selbstverständlich ist sie sehr bestürzt, aber sie wird mich beschützen, weil auch ich ihr wichtig geworden bin. „Wenn Rita davon erfährt, sind wir tot.", ergänzt meine Mitgefangene leise und ich nicke. Unser Boss darf niemals davon erfahren.
Ein paar Tage später, es muss ungefähr eine Woche her sein, seit ich Linn mein Herz ausgeschüttet habe, spricht mich mein Exfreund an. „Danke, dass du das für mich getan hast. Ohne deine Hilfe wäre ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Jules ist ganz schön brutal und ihre Gang ist es auch. Sie hätten mich vermutlich am liebsten umgebracht.", flüstert er leise. „Jules ist einfach nur eine blöde Kuh. Ich bin so froh, dass du um Hilfe gerufen hast. Sonst hätte dich wahrscheinlich niemand gehört und du wärst auf der Krankenstation gelandet, oder sogar schlimmeres.", erwidere ich, ebenfalls leise. „Wer hat dich denn eigentlich von mir weg geholt? Rita war es nicht, oder? Sie hätte dich bestimmt bestraft.", bemerkt mein Exfreund. „Eigentlich ist unser Boss nicht so, das Problem ist nur, dass sie jeglichen Respekt verlieren würde, hätte sie dich nicht bestraft.", entgegne ich sofort, um Rita zu verteidigen. Liam hat mit unserem Boss allerdings ein neues Feindbild. „Sie hätte so tun können, als hätte sie mich bestraft. Aber nein, sie hat es wirklich getan und das nehme ich ihr schon ein bisschen übel. Rita hat die Wahl gehabt und sie hat sich gegen mich entschieden.", erwidert er sauer. „Habe ich mich nicht klar ausgedrückt? Liam ist vogelfrei und du solltest es lieber nicht riskieren, dass ich dich auch bestrafe. Ihr dürft keinen Kontakt haben, unter gar keinen Umständen.", herrscht mich Rita an, ich weiß nicht, wie viel sie von unserem Gespräch wirklich mitbekommen hat. Hoffentlich war es nicht besonders viel, denn dann wäre sie wahrscheinlich noch wütender auf meinen Exfreund. Unser Boss packt mich an meiner Kapuze und schleift mich ein ganzes Stück, dann hält sie mir eine Standpauke, die sich gewaschen hat. „Du weißt doch ganz genau, dass du mit ihm nicht reden darfst. Es fällt dir natürlich schwer, das weiß ich, gerade weil ihr euch gerade wieder vertragen habt, aber Regeln sind Regeln und daran musst auch du dich halten.", flüstert Rita und schaut mich fordernd an. „Aber du musst es doch einmal logisch sehen. Liam wollte das nicht tun, er hat das nur getan, damit er nicht wieder abhängig wird. Die Schuld trägt eindeutig Miss Ducat. Natürlich ist er sauer, dass du ihn jetzt bestraft hast und ich finde es auch nicht unbedingt richtig.", versuche ich unserem Boss ins Gewissen zu reden, aber Rita stellt sich einfach nur stur. Ich versuche noch eine ganze Weile, sie zur Vernunft zu bringen, aber sie möchte einfach nicht, sie stellt sich stur und beobachtet mich, bis ich kurz vorm ausrasten bin.
DU LIEST GERADE
True colors | LGBTQ
Ficção Adolescente»Erfahrung ist der Name, den wir unseren Fehlern geben.« Ich war nie so wie die anderen und ich wollte auch nie normal sein. Vielleicht waren Liam und ich deshalb füreinander geschaffen.