Eigentlich hatte ich gedacht, dass Liam die ganze Sache gut weggesteckt hat. Er wirkte ganz normal, zumindest bis heute Morgen. Mein Freund ist nicht beim Frühstück aufgetaucht. Das hat mich nicht wirklich gewundert, das kommt öfter vor, wenn er länger schlafen will. Da wir in verschiedenen Arbeitsgruppen eingeteilt sind, kann ich nicht sagen, ob dort etwas passiert ist. Nach der Arbeit schleicht er an mir vorbei und verschwindet ganz schnell in seiner Zelle. „Schatz, was ist los mit dir? Du bist heute total komisch. Ist etwas passiert?", frage ich. „Alles super.", entgegnet Liam und grinst mich an. Ich bin mehr als verwirrt, denn mein Freund hat in den letzten Wochen kaum gelacht. Gerade nach der Sache mit der Fledermaus, hatte ich eigentlich gedacht, dass er nicht unbedingt so schnell wieder lachen würde. „Baby, mach dir keine Sorgen. Ich liebe dich so sehr.", flüstert mein Freund und zieht mich aus. Mir kommt das Ganze etwas seltsam vor, aber ich genieße den Moment. Als ich versehentlich seine Brüste berühre, zucke ich zusammen. Normalerweise ist das ein riesiges Problem, aber er nimmt es ganz gelassen. Als wir nebeneinander liegen, zittern meine Beine. „Wow, das war gigantisch.", flüstere ich und mein Freund lächelt. „Ist das so selten?", fragt er. „Naja, ich dachte, dass du jetzt erst mal keine Lust auf Körperkontakt hast.", antworte ich zögerlich. „Quatsch, du bist doch mein Mädchen. Ich liebe dich über alles.", antwortet Liam und küsst mich. „Ich liebe dich auch.", antworte ich und versuche, alles zu vergessen, was in den letzten Wochen passiert ist. In dieser Nacht schlafen wir beide sehr schnell ein und zum ersten Mal kann ich auch den Umständen entsprechend gut schlafen. Am nächsten Morgen kuscheln wir noch eine Weile und gehen gemeinsam zum Frühstück. Rita beobachtet Liam etwas nachdenklich, Linn freut sich für uns, dass es meinem Freund jetzt besser zu gehen scheint.
Der Zustand von Liam hält ein paar Tage an, aber plötzlich zieht sich mein Freund wieder komplett zurück. Zwei Tage später erwische ich ihn, wie er mit Tammy tuschelt. Sie dealt, obwohl Rita es verboten hat. „Was wollte diese Tammy von dir? Du weißt doch, dass sie Drogen verkauft. Alleine schon mit ihr zu reden, ist total gefährlich.", erkläre ich angespannt. Mein Freund zuckt mit den Schultern und will weitergehen. Ich packe ihn am Arm. „Du hast doch keine Drogen von ihr gekauft, oder?", frage ich panisch, weil ich ganz genau weiß, was Rita dann mit ihm machen wird. „Quatsch, Rita würde mich doch sonst umbringen.", antwortet er. „Merk dir das bitte. Ich habe keine Lust, dass du wegen so einer dummen Aktion in Schwierigkeiten kommst.", bemerke ich. „Amy, du musst dir keine Sorgen machen. Du übertreibst immer so extrem.", entgegnet Liam genervt. Mein Freund lässt mich ratlos zurück. Ein paar Tage später durchsuche ich seine Zelle. Natürlich weiß ich, dass das nicht richtig ist, aber ich weiß einfach nicht mehr weiter. Liam ist nicht besonders gut darin, Dinge zu verstecken oder zu verheimlichen, das war er noch nie und so mache ich schon bald einen erschreckenden Fund. Ich finde Valium und Heroin. Mit den Drogen kenne ich mich nicht richtig aus, aber ich weiß, dass sie ziemlich stark sind. Ohne nachzudenken, schütte ich das Zeug weg. Meine Gedanken kreisen nur darum, was Rita mit Liam macht, wenn sie erfährt, dass er Drogen gekauft und genommen hat. Danach fühle ich mich etwas besser, aber ich bin noch immer geschockt, dass mein Freund so etwas getan hat. Natürlich verstehe ich, dass er auf seine Art und Weise mit dem Vorfall mit der Fledermaus umgehen muss, aber warum konnte er nicht einfach mit mir reden?
Ich weiß echt nicht, wie ich damit umgehen soll, ob ich mit ihm reden soll oder ob ich ihn einfach in Ruhe lassen soll. Auch Linn fällt auf, dass mit meinem Freund etwas nicht stimmt. Als sie mich fragt, was los ist, breche ich weinend zusammen. „Es ist bestimmt wegen der Fledermaus. Liam ist total traumatisiert und deswegen nimmt er diese blöden Drogen!", rufe ich aufgebracht. Linn hält mir sofort den Mund zu und zieht mich in ihre Zelle. „Bist du komplett verrückt geworden? Wenn du so laut durch die Gegend brüllst, kannst du es Rita auch direkt erzählen. Du bist so ein naives, kleines Mädchen.", zischt sie ängstlich und auch ein bisschen wütend. „Aber wir müssen mit ihr reden.", entgegne ich, als ich mich endlich aus ihrem Griff befreit habe. „Nein, das müssen wir nicht. Oder willst du etwa, dass sie Liam bestraft?", fragt Linn. Sie ist aber auch der Meinung, dass wir mit Liam reden müssen. Er scheint uns aber gar nicht richtig wahrzunehmen. „Liam, jetzt mal ernsthaft. Wenn Rita herausfindet, was du machst, wird sie dich nicht mehr beschützen. Du weißt schon, was dann passiert?", fragt Linn und ich sehe ganz genau die Angst in ihren Augen. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich allerdings noch nicht, woher diese Angst kommt. Aber ich soll es wohl sehr bald erfahren. Mein Freund zuckt nur teilnahmslos mit den Schultern und läuft sofort wieder weg. „Er hat sich aufgegeben. Durch die Sache mit der Fledermaus sieht er einfach keinen Sinn mehr im Leben. Wahrscheinlich macht es für ihn mehr Sinn, Drogen zu nehmen, als sich mit seinen wirklichen Problemen auseinander zu setzen.", flüstere ich betreten und Linn nickt zustimmend. Wir sitzen eine Weile nebeneinander und schweigen uns an. Ein paar Mal habe ich das Gefühl, dass Linn etwas sagen will und ein paar Mal will ich etwas sagen, aber keiner von uns beiden traut sich.
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True colors | LGBTQ
Fiksi Remaja»Erfahrung ist der Name, den wir unseren Fehlern geben.« Ich war nie so wie die anderen und ich wollte auch nie normal sein. Vielleicht waren Liam und ich deshalb füreinander geschaffen.