„Hey ...", begrüßte mich Sven, ich hatte die Tür grade geöffnet.
„Hast du vor der Tür auf mich gelauert?", brummte ich. Denn kaum, dass ich ihn erblickt hatte, kam die Wut zurück. Dass ich dort hin musste, war seine beschissene Idee. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es ein verdammt langes und anstrengendes Praktikum werden würde. Dass es jetzt schon komisch war zwischen mir und Phil, und dass sich daran so bald nichts ändern würde.Nach unserem vorlauten Schlagabtausch hatte er mich ja förmlich vor die Tür gesetzt. Grade, dass er mir nicht einen Arschtritt verpasst hatte, damit ich schneller lief. Es kotzte mich an, und das war das Schlimmste an der ganzen Sache! Es sollte mir verdammt nochmal egal sein, aber das war es nicht.
„Ein bisschen", gab er zu und schob die Hände in die Taschen seiner Anzughose. Er schien noch nicht lange daheim zu sein, sonst hätte er sich längst seines Anzuges entledigt. So hatte er lediglich das Jackett abgelegt und sich die Ärmel hochgekrempelt.
„Hast du Hunger? Ich hab uns Pizza mitgebracht", sprach er nach einer Weile weiter, in dem ich still meinen Blick über seinen Körper gleiten ließ. Auch wenn er mich etwas verkniffen anlächelte, wirkten seine sonst strahlend blauen Augen müde und sein Gesicht blass. Er machte sich Sorgen. Viel zu viele Sorgen. Meinetwegen.
„Leon, bitte!", seufzte er und fuhr sich mit der rechten Hand durch die perfekt frisierten blonden Haare. „Findest du nicht, wir haben uns die letzten Tage genug angeschwiegen? Du weißt, ich hasse das! Ich will keinen Streit mit dir. Nicht schon wieder ..."
Ganz automatisch sanken meine Schultern nach unten. Ich wollte das auch nicht! Ich hasste es, zu streiten. Besonders mit ihm. Es passierte einfach.
„Klar", sagte ich und schlürfte an ihm vorbei. „Gib mir fünf Minuten." Also kickte ich die Schuhe von den Füßen und ging ins Bad, um mir Hände und Gesicht zu waschen. Vielleicht würde etwas kaltes Wasser für Energie sorgen. Hoffen durfte man doch noch.
In der Küche hörte ich Geschirr klappern. Also holte ich tief Luft, lehnte meine Stirn kurz an die kalte Scheibe des Spiegels vor mir und schloss die Augen. Eine Minute für mich. Eine Minute, um mir einzureden, ruhig zu bleiben. Meine Wut nicht schon wieder an ihm auszulassen. Er war mir wichtig. Seine Gefühle waren es und ich wollte ihn nicht immer wieder aufs Neue verletzten. Nicht, nach all dem, was er bisher für mich getan hatte und was er wohl noch alles tun würde.
Also öffnete ich wieder die Augen, sah mich selbst an und setzte ein Lächeln auf. Na, super ... es sah beschissen aus. Kostete zu viel Anstrengung und zu guter Letzt würde er es mir sowieso nicht abkaufen. Augenblicklich fielen meine Mundwinkel nach unten und ich rollte mit den Augen.
Gott, war ich ein Versager! Nichts, absolut nichts bekam ich auf die Reihe. Für ihn wäre es wohl wirklich das Beste, mich einfach auf die Straße zu setzten.
Als ich die Küche mit dem Essplatz betrat, war der Tisch gedeckt und Sven hatte sich umgezogen. Nun in verwaschenen Jogginghosen, T-Shirt und barfuß sah er viel jünger aus, als seine dreiunddreißig es vermuten ließen.
„Wie war dein Tag?", wollte er wissen, als ich am Tisch Platz genommen hatte. Öffnete die Cola und schenkte mir ungefragt ein, dann setzte er sich mir gegenüber. ‚Beschissen' lag mir auf der Zunge, doch ich nahm ein Schluck des Getränks und spülte es damit hinunter.
„Ging so", milderte ich meine Antwort ab und griff nach einem Stück der Pizza. Ich hatte seit dem Frühstück, das lediglich aus einer Scheibe Toast bestand, den ganzen Tag nichts mehr gegessen und war inzwischen am Verhungern.
„Wie war es im Büro?", fragte ich zurück, weniger aus Interesse, als aus der Hoffnung, keine unliebsamen Fragen bezüglich der Klinik beantworten zu müssen. Denn darauf hatte seine Frage wohl abgezielt.
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Unter Verrückten
RomanceJetzt hatte ich schon wieder alles verbockt! Mal wieder, aber dieses Mal so richtig! Ein Wunder, dass mir Sven dafür nicht den Kopf abgerissen hatte ... stattdessen drückte er mir diese bescheuerte Visitenkarte auf. "Privatklinik Schloss bei den Buc...