8. Phil - Stöckchen fangen

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Seit Stunden begleitete Leon mich von Sitzung zu Sitzung. Sprach kein Wort und war lediglich körperlich anwesend. Die einzige Reaktion, die zeigte, dass er am Leben war, bestand darin, dass er hin und wieder Dante kraulte.

Mein Hübscher hatte Leon heute Morgen freudestrahlend empfangen und wich seit dem nicht von seiner Seite. Langsam bekam ich echt Komplexe. Würde das Haus brennen, würde Dante mit großer Sicherheit Leon retten statt mich.

Gott, meine Stimmung heute war echt am Boden. Wenn ich nicht ausreichend Schlaf bekam, war ich zweifelsohne nur ein halber Mensch. Und die Nacht war echt bescheiden gewesen.

Zuerst konnte ich nicht einschlafen und als ich dann endlich weg gedämmert war, wurde ich von wirren Albträumen heimgesucht. Keine gute Kombi, um fit in den Tag zu starten. Selbst, nach dem ich eine große Runde mit Dante laufen war, fühlte ich mich nicht besser.

Außerdem interessierte es mich brennend, warum er mich mit Nichtachtung straffte. Klar, das gestern war suboptimal, aber kein Drama solchen Ausmaßes, dass er mich mit seinen seltenen Blicken erdolchte. Gestern hatte ich lediglich das Gefühl, dass er nicht hier sein wollte, heute fühlte es sich an, als gälte sein Groll mir. Vielleicht wäre es besser zu reden, bevor das zwischen uns noch größere Ausmaße annahm. Der Monat hatte gerade erst begonnen und würde auch ohne Grabesstille und tödlichen Blickduellen lang genug dauern.

„Ich mache jetzt Mittag und geh mit Dante spazieren. Möchtest du uns begleiten?", fragte ich, ohne groß zu überlegen, und lächelte ihm aufmunternd zu. Kurz verzog er seine Lippen zu einem Strich und ich meinte, bereits die Antwort zu kennen, doch dann senkte er den Blick und überraschte mich, in dem er 'ok' sagte. Nicht mehr und nicht weniger. Aber ich beließ es dabei. Vielleicht würde er ja gesprächiger werden, wenn wir uns außerhalb der hiesigen Mauern befanden. So standen wir kurze Zeit später vor dem Tor.

„Hier!", rief ich ihm zu und warf ihm die Leine entgegen. „Wie mir scheint, seid ihr jetzt sowieso die besten Freunde!", fügte ich an und zwinkerte ihm zu. Darauf bekam ich nur einen nichtssagenden Blick.

Hmm ... vielleicht würde es ja auch außerhalb der Klinik nicht besser laufen. Aber noch gab ich nicht auf.

„Du wegen gestern ...", fing ich nach einer Weile an, in der wir nebeneinander hergelaufen waren. „Spar es dir!", fiel er mir fauchend ins Wort und ich fragte mich, was der Auslöser für seine Wut war. „Hmmm ...", seufzte ich und wir gingen schweigend weiter. 

„Da drüben geht ein Pfad in den Wald. Dante liebt diesen Weg", erklärter ich und deutete dabei ein Stück weiter. Wortlos blickte er sich auf der Straße um und überquerte sie. Ich folgte den beiden etwas in Gedanken versunken.

„Magst du mir erzählen, was dich so wütend macht?", wagte ich einen neuen Versuch. Abrupt blieb er stehen und wandte sich mir zu, ich wäre fast in ihn gelaufen.

Seine Maske der Ausdruckslosigkeit war gefallen und er blickte mir wutentbrannt entgegen. 

„Also ist es wahr!", seine Stimme bebte bei seinen Worten. 
„Was ist wahr?", wollte ich wissen, weil ich unserer minimalistischen Unterhaltung nicht folgen konnte. 
„Ich bin kein Patient!", knurrte er mich an. „Ganz egal, was dein toller Bruder und Sven für beschissene Pläne ausgetüftelt haben!" 

Überrascht blinzelte ich ihm entgegen. „Bitte was?" 
„Ach, tu nicht so. Du steckst doch auch mit den beiden unter der Decke!"

Irritiert ließ ich meinen Blick über seinen Körper gleiten. Seine ganz Haltung spiegelte Ablehnung und Wut. Die Fäuste geballt, die Lippen zusammen gepresst und die Augen dunkel sprühend. Ein falsches Wort und er würde mir an die Gurgel springen, da war ich mir sicher. Auch Dante schien die Spannung zwischen uns zu spüren, denn er setzte sich zu Leons Füßen und stupste mit seiner Nase gegen seine geballte Faust.

Unter VerrücktenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt