4. Kapitel

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Nathan

Mein Plan geht nicht sonderlich gut auf. Ich versuche seit einer Woche sie zum Reden zu bringen, aber es nutzt nichts. Ich finde einfach keinen Zugang zu ihr. Ihren betrunkenen traurigen Anruf zähle ich nicht. Mir ist bei ihren Schluchzern tausend Mal das Herz gebrochen. Vorsichtshalber habe ich allen meine Freunden die Wahrheit erzählt. So, wie die Fakten sind. Nur falls Ria mit ihnen reden sollte. Da denke ich weniger an Matt, sondern an Ella.

Und jetzt leite ich die zweite Phase ein. Ich konfrontiere sie einfach mit meiner Anwesenheit. Mit entschlossenen Schritten gehe ich die letzten Meter bis zur Haustür. Es ist Montagnachmittag, das heißt sie müsste da sein. Als sich die Tür summend öffnet, kann ich mein Glück kaum fassen. Viel zu eilig renne ich die Treppen in den ersten Stock hoch. Dabei fällt mir beinahe die Tüte mit ihrem Kleid aus der Hand. Mein Herz pocht vor voller Freude schneller in meiner Brust.

Die Freude wird jäh gestoppt, als ich sehe, wer da in der Wohnungstür steht und auf mich wartet. Jenny starrt mir mürrisch entgegen. „Hi.", sage ich freundlich. „Was willst du hier?", fragt sie sofort. Ich mache einen langen Hals und versuche in die Wohnung zu spähen. „Sie ist nicht da.", sagt sie. Ich bin mir nicht sicher, ob sie die Wahrheit sagt oder mich einfach abwimmelt. „Bitte Jenny, ich muss mit ihr reden." Ich versuche sie so flehend an zu sehen, wie ich nur kann. Sie seufzt auf. Habe ich sie umgestimmt?

„Nathan tut mir leid, aber sie ist wirklich nicht da.", sagt sie. Enttäuschung macht sich in mir breit. „Wirklich?", frage ich nach. „Wirklich." Mir blickt nur Ehrlichkeit aus ihren Augen entgegen. „Scheiße." Ich fahre mir durch die Haare. „Kann ich trotzdem reinkommen?", frage ich hoffnungsvoll. Sie zuckt mit den Schultern und geht in die Wohnung. Die Tür bleibt offen. Ich interpretiere das als Einladung. Die Tüte mit ihrem Kleid will ich in Rias Zimmer bringen. „Hey, wo willst du hin?", pfeift mich Jenny zurück.

Ich deute auf die Tüte. „Ich will ihr Kleid nur in ihr Zimmer bringen.", sage ich. Sie schüttelt mit dem Kopf. „Lege sie einfach im Flur ab.", sagt sie. Vermutlich bringt Ria sie um, wenn sie mich in Rias Zimmer lässt. Ich seufze auf und lege die Tüte auf den Boden. Ich folge Jenny in ihr Zimmer. Es sieht genauso aus, wie ich es von einer Kunststudentin erwartet habe. An den Wänden hängen Poster, Plakate, Bilder und Collagen, auf dem Boden liegen ganz viele Fotos verstreut. Generell ist es sehr unordentlich.

Jenny sitzt auf dem Boden und legt gerade ihr Handy weg. Vor ihr liegt ein großes Plakat, worauf sie Fotos klebt. „Ein Projekt von dir?", frage ich. Interesse an Kunst habe ich eher weniger, ich frage aus Höflichkeit. „Ja.", sagt sie knapp. Sie geht konzentriert ein Stapel Fotos durch. Da sie mir keinen Sitzplatz anbietet, lasse ich mich ebenfalls auf den Boden fallen. „Also, was willst du hier?", fragt sie nach einer kurzen Stille. Ich lache kurz unsicher auf. „Eigentlich wollte ich mit Ria reden.", sage ich. Das, was ich schon seit einer Woche machen will.

Sie hebt eine Augenbraue. „Ich finde keinen Zugang zu ihr.", gestehe ich. Sie verzieht spöttisch ihren Mund. „Und du glaubst, ich werde dir dabei helfen? Ausgerechnet ich?", fragt sie. Eine kleine Hoffnung habe ich schon. Wenn ich Jenny irgendwie überzeugen kann mir zu glauben, dann hat das bestimmt Einfluss auf Ria. „Jenny, hör zu, ich wollte Ria nie weh tun. Das sind alles..." „Aber sicher." Jenny schnaubt auf. Auch sie lässt mich nicht ausreden. Es ist frustrierend. Ich fahre mir über das Gesicht. „Ria hat Fakten aneinandergehängt, aber die Zusammenhänge stimmen nicht. Ich habe sie nicht für eine Wette ausgenutzt. Und ich wollte mich auch nicht an ihrem Vater rächen. Ich will nur mit ihr zusammen sein.", sage ich.

Jenny schaut überrascht auf und kneift dann die Augen zusammen. „Ach ja? Seit wann?", fragt sie schnippisch. Sie ist zwar nicht besonders freundlich, aber sie schmeißt mich auch nicht aus der Wohnung. Und ich kann nur mit Ehrlichkeit punkten. Ich muss ehrlich zu ihr, zu Ria aber vor allem auch zu mir sein. „Ich glaube schon eine ganze Weile.", sage ich und reibe mir über die Brust. Wann war das erste Mal, als ich mehr für sie empfand? Ich glaube das war noch vor den Qualifies. Das ist sechs Wochen her.

Inmitten... Teil 3 - Nathan & RiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt