Nathan
„Und jetzt noch mal ein letztes Mal. Arm anheben, nach hinten, runter und ran. Sehr schön." Mit großer Mühe folge ich den Anweisungen meiner Therapeutin. Ich wünschte ich wäre auch so euphorisch wie sie. Die Wahrheit ist aber: ich werde nur mit großem Glück an den Finals teilnehmen können. Es wird dauern, bis ich wieder bei 100 Prozent bin. Leider.
„Ziehen sie nicht so eine finsterer Miene. Sie werden sehen, am Donnerstag werden ihnen die Übungen schon leichter fallen." Sie geht an ihren Schreibtisch und notiert sich etwas in meiner Akte. „Sie können sich übrigens auch wieder anziehen." Während ich auch dieser Anweisung folge, bin ich froh, dass meine Therapeutin offenbar immun gegen mein Aussehen und mein Bekanntheitsgrad ist. Im Gegenteil zu einem großen Teil des Personals in der Praxis hier.
Wie aufs Stichwort klopft es an der Tür. Eine junge Auszubildene betritt mit einigen Handtüchern den Raum. „Entschuldigung, ich wollte nur die Handtücher auffüllen.", sagt sie und geht gezielt auf den Schrank an der Wand zu. Dabei sieht sie mich gierig an. Ich beeile mich mein Shirt überzuziehen. Denn so fühle ich mich wie ein rohes Stück Fleisch vor einem Wildtier. Vor ein paar Monaten wäre ich noch auf einen Flirt eingegangen. Jetzt sehe ich nur Ria vor mir.
Meine Therapeutin wartet, bis die junge Frau das Zimmer verlassen hat. „Der Artikel heute Morgen in der Zeitung lässt sie sehr gut dastehen. Sie dürfen es ihr nicht übel nehmen." Schon wieder ein Artikel? Hat diese lästige Journalistin nicht verstanden, dass ich in Ruhe gelassen werden will? Sie steht auf und reicht mir einige Papiere. „Diesen hier bitte an der Rezeption abgeben. Der Rest ist für ihre Unterlagen.", sagt sie freundlich. Ich bedanke mich und verabschiede mich recht zügig. Ich habe heute noch einiges vor.
Nachdem ich ein paar Erledigungen im Supermarkt gemacht habe, ziele ich die Wache an. Das erste Mal, seitdem ich aus dem Krankenhaus raus bin. Ich kann meine Kammeraden auf den Hof sehen, wie sie eine Übung machen. Ich bleibe auf der anderen Straßenseite stehen und sehe ihnen einen Moment lang dabei zu. Zum einen empfinde ich Stolz, weil sie noch besser geworden sind seit dem letzten Mal, und zum anderen Frustration. Meine Mannschaft ist gut, aber ich werde den Unterschied ausmachen. Und dabei will ich gar nicht großspurig und selbstverliebt sein. Es ist nun mal die Wahrheit. Ohne mich können wir eine gute Platzierung vergessen.
Sie bemerken mich gar nicht, als ich den Hof betrete, weil sie so vertieft sind. Als sie fertig sind, schauen sie alle gebannt auf Mick, der die Stoppuhr in der Hand hält. „Knapp unter vier Minuten." „Gar nicht mal so schlecht.", sage ich. Alle drehen sich zu mir um, und als sie merken, wer da vor ihnen steht, ist die Freude größer als an Weihnachten. Mick klopft mir auf den Rücken. „Schön dich zu sehen Nathan. Bleibst du bis zum Mittagessen?", fragt er.
„Kommt darauf an, hat Jack heute Küchendienst?", frage ich zurück. Jacks Kochkünste sind...bescheiden. Die Mannschaft fängt an zu lachen. „Was ist denn hier los?", donnert es von der Eingangstür. Der Chief, wie er leibt und lebt. Als einige Kammeraden zur Seite treten, kann er einen Blick auf mich werfen. „Jonathan.", sagt er erfreut und zugleich überrascht. Ich nicke ihm zu. Das, was wir uns am Sonntag gegenseitig an den Kopf geworfen haben, habe ich nicht vergessen.
Der Chief zieht sich seine Weste aus. „Na los, Männer. Noch eine Runde, dann essen wir zu Mittag." Ich kann meinen Augen kaum glauben, als er sich mitten unter die Mannschaft mischt und eine aktive Rolle in der Schnelligkeitsübung einnimmt. Mick stoppt wieder die Zeit. „Was ist hier los?", frage ich ihn verwundert. Mick grinst schief. „Seit Steve und du außer Gefecht seid, bringt er sich mehr ein." Ich schüttele ungläubig den Kopf. Das gibt es nicht.
Entweder meine Kammeraden haben unglaubliche Angst vor dem Chief oder meine Anwesenheit motiviert sie zusätzlich, denn in der nächsten Übung sind sie noch einen Ticken schneller als vorher. Gut gelaunt und ziemlich hungrig verzerren wir das vorbereitete Essen. Ich genieße es nach so lange Zeit wieder auf der Wache zu sein. Und die Mannschaft vermittelt mir das Gefühl, hier wirklich zu fehlen. Selbst Meixner scheint mir heute freundlich gesinnt zu sein.
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Inmitten... Teil 3 - Nathan & Ria
RomanceNathan hat Ria das Herz gebrochen und versucht mit allen Mitteln ihre Liebe zurück zu gewinnen. Ria dagegen will nichts mehr von seinen Lügen hören. Hinzu kommt der Prozessauftakt zu dem Überfall auf Ria. Dabei sieht sie ihren Ex-Freund wieder und h...