22. Kapitel

37 5 0
                                    

Nathan

Es sind genau 43 Tropfen Wasser in einer Minute, die von der Regenrinne in eine Pfütze tropfen. Der Regen hat größtenteils aufgehört und der Sturm hat auch nachgelassen. Aber ich finde trotzdem keinen Schlaf. In der Ferne höre ich wieder ein Martinshorn. Ich will mir gar nicht vorstellen wie viele Keller meine Kammeraden heute Nacht auspumpen. Ria neben mir hat sich noch kein einziges Mal bewegt, seit sie sich hingelegt hat. Ich glaube, sie kann auch nicht schlafen.

Immer wenn ich meine Augen schließe, sehe ich ihren verletzen Gesichtsausdruck vor mir. Ich wusste es. Irgendwann werde ich sie unglücklich machen. Das war vorprogrammiert. Aber ich sehe gerade keine andere Möglichkeit. Wir können nicht einfach so weiter machen, wie bisher. Wir brauchen Zeit. Jeder für sich. Verdammt, wenn ich das doch nur glauben könnte. Es fühlt sich nicht richtig an. Überhaupt nicht. Aber mir fehlen die Alternativen.

Irgendwann muss ich doch kurz eingenickt sein, denn ich wache auf, als ich einen Berührung an meiner Hand wahrnehme. Ria hat sich zu mir umgedreht und ihre Hand hat unbewusst nach meiner gegriffen. Jetzt wage ich es überhaupt nicht mehr mich zu bewegen aus Angst, sie könnte dadurch wach werden. Sie sieht wunderschön aus, wenn sie schläft. Ihre Haare fallen ihr leicht ins Gesicht, sie sieht vollkommen entspannt aus. Ich schaue kurz auf die Digitalanzeige meiner Uhr. Noch zwei Stunden bis der Wecker geht.

Nach einer weiteren Stunde beschließe ich früher aufzustehen und zur Wache zu gehen. Meine Kammeraden werden die Unterstützung zu schätzen wissen. Ganz langsam löse ich meine Hand aus Rias und versuche das Bett so langsam wie möglich zu verlassen. Nach einem Kaffee und einer Dusche fühle ich mich nicht besser. Zu dem Schmerz in meiner Brust kommt jetzt auch noch die Übermüdung dazu. Keine gute Voraussetzung für den Dienst. Bevor ich gehe, schaue ich noch mal in mein Zimmer rein. Ria schläft immer noch. Ich drücke ihr einen Kuss aufs Haar. Sie murmelt etwas vor sich her. Dann gehe ich wieder leise aus dem Zimmer und schließe die Tür hinter mir.

Der Sturm hat ein wenig Abkühlung gebracht, aber heute Nachmittag herrscht bestimmt wieder Hitze. Auf der Wache ziehe ich mich schnell um und helfe dann Schläuche auszuwechseln. Ich bin nicht der Einzige, der beschlossen hat, früher her zu kommen. Mick nickt mir zu. Während der nächsten Stunde verabschiedet sich die übermüdete Schicht und meine Kammeraden von meiner Schicht trudeln langsam ein. Ich bereite mit Mick das Frühstück vor. „Du hast wohl nicht sonderlich gut geschlafen bei dem Sturm, mhh?", fragt er mich.

Mir muss der Schlafentzug wirklich anzusehen sein. „Ja, so was in der Art.", antworte ich ausweichend. Er klopft mir aufmunternd auf die Schulter. Das Ausmaß meines Aussehens wird mir aber erst richtig bewusst, als der Chief mit einer Tasse Kaffee aus seinem Büro kommt und sie vor mir abstellt. „Stones, man könnte meinen, sie hätten die letzte Nacht hier verbracht.", kommentiert er. Ich schaue unsicher auf die Tasse. Ist sie wirklich für mich? Der Chief schiebt sie noch ein Stückchen näher zu mir. „Danke.", sage ich. Er schaut mich immer noch mit einem durchdringenden Blick an.

Aber ich sage nichts weiter und nehme den Kaffee an mich. Da ich ihm mal einen Gefallen getan habe, habe ich ein Sonderrecht an seiner Kaffeemaschine. Beim Frühstück setzt sich Steve zu mir. „Du bist heute sehr schweigsam.", bemerkt er. „Ich habe schlecht geschlafen.", ist meine Ausrede. Der Kontrast zu meinem Verhalten in der letzten Schicht zu heute könnte nicht größer sein. Mir ist es aber egal, was die anderen denken.

Am Vormittag machen wir die Autos von den nächtlichen Einsätzen sauber. Keine besonders spannende Aufgabe, aber es muss gemacht werden. Mir ist die Ablenkung ganz recht. So muss ich nicht die ganze Zeit an Ria, die Traurigkeit in ihren Augen und an die klaffende Wunde in meiner Brust denken. Kurz vor dem Mittagessen bekomme ich eine Nachricht von Anne. Ich suche einen ruhigen Ort auf.

Inmitten... Teil 3 - Nathan & RiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt