Inmitten... Teil 3 - Nathan & Ria

18. Kapitel

Nathan

Seit vorgestern ist mir schlecht. Aber nicht so, als müsse ich mich übergeben, sondern es ist ein ständiges Unwohlsein. Dieses Gefühl lastet schwer auf mir. Und ich kann nichts dagegen tun. Rias Probleme...ich kann es nicht fassen. Was sie alles durchmacht. Und ich will ihr so sehr helfen. Eigentlich habe ich Fragen an sie, aber jedes Mal, wenn ich sie etwas fragen wollte, hat sie abgeblockt. Gut, vielleicht war sie auch ein bisschen sauer, weil ich sie unsanft von meinem Schoß geschubst habe. Aber mir kam es falsch vor mit ihr in diesem Moment rumzumachen. Ellas Anruf kam mir wie gerufen.

Da Ria mir diese Fragen nicht beantworten will oder kann, treffe ich mich mit Nick, bevor wir ins Sunny's gehen. Ich weiß, dass er in der Uni auch ein paar Psychologie-Kurse belegt hatte. Auch, wenn ich noch nicht weiß, wie ich ihn fragen soll. Als er mir die Tür öffnet, erwartet mich das reinste Chaos. Überall liegen Klamotten und Pizzakartons herum. „Tut mir leid, wegen der Unordnung, ich bin gerade mit meiner Doktorarbeit beschäftigt.", entschuldigt er sich. „Gehen wir auf den Balkon.", sagt er. Während ich schon mal die Glastür öffne, holt uns Nick zwei Bier.

„Scheint sehr anstrengend zu sein, so eine Doktorarbeit.", bemerke ich, als er sich neben mich auf einen Stuhl fallen lässt. Nick lacht kurz auf. „Mein Doktorvater will in ein paar Wochen was in den Händen halten. Natürlich nicht die ganze Arbeit. Danach werde ich es langsamer angehen lassen. Jetzt verstehe ich auch die Leute, die Jahre lang daran schreiben.", erzählt er. Ich höre ihm nur mit einen halben Ohr zu und starre den Himmel an. Ich blende Nicks Stimme total aus und genieße die Ruhe. Ellas und Nicks Wohnung, also jetzt nur noch Nicks Wohnung liegt am Stadtrand seitab der Straße. Ich atme tief durch.

„Was ist los?", Nick stoßt mich kurz an und sieht mich besorgt an. „Tut mir leid.", entschuldige ich mich. Sein fragender Blick verschwindet nicht. Ich nehme einen Schluck aus meiner Flasche. „Weißt du noch, als wir im Krankenhaus saßen, als Rias Ex sie angegriffen hat?", frage ich. Als er nickt, fahre ich fort. „Du hast gesagt, dass Körperkontakt für sie eventuell schwierig sein könnte. Ich war so erleichtert, dass das nicht der Fall war. Ich konnte sie im Arm halten und sie trösten."

„Hat sich das geändert?", fragt er vorsichtig nach. Unter keinen Umständen will ich hier Bettgeschichten auspacken, aber wenn ich nicht bald mit jemanden darüber rede, dann platze ich. „Das ist ja das Verrückte. Ria hat die ganze Sache gut verarbeitet. Sie hat viel mit Jenny und ihrer Mutter geredet. Körperkontakt war kein Problem. Sie hatte Sex mit mir. Und das auch nicht nur einmal. Aber am Mittwoch..." Scheiße, es laut auszusprechen ist hundert Mal schlimmer, als nur darüber nachzudenken. „Sie hatte Streit mit Jenny. Ich dachte ein bisschen Ablenkung wäre ganz gut. Aber dann ist sie ausgetickt, hat um sich geschlagen und getreten. Dann hat sie sich heulend im Bad eingesperrt."

Nicks Gesichtsausdruck ist ganz ernst geworden, als ich zu ihm auf schaue. „Tut mir leid, Nathan." Ich schlucke einmal. „Am Tag darauf kam sie zu mir und hat erzählt, dass sie am Montag bei der Befragung beim Anwalt ihren Ex getroffen hat. Sie hatte dort eine Panikattacke. Und seitdem fällt ihr Nähe zu Männern schwer. Sie hat ständig Angst, wieder so eine Attacke zu bekommen. Sie ist die letzten zwei Tage nicht zur Arbeit gegangen." Ich trinke noch mal einen Schluck. Ich bin unendlich froh, so einen Freund wie Nick zu haben. Mit Matt wäre diese Unterhaltung nicht möglich.

Nick schweigt, genauso wie ich. Eigentlich brauche ich gar keine Antwort von ihm. Tatsächlich hat es gereicht, das alles mal loszuwerden. „Willst du eine Einschätzung von mir?", fragt Nick schließlich. Ich nicke. „Ich bin natürlich kein ausgebildeter Psychologe, so wie Isa, aber es hört sich so an, als hätte Ria ein Problem. Wir alle dachten, dass sie den Angriff gut überstanden hat. Sie selbst vermutlich auch. Ich glaube jetzt eher, sie hat die Ereignisse unbewusst verdrängt. Durch die Begegnung mit ihrem Ex ist das Trauma wieder an die Oberfläche gekommen."