30. Kapitel

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Nathan

Seit Melanie Jaxs Zimmer betreten hat, starrt er zornig vor sich her. Und er hat kein Wort mehr gesagt. Er trottet durchs Zimmer und räumt all seine Sachen in eine kleine Reisetasche. Noch einen weiteren Tag mit Bauchschmerzen hätte ihm niemand abgekauft. „Ich gehe kurz an die Rezeption und hole deinen Entlassungsbrief.", sagt Melanie zu Jax und streicht ihm über sein Haar. Jax schüttelt sie ab, woraufhin Melanie tief seufzt.

„Hey, komm mal her.", sage ich und hebe ihn aufs Bett. Dabei protestiert meine Schulter, das mir gerade allerdings egal ist. Er schaut mich hoffnungsvoll an. Als wünschte er sich, ich würde ihm erlauben bei mir zu bleiben. Hoffnungsvolle Kinderaugen sind richtig beschissen, wenn man ihre Wünsche nicht erfüllen kann. Und mir fällt es gerade auch irre schwer die richtigen Worte zu finden. Es ist offensichtlich, dass er sich im Kinderheim nicht wohlfühlt.

„Weißt du, es macht Melanie traurig, dass du sie immer nur finster an starrst.", sage ich. „Selbst dran schuld.", murmelt er leise. Vielleicht ist sie auch nicht ganz so freundlich zu ihm, wie zu anderen Kindern, weil er schlechte Laune verbreitet. „Soll ich dir verraten, wie Melanie freundlicher zu dir ist?", locke ich ihn aus der Reserve. Er schaut mich misstrauisch an. „Wenn du sie mal anlächelst. Oder mal bitte und danke zu ihr sagst. Es gibt so ein Sprichwort. Lächle in die Welt und die Welt lächelt zurück. Du kannst es ja einfach mal versuchen, wenn du willst."

Jax sieht ganz und gar nicht überzeugt aus. „Ich will nicht zurück.", sagt er leise. Dann leuchten seine leicht feuchten Augen auf. Nein, bitte sag es nicht. „Kann ich nicht zu dir?", fragt er hoffnungsvoll. Ich halte die Luft an. Wie war das, ich wollte immer ehrlich zu ihm sein? Und eigentlich wollte ich ihn auch nicht enttäuschen. „Jacob, es gibt Regeln..." „Du bist doch erwachsen, oder? Im Heim kommen immer Erwachsene und holen andere Kinder ab. Kannst du kommen und mich abholen?"

Mir schnürt sich die Brust zu. Es kostet mich alle Kraft meinen Blick nicht von ihm abzuwenden. „Es gibt Regeln.", wiederhole ich mich. „Ich müsste einige Anforderungen erfüllen. Und ein paar davon erfülle ich sicherlich nicht. Der Prozess ein Kind aus dem Heim zu holen ist sehr kompliziert und zeitaufwändig. Sie würden dich nicht zu mir lassen." Ich habe zwar keine Ahnung, von welchen Voraussetzungen ich hier rede, aber lieber lasse ich Jax auf die Regeln böse sein als auf mich.

„Regeln sind blöd." Offensichtlich wird ihm gerade klar, was für eine Schnapsidee das gerade von ihm war. Ich stelle mir Rias Gesicht vor, wenn ich ihr verkünden würde, ich wöllte ein Kind mit ihr. Wir sind noch nicht so weit. „Ja, manche Regeln sind blöd. Aber sie sind notwendig." Dann kommt mir eine Idee. „Darfst du ab und zu telefonieren?", frage ich ihn. Er zuckt vage mit den Schultern. „Ich schreibe dir meine Telefonnummer auf, falls du mal mit mir reden willst, okay?" Er schaut mich mit großen Augen an. „Wirst du auch rangehen?"

„Natürlich. Außer im Einsatzfall, dann muss ich nämlich andere Menschen aus einem brennenden Haus retten. Soll ich Rias Nummer auch aufschreiben?", frage ich. Er hat wieder einen leichten misstrauischen Blick drauf. Ich schnappe mir von seinem Beistellwagen einen Notizblock und einen Stift und notiere ihm die Nummern und unsere Adressen. Dann reiche ich ihm den Zettel. Er starrt mit Unglauben auf die Ziffern und Buchstaben. Als wäre das ein großartiges Geschenk, mit dem er nie gerechnet hat.

„Danke." Er legt den Zettel vorsichtig beiseite und wirft sich mir in die Arme. Ich fange ihn lachend auf und drücke ihn an mich. Von der Tür kommt ein Räuspern. Melanie steht dort und betrachtet die Szene nachdenklich. „Hätten sie einen Augenblick Zeit?", fragt sie mich. Jax löst sich von mir. „Gehst du noch mal auf Toilette?", frage ich ihn. Jax scheint zu ahnen, dass das ein Gespräch zwischen Erwachsenen werden soll und geht brav ins Badezimmer. Melanie wartet, bis die Tür ins Schloss fällt.

Inmitten... Teil 3 - Nathan & RiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt