27. Kapitel

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Ria

Mit einem mulmigen Gefühl betrete ich das Krankenhaus. Ich habe über das Gespräch nachgedacht, viel zu viel nachgedacht. Kaum habe ich den einen Gedanken zu Ende gebracht, kamen mir gleich zwei andere in den Sinn. Wird Nathan meine Entschuldigung annehmen? Werden wir zusammen einen Weg finden unsere Beziehung zu retten? Was passiert, wenn er wieder fit ist und wieder auf die Wache geht? Werde ich damit klarkommen?

Ich bekomme einen großen Schrecken, als ich sein leeres Bett sehe. Sofort greife ich nach meinem Handy, merke aber, dass seines auf dem kleinen Beistelltisch liegt. Meine Tasche und den Stoffbeutel mit einem alten Kuscheltier von Nathan, das mir Anne heute in der Agentur mitgebracht hat, lege ich aufs Bett und gehe in den Gang, in der Hoffnung jemanden zu finden, der mir sagen kann, wo Nathan ist.

Die nette Krankenschwester sagt, dass er noch bei einer Untersuchung ist. Also gehe ich wieder etwas beruhigt in sein Zimmer und lasse mich aufs Bett fallen und checke die Nachrichten auf meinem Handy. Ich runzle die Stirn. Jenny sagt für heute Abend ab. Sie hat sich schon das ganze Wochenende etwas seltsam benommen. Allerdings findet gerade auch eine Klausurphase am Ende des Semesters an. Sie hat eindeutig zu viel zu tun.

„Hey." Nathan wird von Nick ins Zimmer geschoben. Nathan sieht verärgert aus. „Was ist los?", frage ich, während ich vom Bett steige. „Erkläre du es ihr. Ich habe es auch nur halb verstanden.", sagt Nathan grummelnd und lässt sich aufs Bett fallen. Nick stellt sich an das Endes des Betts. „Der Ultraschall seiner Schulter war auffällig.", erklärt er. „Und was bedeutet das?", frage ich. „Ich versuche es einfach zu erklären. Es hat sich etwas in seiner Schulter gebildet und wenn es sich nicht zurückbildet, müssen wir operieren."

Nathan schnauft auf. „Wir werden das die Woche lang beobachten, deswegen muss er hier im Krankenhaus bleiben.", erklärt Nick. „Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieses Ding von allein zurückbildet?", frage ich. „60:40" Oh. Das ist ja beinahe 50:50. „Das wird schon, Nathan.", ermutigt Nick Nathan. „Was ist, wenn ich wirklich operiert werden muss? Kann mir irgendwer garantieren, dass ich danach noch diensttauglich bin?", fragt Nathan angefressen.

„Das kann dir niemand garantieren, selbst ohne OP.", erwidert Nick. Mein Blick verhakt sich mit dem von Nathan. Und ich sollte irgendetwas aufmunterndes sagen. Sowas wie Das wird schon wieder, oder Du wirst wieder ganz gesund. Aber stattdessen schlägt mein Herz einen Moment verräterisch schneller als sonst. Wenn er dienstuntauglich wäre, dann würde er nicht mehr in gefährliche Situationen gelangen. Für diesen furchtbaren Gedanken schlage ich beschämt die Augen nieder.

„Ich lasse euch dann mal allein.", verabschiedet sich Nick. Um mich abzulenken, krame ich das Kuscheltier hervor. „Den hat mir Anne heute mitgebracht.", sage ich und reiche Nathan den Löwen. „Danke.", murmelt er und betrachtet ihn eine Weile. Ob er viele Kindheitserinnerungen mit dem Tier verbindet? „Sprich es aus Ria.", sagt Nathan plötzlich. „Was?", ich schaue erschreckt auf. Nathans Blick liegt auf mir. „Das, was du eben gedacht hast.", sagt er. „Ich...ich...", stottere ich. „Ein kleiner Teil in dir wünscht sich, dass ich dienstuntauglich werde. Dass ich nie wieder zu einem gefährlichen Einsatz fahre. Es ist doch so, oder?"

Mir bleibt mir einen Moment die Luft weg. Womit habe ich mich verraten? War es mein Blick? „Ria, ich will Ehrlichkeit in einer Beziehung.", sagt er bittend. Ich reiße mein Blick von ihm los. Ich bin ein schrecklicher Mensch. „Es tut mir leid, du hast Recht.", sage ich leise. „Komm her." Er streckt seine Hand nach mir aus. Ich schüttele den Kopf. Wie kann er mich immer noch mit diesem warmen Blick ansehen? „Findest du das gar nicht schlimm? Ich könnte mir gerade nicht mal selbst ins Gesicht schauen, Nathan. Bei dem Gedanken, du könntest wieder in so einen Einsatz geraten, schnürt es mir die Luft ab. Wenn ich könnte, ich würde dir verbieten wieder auf die Wache zu gehen.", bricht es aus mir heraus.

Inmitten... Teil 3 - Nathan & RiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt