8. Kapitel

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Nathan

Ich bin auf der Zielgeraden. Ich spüre es ganz genau. Ohne Felicitas Erscheinen würde sich das vielleicht noch ein bis zwei Wochen hinziehen. Ich will mich über die Beschleunigung nicht beschweren. Es ist wahrscheinlich nicht von Vorteil, dass wir alles an einem Abend klären werden, aber es ging nicht früher. Es wird sehr emotional werden. Und ich hoffe Ria ist dafür bereit. Ich werde alle Karten auf den Tisch legen, wirklich alle.

Etwas nervös mache ich mich auf den Weg zu Ria. Wenn der Abend gut verläuft, dann führe ich eine Beziehung mit ihr. Eine Gänsehaut überkommt mich, obwohl es noch ziemlich warm ist. Ich bin einfach nicht gut in sowas. Ich verscheuche die aufkommenden Zweifel indem ich an unseren Kuss am Mittwoch denke. Ria will mir glauben und ich tue alles dafür, dass sie es nicht bereuen wird.

Ria schlüpft durch die Haustür kurz nachdem ich bei ihr geklingelt habe. Sie trägt ein kurzes Kleid, dass nur ihre halben Oberschenkel bedeckt. Und es zaubert ihr ein wunderschönes Dekolletés. „Hi.", begrüße ich sie. Ich bin mir unsicher, was ich mit meinen Händen machen soll. Wird sie mich zur Begrüßung küssen? Soll ich sie küssen? Oder ist es noch zu früh dafür? Ich kenne diese Unsicherheit gar nicht von mir. Es ist ätzend.

Ria nimmt mir die Entscheidung ab indem sie mich umarmt und mich auf die Wange küsst. Ich atme erleichtert auf. Ich muss also nicht wieder bei Null anfangen. „Alles gut?", frage ich. Sie hat noch nicht gelächelt und sieht blass aus. „Ach naja, die Arbeit, meine Großmutter, es ist alles gerade ein bisschen viel.", sagt sie niedergeschlagen. Ich nehme ihre Hand und drücke kurz zu. „Wir müssen das heute Abend nicht machen. Ich kann auch sagen, dass ich krank bin, um dem Essen morgen zu entgehen.", biete ich an. Ich will ihr nicht auch noch zusätzlich Stress machen.

Ria lächelt müde. „Das ist nett, aber ich will das hinter mich bringen. Eine Sorge weniger.", sagt sie und zieht mich weiter. Dabei lässt sie meine Hand nicht los. Ich würde sie gerne fragen welche Sorgen sie noch hat. Aber sie wendet ihren Blick ab und für sie scheint das Thema beendet zu sein. Vielleicht kann ich sie später noch mal danach fragen. „Wie lief der Nachmittag mit Felicitas?", frage ich. Ria zuckt mit den Schultern. „Ich bin mit ihr einen Kaffee trinken gegangen und dann wollte sie wirklich sehen, wie ich wohne. Es hat sich gelohnt ein paar deiner Sachen in der Wohnung zu verstreuen.", erzählt sie. „Und wie geht es dir?", frage ich. Ich weiß, dass sie kein besonders enges Verhältnis zu ihr hat.

„Weißt du, dadurch dass ich Heidi kennen gelernt habe, ist mir noch mal deutlich geworden, wie oberflächlich und Image orientiert meine Großmutter ist. Familie kann man sich eben nicht aussuchen. Sie hat mir mein Studium bezahlt und ich bin ihr auch dankbar dafür, aber sie ist eben keine Bilderbuch Oma." „Ich bin mir sicher, du kannst Ms. B. so oft besuchen, wie du willst.", versuche ich sie aufzumuntern. „Du hast Recht. Bei ihr habe ich immer das Gefühl willkommen zu sein. Sie ist immer so fröhlich und herzlich.", sagt sie.

Ich nicke. Ms. B. ist eine herzensgute Frau. „Als Jenny von der Uni kam, hat Felicitas beinahe ein Herzinfarkt bekommen. Ihre Haarfarbe, ihr Nasenpiercing, ihre Klamotten passen einfach nicht zu dem Bild Frau, dass meine Großmutter hat." Ria fängt an zu lachen. Ich stimme mit ein. „Das kann ich mir gut vorstellen."

In der Pizzeria setzten wir uns gegenüber. Das Licht ist gedämmt und es läuft leise Musik aus einem Lautsprecher. „Ich hoffe du hast Hunger mitgebracht.", sage ich. „Ich habe späte gefrühstückt und nur eine Kleinigkeit am Mittag gegessen.", antwortet sie mir lächelnd. „Beste Voraussetzungen.", sage ich. Wir warten noch auf unsere Getränke, die wir bestellt haben. Dann werde ich anfangen. Ich denke einfach mit Alkohol wird es alles weniger schwierig.

Ria fummelt nervös an ihrer Serviette herum. „Anne und Chris freuen sich schon riesig auf das Baby, oder?", fragt sie. Ich nicke lächelnd. Die Stimmung zu Hause ist richtig ausgelassen. „Manchmal ist ihre gute Laune unausstehlich.", sage ich. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich in den letzten zwei Wochen eher schlecht gelaunt war. „Wird es ein Mädchen oder ein Junge?", fragt sie beiläufig. Sie schaut mich mit einem unschuldigen Augenaufschlag an. Ich fange an zu grinsen. „Ich weiß ganz genau, was du hier machst.", sage ich.

Inmitten... Teil 3 - Nathan & RiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt