Kapitel 3

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Sam erwachte mit höllischen Kopfschmerzen. Er setzte sich wankend auf und schaffte es nach mehreren Anläufen ins Bad. Wieder trank er Wasser, um seinen Magen irgendwie zu beruhigen. Er blickte in den Spiegel. Sein Gesicht war etwas abgeschwollen, aber nach wie vor blau. Sein Oberkörper sah kaum besser aus. Die Schmerzen waren allgegenwärtig. Seufzend zog Sam sich an und schleppte sich dann die Kellertreppe nach oben. Als er in die Küche kam, sah er Diana bereits am Herd stehen. Sie blickte kurz auf, ehe sie sich wieder der Pfanne zuwandte.

»Ich bereite heute das Frühstück zu. Du kannst dich schon auf den Weg zur Schule machen«, sagte sie, ohne aufzublicken. Sam war einen Moment wie erstarrt. Er hatte wirklich gehofft, dass er heute etwas zu essen bekommen würde, aber nun schien sich diese Hoffnung zu zerschlagen.

»Nun geh schon!«, hörte er Diana sagen, die nicht vom Herd aufsah. Sam seufzte leise, griff seinen Rucksack und verließ leise das Haus. Draußen wehte ein kühler Wind, aber immerhin regnete es nicht. Niemand war um diese Zeit schon unterwegs. Sam setzte sich seinen Rucksack auf und ging langsam über den Dorfplatz. Er fühlte sich unendlich schwach. Wahrscheinlich würde er den Weg zur Schule kaum schneller schaffen als die anderen, die erst in einer guten Dreiviertelstunde mit dem Bus fahren würden. Als er an den Rand des Dorfes kam, entdeckte er zwei Männer, welche vor einem Haus standen und sich unterhielten. Einer vor ihnen war Sams Vater. Dieser warf nur einen sehr flüchtigen Blick auf seinen Sohn, ehe er sich wieder dem anderen Mann zuwandte. Sam beeilte sich, an den beiden vorbeizukommen, auch wenn jeder schnelle Schritt seine Schmerzen im Körper noch verstärkten. Während er den langen Weg zur Schule immer an der alten Landstraße entlanglief, fragte er sich, wozu er das alles jeden Tag noch auf sich nahm. Oft hatte er daran gedacht, einfach wegzulaufen, aber ein Omega ohne Rudel würde sicher nicht lange überleben können. Zum Jagen war Sam zu schwach und langsam. Sein Wolf Coda war ein kleiner schneeweißer Wolf, der kaum größer war als die Jungwölfe. Jagen war für ihn schwer, da er gerade im Sommer nicht besonders gut getarnt war. Dazu kam, dass sich Sam seit Monaten nicht mehr verwandelt hatte, weil er einfach zu schwach war. Coda spürte er kaum noch und ein Werwolf ohne Wolf würde wohl sterben. Sam dachte, dass es vielleicht auch das Beste so wäre, aber eine letzte Hoffnung hatte er noch. In zwei Tagen würde er siebzehn werden und vielleicht endlich seinen Gefährten finden. Auch wenn er wusste, dass er im Rudel unbeliebt war, würde das vielleicht vieles ändern. Das Band zwischen Gefährten war stark. Sollte allerdings sein Gefährte, Sam ablehnen, würden sie beide sehr leiden, aber Sam mehr, als der andere und so hoffte er, dass es so weit nicht kommen würde.

Als er die Highschool erreichte, waren es noch dreißig Minuten ehe, der Unterricht anfangen sollte. Viele Schüler waren bereits da und hatten sich in kleinen Gruppen auf dem Gelände verteilt. Sie lachten, riefen und unterhielten sich. Sam würdigte keiner eines Blickes. Diesem war es ganz recht, denn nicht beachtet zu werden hieß auch, nicht verprügelt oder gedemütigt zu werden. Sam lief um das Gebäude herum und verkroch sich unter einer Feuertreppe, die der, an die Schule angeschlossenen Grundschule, gegenüberlag. Er zog die Knie an, holte sein Geschichtsbuch heraus und machte schnell die letzten Hausaufgaben, die er gestern vor Erschöpfung und Hunger nicht mehr geschafft hatte.

»Hey Sam«, er schreckte auf. Vor ihm stand die zehnjährige Isabella und strahlte ihn an.

»Isa, erschrick mich doch nicht so«, das Mädchen mit den roten Haaren und den vielen Sommersprossen grinste frech. Isabella Underwood gehörte zum Creek-Rudel und hatte einen Narren an Sam gefressen, nachdem dieser sie vor zwei Jahren vor ein paar anderen beschützt hatte. Das Mädchen war die Einzige, die hin und wieder mit ihm sprach und ihm manchmal in den Pausen Gesellschaft leistete, auch wenn sie sich dafür verbotenerweise vom Gelände der Grundschule schlich.

»Tut mir leid. Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?«, fragte Isabella nun und hockte sich vor Sam.

»Nichts weiter. Du weißt, du solltest nicht hier sein und vor allem nicht mit mir sprechen«, sagte Sam streng.

VerstoßenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt