Kapitel 11

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Sam fand sich auf dem Waldboden liegend wieder, umgeben von Laub. Obwohl er nackt war, spürte er keine Kälte. Verwirrt und besorgt fragte er sich, wie er hierhergekommen war und wo Jay war. Seine Hand fühlte automatisch an den Hals, wo der Biss war. Es tat nicht weh, aber war feucht. Als er die blutige Hand bemerkte, war er überrascht. Gefährtenbisse sollten selbst bei Omegas sofort verheilen.

Sam stand auf und sah sich um. Der Wald war ihm fremd, aber er strahlte eine friedliche Atmosphäre aus. Plötzlich hörte er ein Knacken, und als er sich umdrehte, sah er einen Wolf aus dem Unterholz kommen. Der kleine weiße Wolf mit den hellblauen Augen blieb vor ihm stehen.

»C-Coda?«, stammelte Sam, kniete sich nieder und betrachtete den mitgenommenen Wolf, der ebenso wie er am Hals blutete.

»Hallo Sam«, sprach der Wolf. Sam wich einen etwas zurück.

»Du sprichst? Und wie kommst du hierher? Wo sind wir überhaupt?«, fragte Sam verwirrt, als der Wolf sich ihm näherte und sanft über sein Gesicht leckte.

»Hast du Schmerzen?«, erkundigte sich Coda und setzte sich auf die Hinterbeine. Obwohl Sam die Frage nicht ganz verstand, schüttelte er den Kopf. Nein, er verspürte keine Schmerzen, keinen Hunger oder Durst, und er fror nicht. Dinge, die in seinem bisherigen Leben nicht alltäglich waren.

»C-Coda, wo sind wir?«, fragte er ängstlich.

»Was denkst du?«, erwiderte der Wolf ruhig.

»B-Bin ich ... sind wir tot?«, Sams Stimme zitterte und er schlang seine Arme um sich. Coda stand wieder auf und kam auf Sam zu. Sacht schmiegte er seinen Kopf an Sams.

»E-Es ... tut mir so leid Coda, ich ... ich hätte dich ... uns beschützen müssen«, schluchzte Sam und legte seine Arme um den kleinen Wolf.

»Es war nie deine Entscheidung«, sagte der Wolf und leckte Sam die Tränen weg.

»W-was meinst du?«, wollte dieser wissen und sah Coda verwirrt an.

»Das alles, alles, was geschehen ist, war und ist dein Schicksal. Du hättest nicht gehen können, selbst wenn du es gewollt hättest. Wärst du es, dann hättest du Jay nie gefunden«, erklärte der Wolf.

»A-aber was bringt das alles? Ich bin tot und werde Jay nie wiedersehen. Es war alles umsonst. Wir haben so lange gekämpft für nichts«, Sam schluchzte und gleichzeitig war er so unfassbar wütend. Auf sich, Coda, die Ashers und die Welt, die ihn im Stich gelassen hatte. Am Ende war die Rettung so nah gewesen und doch hatte er verloren.

»Wer sagt, dass es für nichts war?«, wollte Coda wissen. Sam sah wieder auf.

»Coda, wir sind tot. Jay ... Oh Gott, Jay. Wir haben uns gebunden und jetzt ist er allein ... n-nein ...«, verzweifelt fuhr Sam sich durch die Haare.

»Sam, wir sind nicht tot. Noch nicht auf jeden Fall«, erklärte Coda und Sam ließ die Hände sinken.

»W-Was?«

»Ja, du stirbst, aber noch kannst du dich entscheiden.«

»Entscheiden? Aber wie denn?«

»Ich bin hier, damit du verstehst, dass alles einen Grund hat. Damit du nicht länger verzweifelst, wann immer deine Vergangenheit dich einholt. Das hier muss nicht das Ende sein, aber es könnte es sein. Du hast lange gekämpft und das hier könnte dir endlich all die Schmerzen nehmen. Du hast die Wahl«, erklärte der Wolf. Sam wollte schon ansetzen, etwas zu sagen, dann aber sah er Coda einfach nur an. Er hatte die Wahl? Aber war die logische Wahl nicht Jay? Aber auf der anderen Seite hatte sein Wolf doch recht. Er hatte so viel Schmerzen ausgehalten, war es nicht an der Zeit endlich loszulassen? Aber war dann nicht alles umsonst? So weit war er gekommen und Jay. Nein, er konnte jetzt nicht aufgeben.

VerstoßenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt