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𝓕𝙸𝚂𝙲𝙷 𝙰𝚄𝙵 𝙳𝙴𝙼 𝓣𝚁𝙾𝙲𝙺𝙴𝙽𝙴𝙽
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🅅or Evelles Tür machte ich Halt. Ihr Zimmer lag zwei Wände von meinem entfernt, rechts am Ende des Flurs kurz vor dem Holzrahmen, der den diagonalen Eingang zur Bibliothek markierte. Aufgrund der jüngsten Ereignisse, die zukünftige Einsätze erfordern würden, hatte Silvius den Unterricht der Schneiderfee dem seinen vorgezogen. Ich sollte schleunigst etwas über Kleidung und Ausrüstung lernen, um mich wenigstens grob auszukennen, wenn es zurück in die Bücher ging.

Atticus, Ozias und Silvius berieten sich schon den ganzen Morgen über den aus dem Wunderland mitgebrachten Fremdkörper. Selbst Maze war dafür aus seiner Kammer gekrochen, ausnahmsweise geistig wach und interessiert. Die Tatsache, dass der Fremdkörper keinen Alarm ausgelöst hatte und dieselbe Spur besaß wie das Wunderland, schien äußerst ungewöhnlich zu sein. Es schwirrte eine allgemeine Anspannung durch die Detektei, die mich auch ohne näheren Kenntnisstand einnahm.

„Ah, Chéri, komm herein", öffnete die Schneiderfee mir die Tür, nachdem ich angeklopft hatte, und flatterte sogleich geschäftig weiter. Auf einem Schreibtisch bereitete sie ein Klemmbrett vor und wühlte ein Maßband aus der Schublade darunter.

Mein Blick glitt neugierig durch das Zimmer, das, obwohl es im Grundriss recht geräumig war, wenig begehbaren Platz bot. Es lag an all den Dingen, die es füllten und ihm eine emsig schöpferische Atmosphäre verliehen. Links säumte die komplette Wand ein Regal mit etlichen Fächern, die die verschiedensten Stoffe führten, aufgerollt auf langen Holzspindeln. Auf den Fenstersimsen standen Modellköpfe mit Hüten, davor präsentierten Mannequins einige ihrer Kreationen. Eine der Puppen erinnerte mich der Mode nach stark an Atticus, trug sie doch eine seiner üblichen Hemd-Weste-Kombinationen in buntem Muster. Selbst von der Decke hingen neben rohen Lampen schmale, säulenförmige Netze mit unendlichen Accessoires. Auf Beistelltischen standen Nadelkissen, Scheren, Kämme, Pinsel, Glitzer, Perlen und mehr herum, aus Schubladen quollen Fäden und die geöffnete Tür zum Nebenzimmer zeigte einen kleinen Vorgeschmack auf den Rest des überfüllten Lagers der Schneiderfee. Den Schreibtisch, an dem sie stand, übersäten unzählige Zeichnung von Entwürfen, ebenso die Wand darüber. Ich befand mich in einem Sammelsurium der Modeschöpfung und kam nicht drum herum, bei dem herrlichen Anblick zu lächeln.

„Hier arbeitest du?", staunte ich nicht schlecht und Eve sah von ihrem Klemmbrett auf.
„Ich weiß, es ist nicht viel, aber ich mache das Beste daraus", verstand sie mich falsch, setzte die Brille mit silbernem Halteband — von der ich sicher war, sie trug sie allein zur Schau — auf, die zuvor auf ihrem Kopf geruht hatte, und schob sie sich gen Nasenspitze.
„So, Chéri. Wir haben viel Arbeit vor uns. Lass uns ans Werk gehen."

„Arbeit?", wiederhole ich verwirrt, worauf die Schneiderfee schnippte und das Maßband in die Luft beförderte. Es war wie Magie, dasselbe Spiel, das sie am Vortag mit der Bürste gespielt hatte. Das Klemmbrett unter ihrem Arm und einen Stift hinterm Ohr zog sie mich in die Mitte des Raumes und sagte: „Hopp hopp, ausziehen. Wir nehmen jetzt Maße."

Maße? Na das konnte heiter werden. Ich schämte mich nicht für meinen Körper, nur besaß ich nicht gerade dürre Modelmaße. Meine Größe war Durchschnitt und auch sonst war da nichts, das man mit einem Topmodel vergleichen könnte. Naja, meine Hüften vielleicht, die hatten ganz nette Kurven. Die Körbchengröße war adäquat. Ich war prinzipiell nicht dick, nur eben auch keine ausgehungerte Kleidergröße Zweiunddreißig. Wie hatte Atticus es so schön despektierlich ausgedrückt? Ich war gewöhnlich.

Die Fee schien allerdings zuversichtlich, mit meinem Material arbeiten und alles, was ging, herausholen zu können.

In Unterwäsche stand ich schließlich da und beobachtete skeptisch das schwebende Maßband, wie es sich Evelles Finger folgend an meine Haut legte, während sie sich die Werte notierte.
Kopf-, Hals-, Schulter-, Brust-, Bauch-, Hüftumfang. Wahrscheinlich hatte ich die Hälfte der ganzen Umfänge, die Evelle mir abnahm, in meiner Aufzählung vergessen. Ebenso die ganzen Längen und Breiten. Ich wusste nur eines: nachdem sie gefühlt jeden Millimeter meines Körpers vermessen hatte, stand die Sonne hoch am Himmel und mein Magen grummelte dumpf.

𝓑𝐮̈𝐜𝐡𝐞𝐫𝐬𝐞𝐞𝐥𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt