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𝓞𝙷𝙽𝙴 𝚉𝚄 𝓩𝙾̈𝙶𝙴𝚁𝙽
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🄳ie Rastlosigkeit des Vortags klebte wie Teer in meinen Adern. Ich hatte das Gefühl, dass inzwischen alles über mir zusammenbrach. Nicht, dass dieses wackelige Kartenhaus, auf das ich mich zu Beginn meiner Ausbildung eingelassen hatte, ein starkes Fundament versprochen hatte. Ich hätte lachen müssen über die heimliche Hoffnung, der ganze düstere Konflikt löse sich magisch in Luft auf, wenn mir das Lachen nicht in der engen Kehle stecken bleiben würde.
Die Angst des einfachen Mädchens, das ich einst gewesen war, lugte aus all meinen Ecken und hielt mich davon ab, auch nur eine Sekunde stillzusitzen.

Ich hatte wieder einige anstrengende Stunden auf den Trainingsmatten hinter mir, als ich nach einer Dusche auf den Flur trat und die hochgewachsene Figur von Atticus erblickte. Den Rücken zu mir gewandt, stierte ich auf sein trainiertes Kreuz, das, angespannt durch das Gewicht in seinen Armen, sein weißes Hemd in Falten legte. Kurz bevor ich sabbernd betrauern konnte, dass mein Wappen uns gestern in seinem Zimmer auseinandergezerrt hatte, fiel es mir schlagartig von den Augen: Er schleppte eine Kiste. Eine schwere Kiste, angesichts seiner hervortretenden Muskeln.
Was zur Hölle?

„Was machst du da?!", wirbelte ich auf ihn zu und stellte mich ihm fuchsteufelswild in den Weg. „Pass auf die Wunde auf!"
„Lila—...", setzte er zu Widerworten an, die ich strikt unterband: „Nein, stell das ab!"

Der aschblonde Teufel verharrte demonstrativ, ehe er die Kiste absichtlich langsam abstellte und sein Hemd hochzog.
„Lila, es ist alles verheilt."

Ungläubig starrte ich auf die Stelle, an der noch vor weniger als zwei Tagen ein vor Blut quellendes Loch geklafft hatte und konnte kaum fassen, dass er Recht hatte. Die Schlaf- und Wundsiegel hatten ganze Arbeit geleistet. Die Stelle war nur noch etwas gerötet und zeigte eine dichte Narbe, die durch ein letztes, oberflächliches Heilsiegel absorbiert wurde. Die schwungvollen Linien trugen Maze' Handschrift.

Laut atmete ich aus und fuhr mir durchs Gesicht.
„Tu nicht so, als wäre ich hysterisch", prangerte ich seine unsensible Reaktion an, „ich dachte echt, du gehst auf dieser Wiese drauf."
„Tut mir leid, die Party musst du verschieben."

Party? Welche Party?
Es hätte mir das Herz aus der Brust gerissen und ich hätte geheult wie ein Wasserfall. Mir war egal, ob er mit diesem makabren Scherz die Stimmung lockern wollte, es stieß mir sauer auf. Ich schluckte meine Gedanken herunter und behielt äußerlich die altbekannte Fassade bei, die ihm mit bitterbösem Blick entgegenfunkelte: Ja richtig, ich kann dich nicht leiden, du Idiot.
Dabei hatte ich inzwischen hart damit zu kämpfen, ihn unsäglich anziehend zu finden.

Atticus ignorierte meine Sorge, hob betont die Kiste wieder auf, zuckte provokant mit den Brauen und ging schwer bepackt in Richtung Bibliothek. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und schnalzte genervt die Zunge.
„Du tust es schon wieder, du bist gemein!", jagte ich ihm nach. „Ist dir eigentlich alles egal? Du wärst fast verblutet!"
„Lila, es war nicht so tragisch", wiederholte er trocken, was er bereits auf dieser Wiese gesagt hatte, inmitten einer Pfütze seines eigenen Blutes.
„Es sah aber tragisch aus! Für mich sah es tragisch aus! Und es war meine Schuld!"

Ich war mal wieder zu überfordert gewesen mit allem um mich herum, trotz aller Lektionen, trotz meinen geheimen Übungsstunden mit Caspian. Hilflos hatte ich auf diesem Schlachtfeld gestanden und hatte von Atticus abgeschirmt werden müssen. In einem Sturm, der uns gewaltsam von Welt zu Welt riss, ohne ihm eine Chance zu lassen, diesem Reiter mit der Glefe auszuweichen. Einem Sturm, in den ich uns geworfen hatte.

𝓑𝐮̈𝐜𝐡𝐞𝐫𝐬𝐞𝐞𝐥𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt