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In meinen Träumen verwandeln sich die Schweine seit jeher in Wölfe. Die reissenden Kiefer schnappen nach mir und hören auch dann nicht damit auf, wenn sie mich längst verschlungen haben und ihre Zähne nichts mehr als Luft zu fassen bekommen.

Sie sind jetzt hinter mir. Mit ausgestreckten Armen taste mich durch das Dunkel eines Tunnels. Wenn ich die Arme zur Seite strecke, spüre ich unter den Handflächen die kühlen glitschigen Wände um mich herum. Ich bin kaum überrascht als mich eine der Bestien von hinten anfällt, gleich wird sie mich umdrehen und mein Gesicht in Stücke reissen. Mit einem Schrei stosse ich sie weg, und zu meinem Erstaunen weicht sie tatsächlich zurück.

" Shhh". Ist ja gut, flüstert eine tiefe Stimme.Ich versuche immer noch die Bestie wegzustossen , obwohl ich weiß das sie verschwunden ist. Als ich es endlich wage die Augen zu öffnen, bin ich vom gemütlichen Schein der Nachttischlampe umgeben und blicke geradewegs in ein dunkelgraues Augenpaar. " Es war nur ein schlechter Traum." Santino streicht mir über das Haar und ich schmiege mich an seine Brust und amte den herben Duft des Duschgels, der noch an seiner Haut haftet. Sein Herz klopft schnell, dennoch beruhigt mich der tiefe gleichmässige Klang. " Du hast geschrien" erklärt er, "da dachte ich mir, ich sehe besser mal nach.Zum Glück hattest du nicht die Tür abgeschlossen." Ich bin noch immer überzeugt das das hier ein Traum ist. Doch eigentlich ist er zu gut. Alle Träume die ich bisher hatte waren dunkel , kalt und voller Schmerz. Nie zuvor hat sich in einem von ihnen jemals etwas zum Guten gewendet.

Ich weiche ein Stück zurück. Realisiere, dass ich in den Armen des Mannes aufgewacht bin, der mich so nervtötend findet, dass er sich eigentlich freuen sollte mich schwach und leidend zu sehen." Es geht schon wieder ," erkläre ich. "Okay." Seine Stimme ist immer noch ein Flüstern. Er deutet auf meine Hand. "Ich habe ganz vergessen, dass ich noch den Verband wechseln wollte." Sekundenlang gestatte ich mir sein Gesicht in Augenschein zu nehmen. Das markante Kinn, die Windpockenarbe direkt zwischen seinen Augen, wo normalerweise die Zornesfalte erscheint wenn ich wieder in eines der Fettnäpfchen gestolpert bin, die mich immerzu umgeben. Die Unterlippe, die etwas voller ist als die sanft geschwungene Oberlippe mit der kleinen Wulst in der Mitte.  Ein dunkler, verkommener Teil meiner Seele würde gerne wissen wie er reagiert, wenn ich zärtlich daran knabbere. 

" Wir waren zu sehr mit Streiten beschäftigt. " Erkläre ich so sachlich wie möglich. Ich muss mich von dem kranken Gedanken ablenken. Er wird sowieso niemals Realität werden.

Santino nickt. " Ja, das waren wir wohl. Ich weiß, ich kann ein Arsch sein."  Sein Blick verharrt auf dem Verband.

"Das stimmt." Ich muß plötzlich grinsen. Anscheinend hat er ein schlechtes Gewissen. Wer hätte das gedacht?

"Aber du hattest Recht, es war ein Fehler die Sachen deiner Freundin zu benutzen." Ich zupfe verlegen an dem Verband herum.

" Ich hole schnell neues Verbandszeug," erklärt er und flieht aus dem Zimmer . 

Als er zurück ist, sitze ich noch immer aufrecht im Bett . Meine gesunde Hand nestelt nun anstatt dem Verband an einem Zipfel der Bettdecke herum. 

Santino setzt sich wieder auf die Bettkante. Ich versuche mich auf seine großen Hände zu konzentrieren , die sich mit  geschickten Fingern  daran machen, den alten Verband zu lösen. Doch mein Blick wandert immer wieder zu seinem rechten Arm  der mit düsteren Schwarzweißtattos verziert ist. 

Knapp unterhalb des Ellenbogens ist ein Auge  zu erkennen und ein N mit einem schwarzen Rand drumherum. Weiter oberhalb kann ich eine Kornähre ausmachen, doch statt Ähren befinden sich säbelzahnartige Dornen an dem schmalen schwarzen Stil . Darunter steht etwas geschrieben, dessen Bedeutung ich nur allzu gut kenne. Aber das kann nicht sein, Sicherlich hat er diesen Satz nur irgendwo gelesen. Es gibt Leute, die die Mafia romantisieren, ohne jemals ihre wahre Bedeutung zu begreifen. Sie haben einfach nur ein paarmal zu oft "den Paten" gesehen. Ich hoffe das Santino zu dieser Kategorie gehört. Ich will ihn fragen, doch ich bewege nur stumm die Lippen, weil ich mich daran erinnere das es meine lebenslange Pflicht ist, mich wie ein tiefes Gewässer zu verhalten. 

PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt