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Mein Urgroßvater war ein einfacher Zitronenbauer. Er ernährte seine Familie mit dem Verkauf des sauren Goldes.Jeden Morgen riss er das Schlafzimmerfenster auf und erfreute sich am Anblick der sonnengelben Früchte, die auch ihr Leuchten dann nicht verloren, wenn der Himmel sich zuzog und es in Strömen regnete. Jeder Erntehelfer, jeder Angestellte gehörte zur Familie. Aber nicht im direkten Sinne. Sie  waren Teil des Blutes ohne das unser Blut in ihren Adern floss. Und immer war es dieser eine Unterschied zwischen dem undurchtrennbaren Band aus echtem Blut und dem fragilen Band der Blut gewordenen Loyalität , welcher sie letztendlich das Leben kostete. Letzteres Band zerriss unwiderruflich,  wenn sich herausstellte, dass sie ihn betrogen hatten.Und das taten sie . Früher oder später wird jeder zum Verräter, man muss ihm nur genug Geld bieten.  Doch was, wenn es gar nicht Geld ist, das einem zum Betrüger macht , sondern etwas ganz anderes. Etwas wie Rache zum Beispiel? Oder Liebe? 

Schlimmstenfalls aber trifft beides zusammen. Und dann ist es das Band des Blutes, welches sich um deinen Hals legt und dir die Luft zum Atmen nimmt. Solange, bis du den Tod nicht nur akzeptierst, sondern ihn herbeisehnst wie einen guten Freund.

Ich weiß nicht, warum ich in diesem Moment an meinen Großvater und die heiligen Bande des Blutes denken muss, als ich endgültig erkenne das ich auf meiner Flucht vor der Familie in die Arme eines Mannes gelaufen bin , der ebenso ein Teil davon ist wie ich. Vielleicht dachte ich an diesen Urgroßvater,  weil er von den Leuten im Dorf als Strippenzieher bezeichnet wurde, welcher die Fäden des Schicksals hielt, und der weiterlebt obwohl er längst gestorben ist. Denn, so sagt man, ein Don kann niemals sterben, solange jede Generation mindestens einen Sohn hervorbringt. 

Santinos warme Hand an meiner Wange bringt mich zurück ins Hier und Jetzt.

"Apollonia? Wir sollten unsere Sachen packen. Es ist bereits dunkel draussen".

Am liebsten würde ich einfach so tun, als hätte ich Santinos Worte nicht gehört: Die Familie ist unser Schicksal.

Warum war ich so blind? Es war so unfassbar dumm von mir zu glauben, dass es möglich ist, die Bande des Blutes  jemals zu durchtrennen.  Wie eine Schlange schlingt es sich um alles was du tust. Sie  beobachtet dich und gräbt ihre Zähne in deine Haut, um mit dem Gift ihres Einflusses all dein Tun zu kontrollieren. Wenn du merkst, dass du vergiftet wurdest ist es schon zu spät.  Du bist bereits schwach geworden durch die Auswirkungen des Giftes und kannst nicht mehr zurück. Und vielleicht willst du es auch gar nicht mehr. Denn zurück wohin? Jeder Weg hinaus führt automatisch wieder hinein.

"Das darf nicht sein," murmele ich vor mich hin. Santino lacht heiser auf. "Wen kümmert es schon, was sein darf und was nicht Kleines?" 

"Bitte Santino," flehe ich. "Sag mir das du kein Mafiosi bist. Sag mir, dass du mit Familie nicht die Familie meinst. "

Er  steht auf und hält mir seine Hand hin. "Ich verspreche dir, dass ich sie genauso hasse wie du. Reicht das fürs Erste?" 

"Woher willst du wissen das ich sie hasse?"

"Du hast das verbotene Wort gesagt," weicht er aus. 

Seine Miene ist undurchdringlich. Wahrscheinlich sollen seine Worte eine Mahnung sein. Oder eine Drohung, fügt meine innere Stimme schadenfroh hinzu. 

"Erzähl mir nichts vom verbotenen Wort, du unverbesserlicher Adonis." Brause ich auf und gebe mir Mühe, eine ebenso undurchdringliche Miene aufzusetzen wie er.

"Ich werde wohl nie verstehen, was ein unverbesserlicher Adonis überhaupt sein soll."Er zieht mich an seiner Hand nach oben und ich folge ich ihm auf zittrigen Beinen aus dem Badezimmer in Richtung Küche, während er meint, mich über den Begriff aufklären zu müssen, den ich  für ihn auserkoren habe. "Adonis war der griechische Gott der Schönheit und des Pflanzenwachstums. Er sah verdammt gut aus  und war außerdem allseits beliebt. Ich sehe nicht ein, was man daran verbessern sollte." 

PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt