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Santino

Ich sitze auf dem weichen Ledersofa und starre die Glaswand an , die unseren Bereich vom Rest des Clubs trennt. Wummernde Bässe versetzen die tanzende Menge in Ekstase. Einzelne Körper zucken im Licht der bunten Scheinwerfer wie tropische Fische in einem Meer aus Nebel.

Hier drin ist die Situation kaum besser: in Endlosschleife werden Vocal House Tracks abspielt, zu denen sich halb nackte Frauen in scheinbarer Selbstvergessenheit räkeln. Männer in dunklen Anzügen sitzen an der Theke und begutachten das rege Treiben, während sie ihre Gedanken an verbotene Ort schweifen lassen. Die Luft ist erfüllt vom Geruch nach Rauch , Alkohol und Schweiß.

Immer wieder driftet meine Erinnerung zur vergangen Nacht ab. Lonia in meinem Bett sitzend, mein T-shirt , ihr verwirrter Blick. Dieser Schmerz auf ihrem süssen Gesicht, als sie den Ring aus billigem Katzengold gesehen hat, den Martha getragen hat, weil er dem echten Ring so ähnlich sieht. Am liebsten hätte ich Lonia in diesem Moment einfach nur in den Arm genommen. Fuck! Das sind nicht die richtigen Gedanken! Aber die ganze Zeit frage ich mich, was es war, das sie mir angeblich erklären wollte.

Pah, wahrscheinlich das sie zu diesem BWL- Jacob zurückgekehrt ist. Bei dem Gedanken daran, dass ein anderer Mann sie anfasst, möchte ich einfach nur irgendwas zerstören. So lange, bis ich endlich nichts mehr fühle.

Aber wenn sie einen anderen hat, warum hat sie sich dann in mein Bett gelegt , noch dazu in meinem T-shirt? Verdammt! Ich amte ein paarmal tief ein. Zäh wie Sirup sickert die stickige Luft in meine Lungen. Nicht mehr an sie denken, sage ich zu mir selbst, während sich ein dumpfes Gefühl in meiner Brust ausbreitet.

"Hey Carlo." Nunzio lässt sich neben mir auf das Sofa fallen . Genervt rücke ich ein Stück zur Seite.

"Warst du nicht gerade dabei, die Tussi da drüben klar zu machen?" Ich deute in Richtung der Frau, die er eben noch abgeknutscht hat. Doch da wo sie stand, bewegt sich jetzt eine hübsche Blondine im Takt der Musik. Als hätte sie nur darauf gewartet ,fängt sie meinen Blick auf und lächelt mir aufmunternd zu.

Sofort nehme ich ihren schlanken Körper in Augenschein, von dem das knappe Kleidchen nicht sonderlich viel verdeckt. Der Abend verspricht doch noch die ersehnte Ablenkung zu bringen. Denn das was ich da sehe, entspricht definitiv meinen hohen Ansprüchen. Genau das Richtige, um ein bisschen Spaß zu haben. So wie früher, bevor mein eigenes Herz sich gegen mich verschworen hat. Lächelnd schwingt sie ihren perfekten Körper hinter die Theke, um Gläser zu füllen und auf ein Tablett zu stellen. Sie lässt mich keine Sekunde aus den Augen und je länger wir uns ansehen, desto breiter wird ihr Lächeln.

" Giacomo hat mir von heute Morgen erzählt," beendet Nunzio meinen aufkeimenden Flirt. "Schätze dein Exmatirkuationsantrag hat sich damit von selbst erledigt, oder?"

"Lass mich in Ruhe," zische ich. Doch er sieht mich nur breit grinsend an.

"Ich hätte dasselbe getan, wenn jemand der Frau, die ich liebe wehtut."

"Hör auf mit dem Scheiß. Ich liebe Apollonia nicht," presse ich hervor. Doch die Worte klingen so falsch, dass ich die Lüge wie bittere Arznei auf der Zunge schmecken kann.

" Achja stimmt ," Nunzio greift nach der Champagnerflasche vor uns auf dem Tisch. Bedächtig schenkt er sich die perlende Flüssigkeit in ein Glas ein und nimmt einen Schluck.

" Es war ja alles nur ein Spiel, nicht wahr?"

Am liebsten würde ich ihm die Scheißaugenklappe abreissen, damit jeder sein häßliches Glasauge sehen kann. Aber dann wird mir klar, das er einfach nur die Wahrheit gesagt hat.

Es war alles nur in Spiel . Ein abgefucktes beschissenes Spiel. Eines, bei dem es keine Gewinner gibt.

Ich schenke mir ebenfalls ein, um das süsslich-klebrige Zeug auf Ex runter zu kippen. Diesen Vorgang wiederhole ich ein paar Mal, bis die Flasche komplett leer ist.

PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt