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Zuerst halte dich den bleichen Mann, mit dem ungepflegtem Dreitagebart und strähnig-schütterem Haar für einen Fremden.

Das schlimmste aber ist der veränderte Ausdruck seiner Augen. Sie sind wässrig und dunkel , wie ein stiller trauriger Tümpel , in dem kein Leben mehr wohnt.

"Papa?" Ich mache einen Schritt auf ihn zu. Denn auch wenn sie leblos und verlassen sind, an seinen Augen habe ich ihn erkannt.

"Apollonia." Er breitet die Arme aus und zieht mich an sich. Er ist kaum größer als ich. So, als wäre er in den letzten Wochen vor Kummer geschrumpft. Sein Anzug ist zerknittert und zu allem Übel mit einer blutroten Krawatte kombiniert."Hast du Donata in den Ruhestand verabschiedet?" scherze ich, um nicht in Tränen auszubrechen. Meine Stimme ist nicht mehr als ein heiseres Krächzen.

Als er mich loslässt, spüre ich eine unangenehme Kälte. Erst als ich Sonnys Hand in meinem Rücken spüre, verflüchtigt sie sich wieder.

Doch als ich mich umdrehe und in sein Gesicht sehe, weiche ich einen Schritt zurück. Seine Kiefer sind aufeinandergepresst, das Sturmgrau seiner Augen dunkel vor Hass.

"Sonny...was ist los?" Besorgt mustere ich den befremdlichen Ausdruck . "Mein Vater ist Don Greco...das weißt du doch. Du hast gesagt ihr kennt euch breits."

"Ja, Apollonia. Ich weiß. Und ja, wir kennen uns." Santino weicht meinem Blick aus." Ich bin nun bereit, die Vergangenheit als das anzuerkennen, was sie ist...vergangen." Spricht er in Rätseln.

Enza bricht in schrilles Gelächter aus. Don Andolini eilt auf sie zu und legt die Arme um sie . Verwirrt sehe ich zu, wie ihr Gelächter in rhythmische Schluchzer übergeht.

"Apollonia. Geh bitte auf dein Zimmer und pack deine Sachen. Morgen früh werden wir diesen Ort verlassen," herrscht mein Vater. Jegliche Sanftheit hat seine Stimme verlassen.

" Papa..."stammle ich. "Wieso...?"

"Keine Widerrede!"braust er auf. "Hier ist es nicht sicher für dich. Ich habe geglaubt, es sei im Sinne deiner Mutter dich frei zu lassen, damit du nicht mehr das Gefühl hast in einem goldenen Käfig gefangen zu sein. Doch nun ist alles aus dem Ruder geraten."

 "Ich werde in drei Tagen Neuzehn Jahre alt. Ich kann selbst entscheiden wo ich leben will,"rufe ich über Enzas Schluchzer hinweg.

" Geh jetzt, tu was dein Vater sagt. " Herrscht Andolini, dem es kaum gelingt, seine schluchzende Ehefrau zu beruhigen.

"Komm, Kleines."Sonny führt mich aus dem Raum.

"Sei pünktlich!" grollt Andolini ihm nach, bevor zwei Handlanger die Türen hinter uns schliessen.

"Ich will nicht das du dorthin gehst." Mit zittrigen Fingern nestele ich an seinem Kragen herum, als wir vor meinem Zimmer stehen.

Santino nimmt mich in seine Arme, bevor er mich ein Stück von sich weghält. Ich merke erst, das ich weine, als er sich herabbeugt und mir die Tränen von den Wangen küsst. "Vertrau mir einfach  ja? Ich werde deinen Vater überzeugen, das du bei mir sicher bist. Und das wir uns lieben. Und das wir..."er errötet ...dann befeuchtet er hektisch die Lippen mit der Zunge. "Hör zu. Ich bin in zwei oder drei Stunden zurück , ja? dann ist Pause. Danach nochmal eine Stunde und dann haben wir den Rest des Tages für uns. Dann möchte ich dir gerne etwas sagen. Etwas sehr wichtiges."

"Okay." Ich nehme sein Gesicht in meine Hände. "Komm zu mir zurück, ja?"

Er zieht die Augenbrauen zusammen, lächelt aber nicht dabei. "Natürlich Apollonia, ich ziehe ja schliesslich nicht in den Krieg." Er küsst mein Stirn und begleitet mich in mein Zimmer. "Lass niemanden außer Alina rein, ja?" Er hält einen Schlüssel in die Höhe. Ich möchte, dass du die Tür abschließt." Mir bleibt der Mund offen stehen. "Wo hast du den her?" Empörung macht sich in mir breit.

PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt