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Santino

Ich schwimme in einem Meer aus Öl. Irgendwo in der Nähe muß ein Tanker gekentert sein oder sowas. Wo sonst soll das ganze zähflüssige schwarze Zeug herkommen? Meine Arme ermüden mit jedem Zug ein bisschen mehr. Aber in der Ferne ist ein schmaler Streifen Nebel erkennbar. Ihn muß ich erreichen. Ganz egal was passiert.

Eine tiefe Stimme ruft meinen Namen. Sie klingt aufmunternd und genervt zugleich. Ich bin jetzt so sehr darauf fixiert, dass mir mehrere Schwimmzüge auf einmal gelingen. Wie habe ich jetzt so schnell das Ufer erreicht?

Träge strecke ich meine Arme aus und der Nebel zerteilt sich. Oh Mann. Wer ist dieser hässliche Kerl der sich da über mich beugt? Ich versuche die Visage wegzublinzeln, ohne Erfolg. „Signor Andoloni. Willkommen zurück!" Hallt die viel zu laute Stimme durch den zerreissenden Nebel.

Verworrene Bilder drängen sich zurück vor mein inneres Auge und lassen die Müdigkeit abrupt verschwinden.

Martha, die Knarre in ihren Händen, Lonia.

„Apollonia?!"

Ich richte mich so ruckartig auf, dass ein rasendes Pochen irgendwo in meiner linken Schulter mich dazu zwingt laut aufzuschreien.

„Langsam. Nicht so schnell. Sie sind soeben aus der Narkose erwacht."

Die Visage runzelt die lächerlich hohe Stirn.

„Wo ist Apollonia?"

„Ich will zu ihr!" Meine Stimme ist ein erbärmliches Krächzen. Und nie zuvor hatte ich einen so ekelhaften Geschmack im Mund. Als hätte ich stundenlang auf rostigen Nägeln herum gebissen.

„Ach so, Sie meinen ihre Freundin. Sie hat schon mehrmals nach ihnen gefragt."

Langsam erweitert sich mein Sichtfeld . Die Visage gehört einem Mann in grüner OP Kluft. „Ich bin Dr. Cerullo," stellt er sich vor.„ Ich habe Sie operiert."

Neben ihm steht eine junge Frau in derselben grünen Kleidung. Ein Stethoskop hängt um ihren Hals.

Die perlrot geschminkten Lippen verziehen sich zu einem Lächeln.„Ihre Freundin wartet auf ihrem Zimmer."

„Auf ihrem Zimmer ?" Ein schmerzhafter Pulsieren schnürt mir die Luft ab. „Wieso ...geht es ihr nicht gut? Ist sie verletzt? Bitte bringen sie mich zu ihr!"

Die Frau wirft einen Blick in Richtung des Arztes.

„Keine Sorge. Es geht ihr gut. Sie hatte einen Schwächeanfall, nichts weiter. Sie wurde sicherheitshalber kurz nach ihnen hier eingeliefert, und wir haben sie ein bisschen durchgecheckt." Sie grinst verschwörerisch. Hat sie mir eben ein Auge zugekniffen? Oh Mann, was hat das jetzt wieder zu bedeuten?

„Danach hat sie versprochen, etwas zu schlafen."

Der Arzt seufzt, kommt auf mich zu und fummelt an meiner Schulter herum.

Ein dicker Verband ist quer um meine Brust gewickelt. Aus meiner linken Schulter ragt ein dünner Schlauch heraus und endet in einer Plastikflasche, die seitlich am Bett befestigt ist und in der sich mein Blut sammelt.

„Eine Drainage," erklärt Dr. Cerullo lächelnd. „Können wir übermorgen entfernen, wenns gut läuft."

„Mann hatten sie ein Glück". Fügt er mit weniger amüsierter Miene hinzu. Die Kugel hat die innere Carotisarterie um nur wenige Zentimeter verfehlt. Trotzdem haben Sie viel Blut verloren.

Der Kerl fängt an mir auf die Nerven zu gehen. Es war knapp, okay, hab ich kapiert. Warum jetzt noch darüber reden und wichtige Zeit verschwenden, die ich mit Lonia verbringen könnte?!

PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt