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-Auch der Teufel war einst ein Engel- Sizilianisches Sprichwort

Raffael

"Vergiss nicht mich zu benachrichtigen wenn die Operation beendet wurde. Diese lästige Angelegenheit muß endlich vom Tisch. Ich habe schliesslich genug Sorgen, verdammt!"

Der Alte legt die Stirn in Falten. Daumen und Zeigefinger wandern einen Moment zur Nasenwurzel und verharren dort. Das verzogene Töchterchen scheint seine Gedanken noch zu beherrschen.

"Don Greco?" Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter."Soll ich ihre Tochter nicht doch lieber zurückholen lassen?"

Es schmerzt,  dass er meine Hand ansieht, als wäre sie ein widerliches Insekt .

Ich lasse sie von seiner Schulter gleiten, um sie daran zu hindern sich um seinen Hals zu legen.

Der Alte lässt sich in seinen Ohrensessel plumpsen und klingelt nach der fetten Donata. "Ein Whiskey bitte!" ruft er ihr zu als sie sich mit ihren Tippelfüssen dem Wohnzimmer nähert. 

"Ich habe meine Kinder verwöhnt. Das gilt besonders für meine Tochter. Viellicht liegt es daran, dass man ihr so früh die Mutter genommen hat." Sinniert er und fährt sich mit den Händen über den Bauchansatz. Ein Beweis dafür, das er alt wird. Und behäbig. Behäbigkeit ist nicht gut, wenn man ein Don ist. Aber die Behäbigkeit des Don ist gut, wenn man sein Vertrauter ist. Ein Vertrauter, den er verraten hat. Er hat das Mädchen gehen lassen, das meine Frau werden sollte. Mit einem Mann, der ihre Ehre mit Füßen treten wird. Und das alles nur, weil er eine sentimentale Schwäche für seine Kinder hat.

"Ich weiß was du denkst Raffael." Er hebt eine Hand um mich zu beschwichtigen. "Mache dir keine Sorgen. Er wird sie nicht anrühren."

"Er hat sie auf seinen verdammten Händen getragen! Don Greco." Zische ich.

Der Alte nippt an dem Drink. In meinen Gedanken schwimmt Gift darin, das in Sekundenschnelle sein Blut infiltriert. Es wäre so einfach. Doch ich muß besonnen bleiben. Besonnenheit ist eine Waffe.Harmlos auf den ersten Blick, tödlich auf den zweiten. Das Opfer muß sich stets in Sicherheit wiegen. "Der Junge hat ein Helfersyndrom, das ist alles. Sie wird in seine.."Er braucht eine Weile, bis er sich überwinden kann das Wort auszusprechen. "WG ziehen und sie werden eine Zeit lang zusammen leben. Aber nicht als Paar."

"Don Greco. Bei allem Respekt. Sie wissen doch, was früher oder später passieren wird."

"Schweig!" Der Ausdruck seiner wässrigen Augen steht dem Trotz seiner Tochter in Nichts nach.

"Er weiß das es verboten ist."

"Ach ja? Und warum?"

" Er ist Sizilianer."

"Was hat das schon damit zu tun?"

" Er wird ihre Unschuld ausnutzen. Sie beschmutzen. Wie kann ihnen das so gleichgültig sein?"

"Ich kenne seinen Vater."Der Alte verzieht das Gesicht und stellt das Glas beiseite.

"Seinen Vater?"

Er greift erneut nach dem Drink. Unter der dünnen Haut seines Handrückens zeichnen sich die Adern ab wie blaue Würmer. " Ja. Don Andolini. Vor langer langer Zeit waren wir Freunde."

Die Worte des Alten hallen in meinen Ohren wie der Schlag einer Explosion, die mich jeden Moment in Stücke reissen wird.

"Der Kerl mit dem sie ihre Tochter zusammenziehen lassen ist der Sohn des Mannes ,den sie auf der ganzen Welt am meisten hassen?"

"Sie muß ihre eigenen Erfahrungen machen. Doch sie wird dabei nicht allein sein.Die Familie wird ihr niemals den Rücken zuwenden. Ganz gleich wie oft sie selbst es auch getan hat."

"Noch dazu ist sie mein Blut. Ihre Mutter hätte gewollt, das sie ihr Glück findet. Oder beim Versuch es zu finden scheitert. In beiden Fällen werde ich für sie da sein."

"Du verdammter alter Sack," denke ich im Stillen. "Du hast sie mir versprochen. Sie sollte mich heiraten. Mich. "Und ich wollte der nächste Don sein. Nicht Armando dieser pathetische Schwächling mit dem schwankenden Gemüt und der bipolaren Störung.

Ich. Raffael Mancuso, Ehemann der Tochter von IL Greco, werde das Erbe meines Schwiegervaters antreten. Jenes Don, der durch einen  tragischen Autounfall den Tod finden soll. Sobald die Zeit reif ist. Doch zuerst soll sein Sohn an der Reihe sein. Der andere ist ja kaum als solcher zu bezeichnen. Und nach dem tragischen Tod ihres Bruders wird sie Trost in meinen Armen suchen.Sie wird ihre Missetaten bereuen und mich um Vergebung bitten.

"Apollonia ist schön. Bedenken Sie doch, dass ihr genau diese Schönheit zum Verhängnis werden wird, wenn sie sie mit diesem Dreckskerl zusammen ziehen lassen."

"Wage nicht, meine Intelligenz in Frage zu stellen." Die Stimme des Don ist zu einem heiseren Flüstern geworden. Zeit ihm Argumente zu liefern, die nicht von den blutigen Händen zu weisen sind.

"Don Greco. Wenn ich mich Recht erinnere, haben Sie Don Andolinis Sohn damals etwas schreckliches angetan."

Das Wasser in seinen Augen gefriert zu Eis "Nein," sinniert er, "nicht ich war es, der das getan hat. Sondern du."

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Der Auftrag des Alten führt direkt in den verkommensten Teil dieser Stadt. Basile, der kleine Wichser hat die ganze Fahrt über geraucht. Ich habe ihm mehrmals gedroht, ihm die Melone wegzupsuten , aber er hat nur gegrinst und einen tiefen Zug genommen um dann den Rauch in meine Richtung zu blasen.

Es ist echt zum Kotzen, wenn die Leute wissen das man sie nicht ohne Konsequenzen aus dem Weg schaffen kann. Aber er weiß ja nicht das er nichts weiß. Irgendwann werde ich ihm aus dieser Tatsache den Strick drehen an dem er krepieren wird.

"Halt da vorne an." Befehle ich. Die Parkbucht zwischen den beiden Backsteinhäusern liegt im dunklen. Die Strassenlaternen funktionieren hier nur noch vereinzelt. Doch jetzt im Frühling wird es eher hell. Wir sollten uns beeilen.

Stimmen von Besoffenen dringen zu uns herüber. Schimpfworte und Flüche werden lallend ausgetauscht. Unser Patient ist jeden Abend mit von der Partie. Meistens im Hauseingang der 13. Wie passend das diese Zahl heute tatsächlich sein sinnloses Schicksal besiegeln wird.

"Da drüben an der Mauer." Basile deutet auf einen Wall aus kaputten Steinen. Tatsächlich lehnt dort eine schmale Gestalt. Es besteht keinerlei Zweifel, das er der Patient ist, für den jede Hilfe zu spät kommen wird. Basile und ich haben ihn ein paar Mal aus den Schatten heraus beobachtet. Nachtaus Nachtein hat er holländisches Gras an die Gescheiterten gebracht. Diese Bagatell-Dealer interessieren uns normalerweise nicht. Wir lassen sie gewähren, solange sie unsere Geschäfte nicht stören. Aber vor zwei Jahren hat er der Schwiegertochter eines einflussreichen Klienten übel mitgespielt. Die Bewährungsstrafe, mit der er letzendlich davonkam ist lange genug ein Segen für ihn gewesen.Nun ist Zeit das er den Fluch zu spüren bekommt.  

Wortlos ziehe ich mich zurück. Hinter der Nische mit den Mülltonnen habe ich eine hervorragende Sicht. Auch wenn es hier fürchterlich stinkt. Automatisch stelle ich auf Mundatmung um und sehe zu wie Basile sich dem Typen nähert. Sofort fängt der Kaputte an zu blaffen, wer er denn sei und was er wolle. Die Antwort interessiert ihn schon nicht mehr, denn Basiles Arm schnellt auf Bauchhöhe nach vorne und der Kerl kippt zur Seite. Weitere Stiche im Bereich des Oberkörpers folgen. Schnell und präzise saust das Messer vor und zurück. 

Als das grausige Werk vollendet ist, beugt Basile sich herunter und zieht das Messer in seinen Ärmel zurück. In der Luft hängt der Geruch von frisch geschlachtetem Schwein. Automatisch muss ich an  Lonia denken. Diese störrische kleine Hexe. Selbst bei meinen Operationen kann sie mich nicht in Ruhe lassen.  Meine Gedanken wandern zu dem Moment heute Vormittag. Wie sie auf dem Stuhl sass . Mit ihren großen Augen und dem haselnussfarbenem Haar sah sie aus wie ein  Reh vor dem Lauf der Flinte eines unbarmherzigen Jägers.  Vielleicht sollte ich den Blutrausch nutzen und Basile einen weiteren Mord begehen lassen. Einen ausserplanmässigen. Einen, der nicht nur den Alten über alle Maßen schmerzen wird.

Aber nein, diese Operation werde ich selbst ausführen. Es wird mir eine Ehre sein, den Patienten unter meinen eigenen Händen wegsterben zu lassen.


PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt