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Santino und ich lauschen sekundenlang in die Stille , bevor es ein zweites Mal klingelt. Dann ein drittes Mal. Er springt mit einem Satz vom Bett und fährt mit einer Hand unter die Matratze.. Mein Mund formt ein perfektes stummes O als er eine Waffe darunter hervorzieht.

"Santino..." stammle ich. Mehr bringe ich nicht hervor. Das Bild das ich von meinem ach so freien neuen Leben hatte ist dabei, komplett in sich zusammenzufallen.

"Legst du bitte die Waffe weg?!"

Er geht nicht auf meine lächerliche Aufforderung ein, sondern hastet zur Tür und sieht sich nach mir um . "Du bleibst hier. Egal was passiert. Verlasse nicht dieses Zimmer, hast du verstanden?"

"Vielleicht ist es nur der Postbote," versuche ich nicht nur ihn, sondern auch mich selbst zu belügen.

"Ja , sicherlich. Auf einem Sonntag".

"Ziehst du immer eine Waffe, wenn es an der Tür klingelt ?" Ich versuche ein Grinsen zustande zu bringen, was aber kläglich misslingt.

Santino steht da, die Waffe in der Hand erwiedert er meinen Blick. Das dunkle Haar vom Schlafen zerwühlt, die grauen Augen glasig. Auf seinem hellen T Shirt sind die schwarzen Schlieren meiner Wimperntusche erkennbar."Dir ist ein Kerl gefolgt, hast du gesagt."

" Ich habe nie gesagt das es ein Kerl war. Ich habe gesagt das Engelsgesicht." Wispere ich.

"Merda!" Zischt Santino. Dann wendet er sich um. Doch er tut es langsam , es kommt mir beinahe vor, als wolle er noch etwas sagen.

Denk an dein Versprechen. Mahnt mein Unterbewusstsein. Doch wer dem Tod ins Auge sieht, und ich bezweifle keine Sekunde das wir das beide gleich tun werden, erkennt, dass in seinem Angesicht selbst das feierlichste Versprechen an Bedeutung verliert. Alles was es braucht ist ein gutes Argument. Und Santino ist so ein Argument.

"Santino warte!"Er hält inne. So, als hätte er nur darauf gewartet. Das Klingeln wird beharrlicher. Ich stehe auf und ignoriere den zunehmend drängenden Blick. Die Anspannung in Santinos Augen liefert sich einen Wettstreit mit den Emotionen die sich darin spiegeln. Zaghaft nehme ich sein Gesicht in meine Hände. Der drängende Blick wird durch eine verblüffte Sanftheit ersetzt , als unsere Lippen sich berühren. Wir schliessen unsere Augen. Santino zieht zärtlich an meiner Unterlippe und streicht mit der Zunge darüber. Langsam gleitet sie in meinen Mund wo sie auf meine Zunge trifft, was ein elektrisierendes Kribbeln in meinem Körper auslöst. Er seufzt leise als sich unsere Zungen im Gleichtakt zu bewegen beginnen. Doch kurz darauf löst er sich von mir. 

"Das wollte ich schon die ganze Zeit tun," gebe ich zu. "Dito, "erklärt er heiser.

Der Arm, mit dem er mich gerade noch gehalten hat, wandert zum Bund seiner zerknitterten Anzughose um die Waffe dort hineinzuschieben . "Bis gleich Kleines!" wispert er und verlässt das Zimmer. Mit zugeschnürter Kehle und einem dumpfen Schmerz im Magen, presse ich ein Ohr gegen die Tür. Wenn er Hilfe braucht, werde ich nicht zögern sie ihm zu geben. Das Problem ist nur, dass ich wahrscheinlich alles schlimmer machen würde, wenn ich mich seiner Anweisung widersetzte und das Zimmer verlasse. Denn ich bin mir sicher, dieser Besuch gilt mir. Und Santino weiß das auch.

Santinos tiefe Stimme hallt zu mir herüber, als er die Sprechanlage betätigt. Dann ist das sirrende Geräusch des Türsummers zu hören. Er lässt die Person rein. Verdammt. Warum tut er das?

Doch ich kenne die Antwort. Wer auch immer das ist, sollte er es auf mich abgesehen haben, die Tochter des Don, wird er sich ohnehin Zutritt verschaffen. So der so.

Ein Klicken ist zu hören. Dieses Geräusch ist mir nur allzu vertraut. Santino hat die Waffe entsichert.

Er ist ein Mafiosi, verkündet meine innere Stimme voller Schadenfreude.

PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt