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Wir sitzen in der Notaufnahme der Privatklinik, in die mein Vater gebracht wurde. Vito ist so schnell wie möglich mit Enza nachgekommen, sie sitzt neben mir und hat mitleidig einen Arm um meine Schultern gelegt. Tomasso hat mich in seinem Auto mitgenommen. Er bestand darauf, und ehrlich gesagt, habe ich die Fahrt hierher nur verschwommen wahr genommen. Die Situation ist noch immer so unwirklich und viel schlimmer als die Alpträume, die mich seit meinem 7. Lebensjahr begleiten. Vielmehr ist es, als hätten sie sich mit der Realität verbündet um mir zu zeigen, dass es mir niemals gelingen wird ihnen zu entfliehen.

Mehr denn je wünschte ich, Sonny wäre noch an meiner Seite. Die Sehnsucht nach ihm vermischt sich mit der Angst um meinen Vater und legt sich wie ein schmerzhaftes Gewicht auf meine Brust. Aber Sonny ist fort und selbst wenn wir uns bald wiedersehen, wird er nie wieder der Mann an meiner Seite sein. Die Demütigung, welche ich ihm angetan habe, wird er mir niemals verzeihen.

Ich spüre den Drang mich zu übergeben , doch jedesmal wenn ich zur Toilette laufe und mich über die Schüssel beuge, bringe ich nichts als ein trockenes Würgen hervor.

Völlig ausgelaugt starre ich auf den hellgelb gestrichenen Fetzen Wand zwischen Big Toms und Tomassos Köpfen. Dann und wann trifft mein Blick auf die dunklen Augen von Tomasso. Er sieht aus, als wisse er nicht recht, ob er es wagen soll mir aufmunternd zuzulächeln. Jedesmal, wenn seine Mundwinkel sich zu einem Lächeln heben, sinken sie auch schon wieder herab.

Gleichgültig lasse ich den Blick weiter zu Big Tom schweifen, der mit verschränkten Armen dasitzt und ein Gesicht macht wie ein Kleinkind, dem man sein Eis weggenommen hat.

Mein Herz hämmert wild gegen das noch immer schmerzende Brustbein, als eine Ärztin sich uns nähert. Ihre Gummiclogs quietschen auf dem Linoleumboden.

"Familie Greco?"

"Ja," hastig springe ich auf.

" Ich bin seine Tochter."

"Guten Tag. Ich bin Francesca Mantino und die behandelnde Ärztin ihres Vaters. Wir haben ihn zunächst reanimieren können und anschließend operiert. Auch gelang es uns, die verschlossenen Gefässe zu öffnen. Ihr Vater befindet ich jetzt auf der Intensivstation."

"Darf ich zu ihm?" Erkundige ich mich . Die Ärztin schüttelt den Kopf. " Er ist nicht bei Bewusstsein. Sie können hier nichts für ihn tun. Kommen sie morgen wieder, dann wissen wir mehr."

"Komm." Enza legt mir eine Hand in den Rücken. Ich habe keine Kraft mehr mich zur Wehr zu setzen und lasse mich aus der Klinik zum Parkplatz führen, um mich von von Big Tom zusammen mit Sonnys Eltern und Tomasso zurück zum Schloß bringen zu lassen.

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Nachdem wir Zuhause angekommen sind, murmele ich eine Entschuldigung und gehe schnurstracks in mein Zimmer. Ich ertrage die mitleidigen Blicke einfach nicht, mit denen Enza und vor allem Tomasso mich ansehen.Ohne mir die Mühe zu machen, mich umzuziehen, geschweige denn mir die Zähne zu putzen, ziehe ich die Vorhänge zu und lege mich ins Bett.

Immerhin schaffe ich es am nächsten morgen, eine Dusche zu nehmen und frische Sachen anzuziehen. Ausgelaugt von der schlaflosen Nacht, trete ich den Weg ins Esszimmer an. Enza ist offenbar früh aufgestanden, um mich mit einem liebevoll angerichteten Geburtstagsfrühstück zu empfangen. "Alles Gute zum Geburtstag, Apollonia" sie umarmt mich herzlich und auch Michele schliesst mich in eine Umarmung. Das Herz des Katzenmenschen schlägt langsam und gleichmäßig. Die Gerüchte stimmen also nicht. Es ist sehr wohl ein Herz in seiner Brust vorhanden. Mühsam , um Enza nicht zu enttäuschen, würge ich ein paar Bissen des Frühstücks herunter.

Schreckhaft zucke ich zusammen, als mein Handy klingelt. Die Nummer, die auf dem Display erscheint, ist mir nicht bekannt. Als ich den Anruf annehme und Dr. Mantinos Stimme höre, spüre ich einen Anflug von Schwindel. In emotionslosem Tonfall teilt die Ärztin mir mit, das ich sofort zur Klinik kommen solle und zwar nicht allein.

PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt