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Ein viel zu grelles Licht zwingt meine Augenlider dazu sich zu öffnen. Blinzelnd halte ich mir die Hand vor die Augen.

"Lonia? Mio, beinahe hätte ich dich übersehen," erkenne ich die Stimme von Big Tom, der mir mit einer großen Taschenlampe direkt in die Augen leuchtet. Bevor ich irgend etwas sagen kann, hebt er mich hoch und legt mich über seine Schulter.

"Die Sachen holen wir morgen. Du gehörst jetzt erstmal ins Bett."

"Ich möchte hier bleiben," murre ich und kneife die Augen zusammen. Doch Big Tom stampft schon über das weiche Moos den Weg entlang zum Schloss.

Ich halte die Augen den ganzen Weg über geschlossen und auch als wir am Schloss ankommen, was ich anhand des Knirschens der Kieselsteine unter Toms Füßen und des Geflüsters einzelner Bodyguards feststelle, öffne ich sie nicht. Es ist, als mache ich mich allein dadurch unsichtbar, dass ich keinen anderen mehr sehen muß.

" Sie lag auf der Mooslichtung. Am kleinen See." brabbelt Big Tom.

"Hat Carlo gesagt was vorgefallen ist? " Erkundigt Nunzio sich mit gesenkter Stimme.

"Nee. Meinte nur ich solle sie da weg holen. Mehr war nicht aus ihm raus zu bekommen. Schätze sie haben sich gestritten, oder so."

Offenbar denken sie, ich würde sie nicht hören.

Ohne eine Reaktion zu zeigen, lasse ich mich von dem menschlichen Fels die Treppe hoch direkt in mein Zimmer tragen, wo er mich auf dem Bett ablegt, mir eine gute Nacht wünscht und verschwindet.

Mühsam ziehe ich mich aus und krieche unter die kalte Bettdecke, um auf die Alpträume zu warten. Jetzt wo Sonny nicht mehr bei mir ist, werden sie zurückkehren, doch ich fürchte sie nicht mehr. Als ich die Augen öffne, erkenne ich durch das Fenster den Sternenhimmel unter dem Sonny und ich gerade noch gelegen haben. Immer wieder kämpfe ich gegen den schmerzhaften Drang an, einfach in sein Zimmer hinüberzugehen, mich zu entschuldigen und ihm alles zu erzählen. Doch die Angst, in einer Welt ohne ihn leben zu müssen, trägt den Sieg davon.

Raffael ist eine Ratte. Stets ist er einen Schritt weiter als seine Gegner. Das hat ihn schon immer ausgezeichnet.

Ich setze mich abrupt auf, als ich das Knallen einer Tür gefolgt von hastigen Schritten höre, die die Treppe herunter poltern. Ich tappse zur Tür und öffne sie einen Spalt, doch der Flur liegt wieder in völliger Stille. In dem Glauben, mir die Schritte nur eingebildet zu haben, lege ich mich zurück ins Bett, bis ich höre wie jemand Sonnys Namen ruft. Mit zittrigen Beinen stehe ich auf und tapere zum Fenster.

Ein Gewirr diskutierender Stimmen ist zu hören, bricht abrupt ab und ein Mann eilt aus dem Schloß. Die Laternen auf dem Vorplatz hüllen Sonnys hochgewachsene Gestalt in ihr helles Licht. Das dichte Haar ist sorgfältig nach hinten gekämmt. Als würde er wissen, dass ich hier oben stehe, hält er inne und sieht hinauf zu meinem Fenster. Ich bin kurz davor, es zu öffnen und ihm zuzurufen, dass es mir leid tut, dass er zurückkommen soll und ich ihn über alles liebe, doch genau in diesem Moment dreht er sich um, steigt in den grauen Porsche und der Motor heult auf. Mit dröhnendem Brummen rollt das Auto vom Hof.

Kurze Zeit später verlassen zwei weitere Männer das Schloß. Einer von ihnen ist etwas kleiner als sein Begleiter. An dem zur Seite gescheiteltem Haar und der schlaksigen Gestalt erkenne ich Nunzio. Der andere ist Andolini. Sie sprechen ein paar Worte , bevor Nunzio in einen schwarzen Mercedes steigt. Die Kieselsteine knirschen protestierend, als er mit Vollgas vom Hof fährt, offenbar um Sonny zu folgen.

"Es ist besser so," wispere ich vor mich hin , bevor ich zurück ins Bett krieche und auf die Tränen warte, doch sie kommen nicht. Es ist ,als hätte Sonny jegliches Gefühl in mir mit sich genommen.

PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt