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Man kann problemlos behaupten, ich sei Einiges gewohnt. Doch Capriccios aufgedunsene Fratze und die blicklosen Augen, welche durch mich hindurchstarrten, sollten mich noch lange verfolgen. Seine zerbeulte Visage mischte sich unter die Gesichter all der anderen, die es sich zur Gewohnheit gemacht haben mich in den Nächten heimzusuchen.

"Scheißeee! Was ist passiert?" Tills fassungslose Miene lässt mich wissen, dass die Make-Up Strategie nicht von Erfolg gekrönt wurde.

"Wer zum Teufel war das?"

"Bin gestolpert. "Lüge ich wieder mal, in der lächerlichen Hoffnung meinen Kommilitonen damit zum Schweigen zu bringen.

" So langsam wirst du mir unheimlich. Echt ey."Entgegnet er misstrauisch. Das war dein Bruder stimmt's? Dieser Armano. " Verächtlich verzieht er das Gesicht.

"Armando", verbessere ich ihn und spüre einen Klos im Hals. Es ist erst wenige Tage her, dass er hier an der Uni auf dem Rasen stand um mich abzuholen, aber es kommt mir vor, als sei inzwischen eine ganze Ewigkeit ins Land gezogen. Und nun weiß ich nichtmal, ob ich ihn jemals wiedersehen werde.

"Nein. Amo würde mich niemals schlagen," versichere ich wahrheitsgemäß.

" Und wer war es dann?" Beharrt Till.

"Niemand." Ich bin gestolpert, wie schon gesagt.Bin auf die Wange gefallen. War ganz blöd das Ganze."

" Oh Mann, entweder du bist echt supertollpatschig oder du nimmst irgendein blödes Arschloch in Schutz, das es mit Sicherheit verdient hat mal ordentlich die Fresse poliert zu bekommen." 

Er beugt sich herunter und mustert mein Gesicht genauer. Sein Kaugummiatem streift über meine Haut.

"Überhaupt siehst du aus, als hättest du gerade eine Leiche gesehen oder so."

Wenn du wüsstest wie recht du damit hast, antworte ich innerlich.

"Ich möchte jetzt nicht weiter darüber reden,okay?" Erkläre ich stattdessen.

Beim erneuten Gedanken an die Leichen, die mit ihren erbleichten Gesichtern meinen Weg pflastern,  wird mir schon wieder übel. Begierig warten sie jeden Abend darauf, dass ich einschlafe, um mich in meinen Träume besuchen zu kommen. Ich wünschte, ich könnte sie allesamt  vergessen. Doch das werden sie niemals zulassen. Sie sind Teil meiner Geschichte geworden, zusammen mit all den Dingen, die hätten sein können wenn es mich nicht geben würde. Es ist ihre Art der Rache, mich auf diese und viele andere Arten heimzusuchen. Ich fürchte den Tag, wenn sie wieder zum Leben erwachen. Aber das ist unmöglich. Tot ist tot. Oder nicht?

"Hey, Apollonia. Ist schon okay. Wenn du drüber reden willst, ich bin da, ja?" Till knufft mich freundschaftlich in die Seite. 

"Okay." Erleichtert stoße ich die Luft aus. Wenn er noch länger nachgebohrt hätte, wäre ich wahrscheinlich ausgerastet.  Mein Nervenkostüm habe ich längst verloren. Ich bin jetzt quasi nackt und hoffe nur noch, dass niemand es bemerkt.

"Wo ist eigentlich deine Freundin?" erkundigt sich der Kommilitone. Der misstrauische Unterton hat seine Stimme noch immer nicht verlassen.

Ich zucke die Schultern. "Hatten Streit. Ich werde jetzt erstmal von einem Verwandten hergebracht." Wieder eine Lüge. Wie leicht mir diese fadenscheinigen Worte über die Lippen gehen. Fast glaube ich all die Unwahrheiten selbst, die ich seit meiner frühen Kindheit von mir gebe.

Das Lügen ist Teil meines Lebens. Weil ich ein Kind der Mafia bin. Das Kind eines Teufels . Genau wie der Verräter. Aber an ihn darf ich schon gar nicht denken.Denn entgegen allem, was ich mir einzureden versuche ,tut  es weh von dem Menschen verraten worden zu sein, den man...verdammt nein, nicht dieses Wort. Soweit werde ich mich nicht erniedrigen. Nichtmal in Gedanken.

PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt