Night changes

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(Sherlocks POV)

John ist gegangen. Er hat nichts gesagt, aber das brauchte er auch nicht. Ich weiß, wo er ist. Und ich weiß auch, was er dort gerade tut. Ich will es mir nicht vorstellen und tue es doch. Wir verbringen unsere Zeit lieber anders, wissen Sie? Da war so viel „Greg und ich" und „Pärchen" in seinen Worten, und gar kein Platz mehr für ein bisschen „Sherlock". Ich bin wütend auf John. Aber ich weiß nicht, warum.

Es ist schon nach Mitternacht, aber ich kann nicht schlafen, weil meine Gedanken immer wieder zurück zu ihm wandern. Ich kann nicht aufhören, an John zu denken. Wenn ich die Augen schließe, dann sehe ich ihn. Ihn und sein Lächeln und das, was wir haben könnten, aber niemals haben werden. Ich weiß, was das bedeutet. Das weiß ich sogar sehr gut. Aber einsehen werde ich es nie. Weil es nicht richtig ist und auch nicht wahr. Und weil es jetzt Lestrade gibt. Ein Mann, der mehr von John hat, als er verdient. Verdiene ich ihn überhaupt?

Ich drehe mich auf Seite, lösche das Licht und starre in die endlose Schwärze der Nacht. Ich denke über unseren Fall nach, der eigentlich gar kein Fall ist. Lestrade weiß nichts davon und Mycroft auch nicht. Wieso sollten sie das auch? Es ist nichts passiert, was besorgniserregend gewesen wäre.
John und ich waren spazieren, weil er meinte, es würde mir guttun. Womöglich hatte er einfach nur gehofft, Lestrade zu begegnen. Es hat geregnet und wir haben geschwiegen. Ich hätte ohnehin nicht gewusst, was ich sagen soll. Und dann habe ich sie gesehen. Zwei hochgewachsene Gestalten in der schwachen Reflektion eines Schaufensters. Sie haben uns verfolgt, mehrere Straßen weit, nicht mehr als zwei dunkle Flecken zwischen den Menschenmengen. Zuerst habe ich es für mich behalten, weil ich mir sicher war, dass John mich wieder für paranoid halten und mir sagen würde, ich sollte aufhören, wie besessen nach einer möglichen Gefahr zu suchen.
Es gibt gerade nichts für Sie zu tun, Sherlock. Sie sollten lernen, auch mit der Ruhe zu leben. Akzeptieren Sie, dass nicht jeder Mensch etwas Böses will.

Dann habe ich es gehört. Ein leises Klicken, so leise, dass es der Regen beinahe übertönt hätte. Mein Herz hat einen Satz gemacht. Ich habe John angesehen und er hat meinen Blick erwidert und gelächelt. Er hat es nicht gehört. Er hat mich bloß angeschaut und den Mund geöffnet, als wollte er etwas sagen. In dem Moment haben sie auf uns geschossen. Und ich habe John am Arm gepackt und bin gerannt, bis wir wieder unter Menschen gewesen sind.

Ich schließe die Augen, sehe den Moment vor mir, John im milchigen Licht der Laterne, seine Augen, deren Blau so weit und tief gewesen ist, dass sie endlos ausgesehen haben, der Ausdruck in ihnen, glitzernd und fremd, sein Lächeln, sein Gesicht, das meinem immer näherkommt. Dann spüre ich wieder seinen Atem auf meinen Lippen, spüre, wie er flacher wird, je dichter er mir kommt, dann seinen Mund auf meinem, seine Zungenspitze, seinen Oberkörper, der gegen meinen reibt. Ich habe nicht gewusst, ob ich zurückweichen oder ihm entgegenkommen soll. Ich wusste auch nicht, wohin mit meinen Händen oder den plötzlichen Gefühlen, die mein Inneres in Brand gesetzt haben. Ich habe nur noch John gespürt. Und das sehnsüchtige Ziehen in mir.

Wenn ich jetzt daran denke, wird alles in mir heiß und eng. Und ich schäme mich. Weil jede seiner Bewegungen mir verraten hat, dass er genau weiß, was er tut, während ich mir über alles den Kopf zerbrochen habe. Und weil ich danach zwar etwas gesagt habe, es aber nicht das Richtige gewesen ist. Weil ich eigentlich etwas anderes sagen wollte. Aber am meisten schäme ich mich dafür, dass ich mir wünsche, er würde fühlen, was ich fühle. Gerade, als ich das denke, trifft die SMS ein.

Die SMS ist anonym, die Nummer unbekannt. Gegen meinen Willen muss ich lächeln. So beginnen die Fälle, die mir am meisten Spaß bereiten. Mit ein paar Zeilen Text ohne einen Absender. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Ich bin hellwach und eine Mischung aus erregt und unruhig. Meine Finger kribbeln, als ich die Nachricht öffne. Ich überfliege sie, lese sie noch einmal, immer und immer wieder, während das Adrenalin elektrisierend durch meinen Körper jagt. Verschwunden, Strychnin, Angst, Studien, Geheim. Die Worte verschwimmen vor meinen Augen, ich blinzle, einmal, zwei Mal, sehe wieder klar, schlucke, befeuchte meine Lippen, springe auf, stürze hektisch zu Johns Laptop. Dann die ernüchternde Feststellung. Falsches Passwort.

When they kissedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt