The only one

439 30 21
                                    

(Johns POV)

Seit dem Kuss ist etwas anders zwischen uns. Ich kann nicht sagen, was es ist, nur, dass sich etwas verändert hat. Es fühlt sich schwer an, aufgeladen, wie ein Gewitter, das jeden Moment über uns hereinbricht. Als hätte sich etwas verschoben.

Ich sehe zu Sherlock, aber er sieht nicht zu mir. Wir sitzen uns gegenüber, doch es ist, als lägen Welten zwischen uns. Wir reden nur noch selten und schweigen immer öfter. Man sagt, dass Schweigen wie reden ist, nur ohne Worte. Aber in unserem Fall ist das anders. Wenn Sherlock mich ansieht, sind seine Augen kühl und ausdruckslos. Ein Gesicht wie eine Wand. Auf einmal sind die Mauern wieder da, die ich längst überwunden hatte. Ich sehe sie in seinem Blick und in der Härte, die darin liegt. Es ist ein Blick wie ein Schlag. Und ich gehe jedes Mal an ihm zu Boden, obwohl ich alles tue, um ihn standzuhalten. Ich vermisse, wie es war, bevor ich ihn geküsst habe. Bevor ich die Grenze überwunden habe, die ich selbst so sorgsam gezogen hatte. Eine Freundschaftslinie.

Greg hat das zu mir gesagt. Ich habe neben ihm auf dem Sofa gesessen, eine Tasse Tee in der Hand und seinen Kater auf dem Schoß. Unsere Knie haben sich berührt und ich habe nichts gefühlt. Es war so normal, wie es das auch mal mit Sherlock gewesen ist. Bevor etwas in mir anders geworden ist. Bevor ich mir selbst fremd geworden bin. Und Sherlock mir immer nähergekommen ist.

Ich habe geglaubt, er wäre eifersüchtig auf Greg gewesen. Aber ich glaube, es hat ihm einfach nur nicht gefallen, dass es auch noch jemand anderen gibt, der mich auffängt, wenn ich den Halt verliere. Und das hat Greg.

In der vergangenen Woche war ich oft bei ihm. Ich wusste nicht, wohin ich sonst sollte, wenn ich Sherlock und mich nicht mehr ertragen habe, und ich mag ihn. Das tue ich wirklich. Greg ist ein angenehmer Mensch. Ruhiger und bedachter als Sherlock, aufmerksam und mit Sinn für Humor. Ich mag es, dass er versucht, mich zum Lachen zu bringen, und dass er es so lange tut, bis ich lache. Er kann gut zuhören - besser, als ich dachte. Er unterbricht mich nicht andauernd und kommentiert das, was ich sage, auch nicht ständig. Er schweigt und hört mir zu.
Manchmal braucht man nur eine Umarmung. Oder jemanden, der mit einem schweigt. Keinen Ratschlag, keine leeren Worte. Nur eine Umarmung und die Stille. Und das weiß Greg. Er gibt mir das, was ich so lange bei Sherlock gesucht habe. Nähe.

Ich sehe erneut zu ihm. Mein Blick trifft seinen so plötzlich, dass ich zusammenzucke. Ich hatte nicht erwartet, dass er ihn erwidern würde. Seine Augen funkeln, so als hätte er meine Gedanken gelesen und würde sich darüber amüsieren. Aber sein Blick ist nicht amüsiert. Er ist durchdringend und direkt. Und er gefällt mir nicht. Weil es sich anfühlt, als würde er durch mich hindurch und direkt in meine Seele schauen.

„Sie denken an ihn", sagt Sherlock, gerade, als ich mich mit unserem Blickduell zufriedengeben will. Die letzte Woche haben wir uns hauptsächlich so verständigt. Wir haben uns angesehen und nichts gesagt. Und die Spannung zwischen uns ist mit jedem Mal ein wenig größer geworden.
„Wie kommen Sie darauf?", frage ich, und weiß, dass es sinnlos ist. Weil Sherlock mich kennt. Und weil ihm nichts entgeht.
„Sie denken oft an ihn." Sherlocks Gesicht bleibt ausdruckslos, als er das sagt. „Denken Sie, das wäre mir entgangen?"

Ich beiße mir auf die Lippe, unterdrücke das Verlangen, es ihm zu erklären, und zucke bloß unsicher mit den Schultern. Ich weiß, dass ihm nichts entgeht. Aber ich weiß auch, dass ich ihm nicht sagen kann, wieso ich so oft an Greg denke. Denn ich tue das nicht, weil er es ist, der diese Gefühle in mir hervorruft. Ich tue es, weil ich dabei an unsere Gespräche denken muss. Gespräche über Sherlock und mich.
Ich höre, wie Sherlock leise schnaubt.

„Ich bitte Sie, John. Sie waren in dieser Woche öfter bei ihm als hier. Und auch, wenn es mich wohl nicht genug interessiert, um mich näher damit zu befassen, wo Sie so viel Ihrer Zeit verbringen, ist es mir dennoch aufgefallen, wie verändert Sie seitdem sind."

Ich starre ihn an und sage nichts. Es interessiert ihn nicht? Mein Herz verkrampft sich und in meiner Brust wird es plötzlich ganz kalt und eng. Als ich schlucke, knackt es in meinen Ohren. Ich habe mich verändert? Deinetwegen habe ich das, du Idiot! Am liebsten würde ich ihn anschreien. Weil ich mir so sehr wünsche, dass er es bemerkt. Dass nicht nur ich dieses Knistern zwischen uns höre, diese unglaubliche Spannung spüre. Als wäre ein Faden zwischen uns gespannt, der uns zusammenhält und immer fester gezogen wird.
Ich habe mich nicht wegen den Besuchen bei Greg verändert. Vermutlich habe ich das schon, aber zu wenig, als das Sherlock es bemerken könnte. Der Kuss ist das, was mich verändert hat. Mehr, als es sollte. Mehr, als ich es mir eingestehen will.

„Ich hoffe, sein Tee ist nur halb so gut wie meiner?" Sherlock spielt scheinbar gelangweilt mit dem Saum seines Pullovers. Aber mir entgeht der Blick nicht, mit dem er mich mustert. Wachsam, beinahe prüfend. Als wollte er sicher gehen, dass es wirklich so ist.
„Ich ...", beginne ich und unterbreche mich direkt wieder. Ich senke den Blick auf meine Hände, als läge dort die Antwort, die ich so verzweifelt suche. „Um ehrlich zu sein, trinken wir kaum Tee."
Sherlock hebt eine Augenbraue.
„Aber Sie lieben Tee."
„Tue ich das?", erwidere ich schwach. Ich will, dass er aufhört zu reden. Und gleichzeitig will ich ihm ewig dabei zuhören.
„Davon bin ich ausgegangen."

Sherlock neigt den Kopf zur Seite und mustert mich nachdenklich. Diese Geste macht etwas mit mir, mehr, als sie sollte. Ich will, dass das aufhört. Dass dieses Surren verschwindet, was jedes Mal in der Luft liegt, wenn er mich ansieht, das Kribbeln und Brennen auf meiner Haut, das Gefühl, innerlich zu zerreißen. Ich will, dass alles wieder so wird, wie es früher einmal gewesen ist. Bevor ich Sherlock geküsst habe. Meinen besten Freund.

„Wir verbringen unsere Zeit lieber anders, wissen Sie", sage ich und bereue es noch im selben Augenblick. Am liebsten würde ich mich für diesen Satz ohrfeigen. Sherlock zieht die Augenbrauen hoch und ich bilde mir ein, so etwas wie Überraschung in seinen Augen zu entdecken. Offenbar hatte er nicht erwartet, dass ich ihm darauf eine Antwort geben würde. Vor allem keine, die so ehrlich ist und sich dabei so falsch anhört. Gerade, als ich noch etwas hinzufügen und mich erklären will, nickt Sherlock und steht auf.

„Ich verstehe", sagt er steif. „Tee trinken langweilt Sie also. Wenn Sie Glück haben, merke ich mir das womöglich sogar. Ich hoffe, ich habe Ihre Zeit nicht allzu lang vergeudet."

Er nimmt mir die noch halbvolle Teetasse aus der Hand und verschwindet in die Küche. Ich sehe ihm nach, sprachlos und verwirrt. Was war das denn eben? Stört ihn der Gedanke so sehr, dass er nicht mein einziger Freund ist? Dass es noch jemand anderen gibt? Oder stört ihn nur, dass er sich meine Aufmerksamkeit von nun an teilen muss?

Kopfschüttelnd stehe ich ebenfalls auf. Bevor ich in mein Zimmer gehe, drehe ich mich noch einmal um. Ich sehe Sherlocks schlanke Gestalt am Fenster und wie er nach seiner Geige greift. Kurz überlege ich, zu ihm zu gehen. Aber etwas in mir hindert mich daran. Vielleicht ist es die Angst, weggestoßen zu werden. So, wie er es die letzten Abende auch getan hat. Mit einem kühlen und distanzierten Blick, der Was wollen Sie denn noch? gefragt hat. Ich bin jedes Mal gegangen. Weil ich das Gefühl hatte, nicht gewollt zu sein. Dieses Gefühl habe ich auch jetzt. Also ziehe ich mein Handy aus der Tasche und schreibe Greg. Vielleicht bin ich heute Nacht ja nicht der Einzige, der nicht allein schlafen möchte.

Und gerade, als ich das denke und die Nachricht abschicke, dreht Sherlock sich zu mir um und sieht mich an. Und sein Blick sagt all das, was er immer unausgesprochen gelassen hat.


-


Hallöchen!

Weil ich doch länger für dieses Kapitel gebraucht habe, als gedacht, melde ich mich nun noch einmal zu später Stunde bei euch. Genauso spät ist auch dieses Kapitel entstanden - also bitte seid nicht allzu streng mit mir :).

Ich bin wie immer sehr auf euer Feedback gespannt! Da ich gesundheitlich gerade ein wenig angeschlagen bin, hier mal eine Frage an euch: Habt ihr Johnlock-Stories für mich, die ich unbedingt einmal gelesen haben muss? Gerne könnt ihr mir auch eure eigenen empfehlen. Ich würde mich freuen, sie lesen zu können <3.

Und nun wünsche ich euch süße Träume und eine gute Nacht!
Wir lesen uns,


Eure Leli


When they kissedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt