Another love

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(Sherlocks POV)

Es ist nicht so, dass ich es nicht gewusst hätte. Denn das habe ich. Zu offensichtlich war Johns Verhalten, zu deutlich waren die Zeichen. Sie waren überall, auf seinem Gesicht, in seinen Augen, seinem Lächeln, seinen Bewegungen. Als wollten sie mich immer wieder daran erinnern, dass sie noch immer dort sind, obwohl ich mir so oft gewünscht habe, sie wären es nicht.
Wissen kann man vergessen. Das, was man gesehen hat, nicht.

Ich weiß nicht, was mich am meisten stört. Die Tatsache, dass ich es so lange schon geahnt und es immer wieder verdrängt habe, oder der Anblick, der sich mir geboten hat. Lestrade und John. In einem Bett, eng umschlungen, sein Kopf auf der Brust des Inspektors. Ich habe immer geglaubt, so nicht fühlen zu können, dazu nicht im Stande und immun dagegen zu sein. Gefühle sind nutzlos, nichts weiter als ein Defekt, etwas, was unser Körper tut, weil er es sollte. Und jetzt habe ich sie auch. Für einen Mann, der mein bester Freund ist. Für einen Mann, der mich nicht mag. Nur ich ihn. Ich ihn viel zu sehr.

Ich höre, wie eine Tür geöffnet wird, dann Schritte, die in meine Richtung kommen und auf halben Weg verstummen. Kurz fühle ich mich ertappt, weiß selbst nicht, wieso, weil es nur Gedanken und keine ausgesprochenen Sätze waren. Dennoch ist es, als hätte ich das, was ich denke, das, was ich fühle, obwohl ich es nicht fühlen will, auch gesagt. Dabei könnte ich es nicht einmal in Worte fassen. Weder meine Gefühle noch meine Gedanken. Sie sind zu viel und überall. Und voll mit John.

„Er hat Alpträume", sagt plötzlich eine Stimme neben mir und erinnert mich daran, dass John mich nur in meinen Tagträumen mag und hier, in der Realität, ungefähr genauso weit davon entfernt ist wie die Erde vom Neptun. Also ziemlich weit. Zu weit.
Nur widerwillig öffne ich meine Augen und richte sie auf den Inspektor, der mir auf einmal gegenüber und in Johns Sessel sitzt. Der Anblick versetzt mir einen Stich.
„Das ist Johns Platz", sage ich und versuche, nicht allzu genervt davon auszusehen.
„Bieten Sie mir doch einen anderen Platz an", erwidert Lestrade schmunzelnd.
„Was wollen Sie?"
„Mit Ihnen reden."

Auf einmal wird seine Stimme ernst und leise und der Ausdruck in seinen Augen gehetzt, beinahe so, als hätte er Angst, jemand würde uns zuhören. Ich mustere ihn nachdenklich. Zerzaustes Haar, ein Kissenabdruck an der Wange, er trägt ein graues Shirt und eine ebenso karierte Hose. Er sieht aus, als wäre er gerade erst aufgewacht. Aber seine Augen tun das nicht. Sie sind klar und wach, verraten mir, dass er schon länger wachgelegen und nachgedacht hat, als es den Anschein macht.
Ob John genauso oft in seinen Gedanken vorkommt, wie in meinen?

„Ich habe zu tun." Die Worte verlassen meinen Mund, bevor ich es mir anders überlegen kann. Aber die Vorstellung, wie Lestrade neben John liegt und ihm beim Schlafen zusieht, stört mich mehr, als ich wahrhaben will. Der Inspektor zieht beide Augenbrauen hoch.
„Sie sitzen in einem Sessel und trinken Tee, Sherlock. Auf mich wirken Sie alles andere als beschäftigt."
„Ich denke nach", verteidige ich mich ein bisschen zu patzig und ein bisschen zu genervt. Lestrades amüsiertes Schmunzeln reizt mich.
„Über John?"

Seine Frage klingt harmlos, beinahe beiläufig, aber sein Tonfall nicht. Er ist zu wissend, zu überzeugt, zu ruhig. Als wäre es eine Tatsache, die wissenschaftlich erwiesen und bestätigt wurde, und nicht bloß eine leere Vermutung. Ich schlucke angestrengt und gebe einen Laut von mir, der eine Mischung aus Schnauben und Seufzen ist.

„Das tun Sie doch schon genug für uns beide."

Als ich es ausspreche, zieht und brennt es ganz tief in meiner Brust. Ich will nicht, dass ich damit recht habe, weil ich mir wünsche, dass unser Kuss mehr gewesen ist, dass es nicht bloß ein Mittel zum Zweck war, dass John genauso empfunden hat.

„Das denke ich nicht." Lestrade lächelt nicht mehr. Sein Blick ist eindringlich, sein Gesicht ernst. „Wo waren Sie vergangene Nacht, Sherlock?"

Ich lehne mich in meinem Sessel zurück, nach außen hin gleichgültig, innerlich aufgewühlt.
Es ist dieser John, nicht wahr? Er ist es, der dich so schwach macht, schwach und gefühlsduselig, der dir die Fähigkeit nimmt, an etwas anderes zu denken, spottet Mycrofts Stimme in meinem Kopf. Es ist mir beinahe unmöglich, es zu glauben. Mein Bruder, der großartige Sherlock Holmes, das Superhirn unserer Familie, hat Gefühle. Beginnen wir etwa, zu lieben, Bruderherz?
Meine Zähne geben ein knirschendes Geräusch von sich und erst da bemerke ich, wie fest ich sie zusammengebissen habe. Der Gedanke an Mycroft und sein herablassendes, arrogantes Gesicht macht mich wütend, wütender, als ich es will.
„Bei meinem Bruder", erwidere ich tonlos. „Aber ich wüsste nicht, was Sie das angeht, Inspektor."

Als ich Mycroft erwähne, verändert sich etwas in Lestrades Augen. Es ist nicht mehr als ein leises Flackern, so klein und so schnell wieder vorbei, dass es einem anderen vermutlich nicht einmal aufgefallen wäre. Aber ich habe es bemerkt. Weil ich alles bemerke. Weil ich dazu verflucht bin, es immer und überall zu tun.

„Überrascht es Sie, dass ich gelegentlich den Aufgaben eines Bruders nachgehe?", frage ich spottend. Die Hände des Inspektors verkrampfen sich. Schnelles Atmen, zitternde Finger, flimmernde Augen, gesenkter Blick. Er ist nervös, aufgewühlt, unruhig.
„John hätte Sie gebraucht."

Der Satz dringt in mich wie Messer aus Worten. Ich versuche, mir einzureden, dass er lügt, dass es nicht stimmt, nicht stimmen kann, weil Lestrade schließlich bei ihm war. Ich will es mir nicht vorstellen, aber ich tue es. John, wie er auf und unter ihm liegt, die Augen geschlossen und das Gesicht fast schmerzverzerrt. Der Gedanke daran löst etwas in mir aus, obwohl ich mich so verbissen dagegen wehre.
Lestrade und ich sehen uns lange an - zu lange. Ich weiß nicht, was ich sagen oder fühlen soll. Denn ich fühle schon wieder viel zu viel und sage viel zu wenig. Mein Körper fühlt sich seltsam an. Er ist mir noch fremder als sonst.

„John braucht mich nicht." Meine Worte klingen bitterer als beabsichtigt. „Er hat doch Sie. Oder reichen Sie allein ihm nicht aus?"

Ich erwarte, dass Lestrade lacht oder vielleicht den Kopf schüttelt, aber nichts davon passiert. Er sieht mich nur mit einem Blick an, der mich das fragt, was ich mich andauernd frage. Wieso stört Sie das so sehr?

„Ich kann ihm nicht helfen."

Die Antwort des Inspektors trifft mich unerwartet. Meine Augenbrauen schießen in Richtung Haaransatz, beinahe entfährt mir ein überraschtes Geräusch. Macht er sich über mich lustig?
„Sie haben recht, Sherlock", sagt Lestrade. Sein Lächeln ist bedauernd. „Es ist lächerlich. Aber ich bin hilflos. Diese Träume ... Sherlock, Sie waren ja nicht dabei. Das sind keine Träume, das sind ... es ist, als wäre er in seinem Kopf noch immer an diesem Ort."
Er schweigt kurz, scheint zu überlegen, wie er es in Worte fassen soll.

„Sie waren es, der ihn dort gefunden hat. Also bringen Sie ihn auch wieder nach Hause. Bitte."


-


Hey ihr Lieben,

sagt mal, was haltet ihr eigentlich von Greg - egal ob von dem Story- oder Film-Greg? Und was denkt ihr, lösen seine Worte in Sherlock aus? Wird er etwas unternehmen oder weiterhin auf das vertrauen, was er zu wissen glaubt?


Ich wünsche euch einen schönen Start ins Wochenende!
Wir lesen uns,


Eure Leli

When they kissedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt