All of me

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(Sherlocks POV - Achtung, Herzschmerz ist vorprogrammiert xD)

Ich stehe nackt in meinem Zimmer und kann nicht aufhören, über das nachzudenken, was John eben im Flur zu mir gesagt hat. Dass er bei Lestrade gewesen ist. Oder bei Greg, wie er ihn genannt hat. Ich wusste nicht einmal, dass der Inspektor so heißt. Wenn ich ehrlich bin, habe ich sogar verdrängt, dass er überhaupt einen Vornamen hat. Vielleicht, weil er mir dafür nie wichtig genug gewesen ist. Ich habe höchstens einen Gedanken an ihn verschwendet, wenn er direkt vor mir stand. Oder wenn er mir einen Fall übertragen hat. Sonst nicht. Und jetzt verschwindet er plötzlich nicht mehr aus meinem Kopf. Nicht, weil ich mich auf einmal daran erinnert habe, dass er unter Umständen doch ganz in Ordnung ist, sondern weil die Bilder nicht mehr aus meinem Kopf verschwinden wollen. Bilder von ihm und John. Zusammen in seinem Bett, umhüllt von tiefschwarzer Dunkelheit, die alles noch viel verbotener macht.

Ja, ich habe in seinem Bett geschlafen. John hat dabei ausgesehen, als wäre es nicht weiter von Bedeutung gewesen. Aber für mich ist es das. Weil Greg keine Lily und damit auch keine Frau ist. Weil Greg ein Mann ist, jemand, den ich kenne, den ich in Johns Leben gelassen habe, ich und niemand sonst. Ein Mann, der mit ihm in einem Bett geschlafen hat. Das habe ich noch nie.
Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Diese Tatsache stört mich. Es stört mich, dass nicht ich es war, der neben ihm gelegen hat, sondern Greg. Und dass ich es gerne gewesen wäre. Dass ich nichts lieber gewollt hätte. Ich will, dass das aufhört. Diese Gedanken und diese Wünsche. Ich will endlich wieder normal sein. Oder zumindest so, wie ich vorher gewesen bin. Bevor John mich geküsst hat.

Ich sehe zu meinem Spiegelbild und in die eisigen Augen eines jungen Mannes. Er sieht mich an, als wären er und ich nicht dieselbe Person. Ich hasse, was ich sehe, und ich hasse, was ich bin. Der hagere Mann mit der fahlen Haut und dem desinteressierten Blick ist niemand, mit dem John freiwillig eine Nacht verbringen würde. Es wundert mich, dass er es überhaupt erträgt, neben mir zu sitzen, geschweige denn mich auch nur anzusehen.

Ich sehe mich nicht gerne an. Und ich denke, allen anderen geht es genauso.
Ich bin nicht dumm, ganz und gar nicht. Leider ist sogar das Gegenteil der Fall. Ich merke, wie sie mich ansehen, und ich weiß, was sie denken. Es ist nicht so, dass es mich interessiert. Namenslose Gesichter mit leerem Verstand kümmern mich nicht. Es ist mir egal, was sie sagen, und egal, was sie fühlen. Sie sind mir egal. Aber John ist es nicht.

Ich wende mich von dem Spiegel ab, weil ich mich selbst nicht mehr sehen kann. Mein Herz tut weh. Ich sehe Johns Blick noch vor mir, wie er zwischen meinen Augen hin- und hergesprungen und schließlich zu meinen Lippen gerutscht ist, der Ausdruck in dem dunklen Blau, kurz bevor er mich geküsst hat. Ich spüre seinen schnellen Atem und seine Lippen auf meinen, höre ihn meinen Namen sagen, sehe ihn lächeln, fühle seine nassen Haare noch unter meinen Fingern.
Ich ersticke an den Bildern in meinem Kopf und ertrinke in der Art, wie er mich angesehen hat. Und zwischen all diesen Momenten, die in einer Endlosschleife durch meine Gedanken geistern, taucht plötzlich Lestrade auf.

Mein Herz verkrampft sich. Ich sehe John und ihn vor mir, wie sie sich ansehen, verstohlene Blicke, die so viel mehr sagen, als sie sollten. Ich erinnere mich an jeden Augenblick, in dem ich sie zusammen gesehen habe. Daran, wie sie sich angelächelt haben, wie ihre Blicke sich auf dem Weg zueinander getroffen und nicht mehr losgelassen haben. Wie Lestrade sich vorgebeugt hat, um John etwas ins Ohr zu flüstern, und dieser daraufhin leise gelacht und zu mir gesehen hat. Ob sie über mich geredet haben? Darüber, wie erbärmlich ich bin? Wie dumm es ist, zu denken, jemand wie John, jemand, der so ist, wie er, würde sich wirklich für mich interessieren?

Die Stimme in meinem Kopf flüstert mir zu, dass ich wohl kaum wichtig genug bin, damit sie überhaupt über mich reden, und eine andere sagt, dass John nicht mehr Gedanken an mich verschwendet, als notwendig sind. Ich schließe die Augen, will den Stimmen entgehen und verliere mich in den Bildern in meinem Kopf. Jedes einzelne von ihnen tut mir weh. Weil sie mir gefallen haben. Mehr, als sie sollten.

Ich lasse mich rücklings auf mein Bett fallen, versuche, nicht daran zu denken, wie es sich wohl anfühlen würde, es mir mit ihm zu teilen, ihn neben mir zu spüren, seinen Atem zu hören, ihn beim Schlafen zu beobachten. Ich starre an die weiße Decke und fühle mich leer. Als wäre ich betäubt. Meine Gefühle, meine Sinne, mein Körper. Alles ist plötzlich taub. Nur meine Gedanken sind klar. Das sind sie immer. Und ich wünschte, das wäre nicht so. Weil es nicht immer gut ist, so tief und viel zu denken. Ich habe das Gefühl, ich ersticke daran. An den Bildern und an den Worten, die ich nicht sagen kann, weil ich nicht will, dass das, was ich denke, was ich befürchte, das, wovor ich mehr Angst habe als vor mir selbst, dass das wahr wird. Und das wird es.

Wenn man etwas ausspricht, dann ist es kein Gedanke mehr. Dann ist es in der Welt und nicht mehr nur im Kopf. Mein Kopf ist voll von Angst und Wut und diesem schrecklichen, dumpfen Gefühl in meiner Brust. Und voll mit diesem Blick. Diesem Blick, der mir sagt, dass ich kein Niemand und auch kein Irgendjemand bin. Ein Versprechen und eine Versuchung.
Ich glaube, John weiß es, so wie er einfach alles von mir weiß. Ich weiß, dass er denkt, es wäre anders, dass er denkt, er würde nur an der Oberfläche schwimmen von dem, was ich bin. Dabei hat er schon längst den Grund erreicht.

Ich wünschte, ich könnte es ihm sagen. Sagen, dass er mich nicht so ansehen und mich trotzdem nie anders anschauen soll, dass er Abstand halten und gleichzeitig bei mir bleiben soll. Sagen, dass er so viel mehr ist, mehr als er denkt, mehr als er für mich sein sollte.

Wenn er mich ansieht, dann ist es, als wäre ich in einer anderen Welt. Als wäre sein Blick ein Boot und seine Augen der Ozean und er würde mich mitnehmen zu einem anderen, besseren Ort. Zu einem Ort, an dem ich sicher bin, an dem es mir gut geht, an dem ich vielleicht sogar glücklich werden kann. Mit ihm kann ich lachen. Das kann ich mit niemanden. Nicht so. Ich weiß, dass er das nicht sehen will. Und ich weiß auch, dass er das weiß. Er will es nicht wahrhaben, so wie er alles nicht wahrhaben will, was mit mir zu tun hat.
Das, was bei jedem Blick zwischen uns liegt, das, was sich anfühlt wie ein gespannter Faden, der jeden Moment reißen könnte. Wie ein elektrisches Summen, das zwischen uns liegt. Das, was in jedem unserer Worte mitschwingt. Wie ein kleiner Beigeschmack, den man nur bemerkt, wenn man sich darauf konzentriert. Das, was so deutlich da ist und sich trotzdem nicht erfassen lässt. Am liebsten würde ich es festhalten, es beschützen, es einsperren und für immer behalten. Stattdessen fühlt es sich an, als würde es mir mehr und mehr entgleiten.

Ich wünschte, ich könnte von diesen Momenten Bilder machen und sie mir immer wieder anschauen. Von seinem Blick, von seinen Augen, von diesem tiefen, warmen Blau, von den Worten, die darin liegen, von den vielen Dingen, die er damit sagen kann, von dem Ausdruck auf seinem Gesicht, interessiert und melancholisch, ein Ausdruck, als hätte er schon zu viel gesehen aber noch lange nicht genug, Bilder von seinem Lächeln, von seinem Lachen, seiner Stimme, Bilder von der Art, wie er schauen kann und wie er mich anschaut.

Wenn er mich ansieht, fühle ich mich gesehen. Als wäre ich ein Foto in schwarzweiß und würde erst durch ihn die Farbe bekommen.
Ich weiß, dass er nicht weiß, wie wichtig er mir ist, wie wichtig mir alles von ihm ist. Ich will, dass er das weiß, dass er weiß, dass ich noch nie jemanden so nah an mich herangelassen habe, dass ich noch nie jemanden so sehr vertraut habe, dass ich noch nie jemanden so schnell gemocht habe wie ihn. Das war nicht schwer. Ihn zu mögen. Das habe ich vom ersten Moment an.

Und das muss ich beschützen. Ich muss ihn schützen. Vor den Nächten, in denen seine Alpträume zurückkehren, vor der Angst, die jeden seiner Blicke begleitet, vor dem, was die Leute sagen, wenn sie versuchen, ihn zu verstehen. Aber vor allem vor mir selbst. Und ich werde nie etwas Anderes tun. Weil er alles ist, was ich noch habe. Weil er immer alles sein wird.

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Hallo, meine Lieben!

Recht spät, aber noch lange nicht spät genug (zumindest hoffe ich das xD), gibt es noch ein "kleines" Kapitel für euch. Es ist länger geworden, als gedacht, und hätte noch sehr viel länger werden können, hätte ich mich nicht selbst gezwungen, aufzuhören.
Es war wohl nicht die beste Idee, mir davor einige Johnlock-Edits auf Tiktok reinzuziehen ^^. Und da ich sowieso an chronischem Herzschmerz leide, wann immer ich an Sherlocks Blicke denke (hust, John, wach auf!), habe ich mich wohl ein wenig zu sehr zu seinem klassischen Herzschmerz-Kapitel verleiten lassen.

Aber genug von mir - ich hoffe, es hat euch gefallen, und ich freue mich wie immer sehr über Feedback in allen möglichen Formen!

Wir lesen uns,

Eure Leli



When they kissedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt