Don't leave

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(Johns POV)

Mein Mund ist trocken, mein Hals kratzt, mein Kopf ist wie in Watte. Ich bin in eine Decke gehüllt, darunter ist es warm und wie in einem Kokon. Als wäre ich verborgen vor dem Rest der Welt. Ich fühle den weichen Stoff der Bettwäsche auf meiner Haut, sie riecht nach Waschpulver und zuhause. Die Muskeln in meinen Armen und Beinen beginnen zu zucken, meine Lider flattern. Ich erinnere mich an den Ausdruck der Angst in Sherlocks Gesicht, an seine Hände auf meinen Wangen und an das Gefühl, ewig zu fallen. Dann der Moment, in dem ich aufhörte, zu fühlen, zu denken, zu existieren.

Ich kämpfe mich Erinnerungen und Bilder, durch ein Meer aus Schmerz, arbeitete mich durch mein Unterbewusstsein nach oben. Jetzt verstehe ich die Bedeutung davon. Und wieso es Unter- und nicht Überbewusstsein heißt. Weil man gefangen ist wie unter einer Schicht aus Eis. Dann öffne ich die Augen. Und sehe in kühles, funkelndes Blau.

„John."

Es ist nur mein Name, aber allein die Tatsache, dass und wie er ihn ausspricht, flutet Adrenalin durch meinen Körper, haucht ihm wieder Leben ein. Ich setze mich auf, sehe an mir herunter, merke, dass das kein Schlafanzug von mir ist, den ich trage. Es ist Sherlocks.

„Er steht Ihnen beinahe besser als mir", sagt Sherlock plötzlich, als hätte er meine Gedanken gelesen. Vermutlich hat er das wirklich. „Sie sollten nur darauf verzichten, damit zu laufen. Sie könnten hinfallen."
Er grinst, ein wenig süffisant und ein wenig aufziehend. Es ist dieses schiefe Grinsen, was seine Augen glitzern lässt und was mir so gefehlt hat. Er hat mich lange nicht mehr so angesehen.
„Vielen Dank für den Hinweis", entgegne ich spitz. Meine Stimme klingt nicht nach mir. Sie ist kratzig und rau. Als hätte ich sie ewig nicht benutzt.
„Es war mir ein Vergnügen. Sie wissen doch, wie gerne ich Ihnen sagen, dass Sie gut in meiner Kleidung aussehen."

Wäre mein Mund nicht so schrecklich trocken gewesen, hätte ich mich womöglich noch verschluckt. Mein Verstand braucht erschreckend lange, um das zu begreifen, was Sherlock eben gesagt hat. Träume ich? Ich will nicht, dass es so ist, aber ich muss es tun, denn sagen würde er so etwas niemals zu mir. Oder doch?

„Wegen der Kleidung." Sherlock grinst immer noch. „Wenn sie an Ihnen recht passabel aussieht, tut sie das an mir noch besser."

Ich blinzle verwirrt, versuche zu verstehen, was er meint, aber mein Kopf ist zu müde und zu langsam. Es ist, als wäre mein Körper wach, aber mein Verstand noch immer betäubt. Sherlock macht eine wegwerfende Handbewegung und greift nach einem Stapel Papiere, der neben mir auf dem Nachttisch liegt.

„Ich dachte, das könnte Sie vielleicht interessieren", fährt Sherlock fort, als hätte es diesen merkwürdigen Moment nie gegeben. „Es sind Kopien eines CTs von Ihrem Gehirn. Ihr Freund hat das angeordnet - also unterstellen Sie bitte ihm und nicht mir, es wäre überfürsorglich gewesen."
„Greg ist nicht-"
„Überfürsorglich?" Sherlock zieht eine Augenbraue hoch. „Sie befinden sich also noch in der rosaroten Phase?"
„Wie bitte?", frage ich verwirrt. So langsam beginnt es mich zu nerven. Dass ich Sherlock nicht folgen kann und dass er Greg und mich nach wie vor für ein Paar hält. Ich weiß nicht, was anstrengender ist.
„Sie nehmen ihn in Schutz. Machen Ausnahmen, Abstriche, finden Dinge, die Sie an mir auszusetzen haben, bei ihm nicht länger störend", erwidert Sherlock nüchtern. „Die rosarote Phase, John. Man nennt es auch Verliebtsein, soweit ich weiß."

Stöhnend massiere ich meine Schläfen. Das darf ja wohl nicht wahr sein. Womöglich befinde ich mich gerade in einer „rosaroten Phase", Greg ebenso, aber das vielmehr parallel als gemeinsam. Wir sind Freunde und wir sind verliebt - aber nicht ineinander. Ich verstehe, wieso Sherlock das denkt, und gleichzeitig tue ich das nicht. Immerhin reden wir von Sherlock. Sherlock Holmes. Ich würde so denken. Ich würde die Zeichen falsch deuten und etwas in Dinge hineininterpretieren, die nicht einmal ansatzweise zusammenpassen. Aber Sherlock nicht. Sherlock tut so etwas normalerweise nicht.

When they kissedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt