ZEHN

10.5K 229 20
                                    

SARINA

Sie sind also der Mafia-Daddy?«, hakte ich nach. Der ältere Mann, dessen dunkelbraune Haare graue Strähnen annahmen, hielt in seiner Bewegung inne, sich auf den Gartenstuhl zu setzen.

Es war morgens und ich war alleine. So fühlte ich mich zumindest. Iván hatte mich in dem Teil des Gartens abgeladen, wo ich mich gerade aufhielt. Er meinte, ich sollte mich schon einmal an den runden Tisch setzen. Er stand in einem Steinpavillon, gedeckt mit Köstlichkeiten.

Weil nach Minuten keiner aufgetaucht war, ging ich zurück in die Villa. Das nur, um mir eine Jacke zu holen. Dafür, dass es gestern Mittag, so wie gestern Abend warm war, fror ich mir heute Morgen den Arsch ab.

Nachdem ich dann zurück in den Garten lief, traf ich im Wohnzimmer auf Rico. Zusammen waren wir an unseren derzeitigen Aufenthaltsort gelaufen. Dem Steinpavillon.

Deswegen hörte ich nun genau, wie er sich neben mir kaputtlachte.

Mit hochgezogener Braue schaute mich der ältere Mann an. Seine schokoladenbraunen Augen waren ausdruckslos, kalt. Selbst seine Miene blieb bei seiner kommenden Erwiderung emotionslos: »Lorenzo.« Dieses eine trockene Wort in einer messerscharfen Stimme machte mich nervös. Ich fand sein Verhalten komisch. Ja, er bestätige mir indirekt, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag, nur reagierte er nicht einmal auf meinen Spruch. Abgesehen von der hochgezogenen Augenbraue.

Ich hatte das Gefühl, ihm war in seinem Leben eine Sache widerfahren, die ihn noch immer belastete.

»Sina, die Zwangsverlobte deines Sohnes«, stellte ich mich im selben Ton vor. Er sollte mir meine Verunsicherung nicht ansehen. »Ich weiß.« Mehr kam nicht von ihm. Der Herr war sehr gesprächig, wie ich bemerkte.

Lorenzo zog den Stuhl, auf den er sich setzen wollte nach hinten. Mein Blick fiel auf seine Hand. An jedem seiner Grundglieder war ein Buchstabe tätowiert. Es ergab ein Wort. Da es von mir aus gesehen spiegelverkehrt war, konnte ich nicht lesen, was dort stand.

Ein B, dann ein E. Ich legte den Kopf schräg, um besser lesen zu können.

Weiter kam ich nicht. Seine Hand verschwand zu schnell. Deswegen beobachtete ich ihn weiter. So konnte ich vielleicht herausfinden, was er sich hatte tätowieren lassen.

Sobald er saß, machte er mit einer einfachen Bewegung den Knopf an seinem Jackett auf. Er trug einen maßgeschneiderten dreiteiligen Anzug in Grau und Violett.

Danach griff er nach der Kaffeekanne aus Edelstahl und schenkte sich die braune Brühe ihn die Tasse vor sich. Er sah konzentriert aus oder wie jemand, der nachdachte. Erst da fiel mir die Ähnlichkeit zu Rico auf. Sein Sohn war eine jüngere Version von ihm. Vom Aussehen, nicht vom Verhalten.

Ich richtete meine Aufmerksamkeit zurück auf Lorenzos Tattoo.

Also nochmal. BE ... L. Ich verengte die Augen ein wenig. Erneut wurde ich unterbrochen. Ausgerechnet mit der Hand, auf der das Wort stand, musste er aus der Tasse trinken.

»Hast du gut geschlafen, Sina?« Verdutzt schaute ich auf. Er hatte mich wirklich gefragt, ob ich gut geschlafen hatte? Er? Das überraschte mich noch mehr, als wenn Iván mir diese Frage stellen würde.

»Nein, in meinem Kopf haben zu viele Gedanken geschwirrt. Und Sie?« Er zuckte mit den Schultern.

»Geht, mir fehlt meine Ehefrau.« Interessant, er sprach mit mir über persönliche Probleme. Womöglich war er gar nicht so verschlossen wie angenommen. Obwohl, nein, das glaubte ich nicht. Er wollte einfach ... nett sein.

»Wann kommt Ihre Frau denn wieder?« Rico sog scharf Luft ein. Lorenzo verspannte sich sichtlich. »Gar nicht. Sie ist schon lange tot«, erklärte mir mein Schwiegervater düster. Oh ...

Señora Hernández - Der Anfang vom EndeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt