EINUNDDREISSIG

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SARINA

Wenn man an den Teufel dachte. Um mich herum verstummte alles. Selbst die Vögel hörten auf zu zwitschern.

Ich seufzte genervt. Der Tag war hiermit gelaufen. Iván zerstörte ihn mit seiner Anwesenheit.

Wie kam er überhaupt aus dem Gefängnis?

Eine Woche lang taten sie alles, um ihn dort rauszubekommen. Nun stand er plötzlich im Garten, versaute mir damit meine gute Laune.

Meine Schwäger konnten von seiner Entlassung ebenfalls nichts gewusst haben, schließlich meinten sie vorhin noch zu mir, dass sie arbeiten mussten.

Das bedeutete also, Iván musste es selbst geschafft haben. Und ich hasste es.

Ein klitzekleiner Teil in mir schien das jedoch anderes zu sehen. Ein winziger Funken war erleichtert. Er lebte, war nun zurück, hörte sich an, als ginge es ihm gut.

Mich durfte es nicht interessieren, wie er sich fühlte. Er verdiente das bisschen Sorge nicht, nur meinen Hass.

»Iván!«, rief seine kleine Schwester erfreut. So schnell sie konnte, rannte sie zu ihm. Ich beobachtete sie dabei.

Als ich Iván dann das erste Mal, seit einer Woche anschaute, weiteten sich meine Augen bei seinem Anblick.

Mit genau denselben Klamotten, die er in der Kathedrale trug, stand er auf der Terrasse. Sein weißes Hemd war an der Seite aufgerissen. Sein getrocknetes, mittlerweile dunkelrotes Blut, klebte daran.

Er sah aus, wie im Verhörraum, nur mit dem Unterschied, dass er nicht mehr wie eine lebendige Leiche wirkte. Sein Gesicht war nicht mehr blass und man brauchte nicht mehr befürchten, jeden Moment einen bewusstlosen Iván vor sich zu haben.

Lorenzo stand neben seinem Sohn. Er hatte ihn abgeholt. Hätte er ihm dann keine neuen Klamotten bringen können?

Beide Männer schauten, als sähen sie gerade einen Geist. Verdattert ließen sie ihre Blicke abwechselnd zwischen dem Pool und den Liegen wandern.

Sofia sprang Iván in die Arme. Weil er nicht damit rechnete, verlor er das Gleichgewicht. Noch rechtzeitig konnte er Sofia und sich vor einem Sturz auf die Steinfliesen bewahren.

»Du bist zurück«, hörte ich Sofia wegen der Entfernung leise sagen. Sie schmiegte ihren Kopf an seine Brust. »Und du nass.« Iván erwiderte die Umarmung nicht. So jemand war er nicht. Der Eisklotz mochte körperliche Nähe nicht. Auch wenn er mich morgens im Bett verschlafen in seine Arme zog. Sonst blieb er distanziert. Bei egal wem.

»Stell dich nicht so an, du musst dich sowieso umziehen. Hast du dich mal angesehen?«

»Das ist schwer zu übersehen.« Konnte er nicht einmal nett sein? Wenigstens zu seiner Schwester. Sie hatte sich Sorgen um ihn gemacht. Anstatt wenigstens ein bisschen nett zu ihr zu sein, benahm er sich so.

Meine Schwäger standen auf, liefen zu ihrem Bruder. Marife und Carlotta taten es ihnen gleich. Für mich kam das unerwartet. Ja, sie kannten sich schon ein paar Jahre, trotzdem. Es machte nie den Anschein, nach mehr. Mehr als eine einfache Bekanntschaft.

Und ich? Ich schloss meine Lider, winkelte die Beine an und genoss die Sonne, die meine Haut erhitzte.

»Wie bist du so plötzlich aus dem Knast gekommen?«, begann mit Alvaro die Fragerei. »Ich hatte noch ein Ass im Ärmel.«

»Warum hast du das nicht schon von Anfang an gemacht. So hätten wir uns die ganze Arbeit erspart und du dir die acht Tage Knast«, nahm Enrique verständnislos am Gespräch teil. »Ich wollte diesen Weg eigentlich nicht gehen. Da mir das Ganze zu lange gedauert hat, habe ich ihn nun doch gewählt.«

Señora Hernández - Der Anfang vom EndeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt