VIERUNDZWANZIG

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SARINA

»Ab aus der Kutsche mit dir Prinzessin«, meinte Rico in seinem typischen fröhlichen Verhalten. Ich fragte mich, ob sich dahinter etwas verbarg, er sich mit seiner fröhlichen Art nur verstellte.

»Nicht mehr lange, dann bin ich keine Prinzessin mehr, sondern die Königin der Hölle, durch die Heirat mit dem Teufel.«

»Gut zu wissen, diablo.«

»Lass mich raten, das bedeutet Teufel.« Er grinste und nickte. »Richtig erraten, pequeña.«

Ich stieg, ohne einen Aufstand zu machen, aus dem Auto. Wie gerne ich das Gegenteil gemacht hätte. Aber was würde es mir bringen? Ich würde jeden Moment heiraten. Wir standen schon vor der Kathedrale.

Ich hatte mich die ganze Fahrt über gefragt, wo genau die Trauung stattfand. Erst hatte ich nichts außer Bäume, Wiese, Autobahn und Autos gesehen. In schneller Geschwindigkeit war alles an mir vorbeigezogen.

Nicht lange, da kamen immer mehr Häuser, kurz danach Hochhäuser zum Vorschein. Nach weiteren Minuten war Rico immer noch nicht angehalten. 30 Minuten, 50 Minuten eine Stunde. Es ging immer tiefer nach New York hinein.

Als es mir dann endlich klar wurde, brauchte ich gar nicht mehr fragen.

Wir waren durch einen Tunnel gefahren. Queens-Midtown Tunnel. Was befand sich dahinter? New York City. Noch besser: Der Wohnbezirk Manhattan, wo die Reichen wohnten. Was befand sich dort noch, abgesehen vom Empire State Building? Genau, die St. Patricks Kathedrale. Der perfekte Ort, um zu beweisen, dass man Reich war.

Wer heiratete denn nicht gerne direkt gegenüber vom Rockefeller Center mitten in der Stadt der Reichen und Schönen?

Wie erwartet waren wir 15 Minuten nach meiner Feststellung an der majestätischen Kathedrale angekommen. Die Menschen, die in der Nähe waren, wurden auf uns aufmerksam. Und jetzt stand ich meinem gleich Schwager gegenüber. Er beobachtete mich, wie ich an mir herunterschaute.

Ich steckte in einem schneeweißen Brautkleid. Es hatte einen Carré-Ausschnitt und lag wegen des Korsetts eng an meinem Körper. Ab der Taille fiel der Rock luftig herunter. Das Kleid bestand aus Satin und war schlicht. Einfach nur weiß. Keine Details, außer die Stäbe am Korsett.

»Keine Sorge, du siehst gut aus.«

»Mir ist egal, wie ich aussehe.« Ich versuchte, nur Zeit zu schinden. Calen, eine der beiden Frauen, die mich für die Hochzeit herrichten sollten, hatte mir unbeabsichtigt dabei geholfen.

Schnell war mir klar geworden, wieso wir so früh angefangen hatten, mich zu stylen. Durch Sofias andauernd neuen Wünsche brauchten wir ewig, um fertig zu werden.

Am Ende hing es nur noch am Schleier, der an meinem halb hochgesteckten Haar befestigt werden sollte. Er rutschte die ganze Zeit von meiner Frisur. Nun hielt er mithilfe von vielen Haarnadeln.

Meines Erachtens nach war der Schleier überflüssig. Mir waren zwei Theorien bekannt, für welchen Zweck eine Braut einen Brautschleier trug. Erstens: Damit die Braut von bösen Geistern und Dämonen beschützt wurde – wir sahen ja ganz klar, das wurde ich so schon nicht. Und zweitens: Es galt wie das weiße Brautkleid an sich für die Unschuld und Reinheit.

Wie auch immer. Der Schleier war überflüssig. Sofia bestand darauf. Ihr etwas aus dem Kopf schlagen konnte man vergessen.

»Rico? Weißt du, ob mein Vater da sein wird?« Ich schaute ihn an. Mein Herz hämmerte wie wild gegen mein Brustkorb, wodurch ich meinen Herzschlag bis zu meiner Lunge spüren konnte.

Ich hoffte, er sagte nein. Sollte mein Vater auf dieser Hochzeit sein, dann ...

Er sollte darüber froh sein, dass ich keine Pistole bei mir trug. Einen Schuss in sein Bein wäre wegen meiner unaufhaltsamen Wut auf ihn nicht auszuschlagen.

Señora Hernández - Der Anfang vom EndeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt